Marco Polo 8.225076
1 CD • 66min • 1998, 1999
13.04.2004
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
Folge 6 der Orchesterkompositionen des Dirigenten Igor Markevich exponiert zunächst das frische, neoklassizistische Klavierkonzert (1929) – ein beachtliches Concerto Grosso des 16jährigen, wenn auch im Kopfsatz ein bisschen träge in der Durchführung des Materials und nicht ganz der Geniestreich, als den es das Beiheft verkaufen will. Der ironische Mittelsatz, ein ambivalenter Trauermarsch, ist besser gelungen, aber das Finale wirkt wieder etwas engstirnig und ist für mich bei allem Wohlwollen gewöhnungsbedürftig. Die viersätzige Cantate (1929) vermag weit mehr zu fesseln – vielleicht, weil das Werk auf ein nicht mehr realisiertes Ballett für Serge Diaghilew zurück geht und aktiv vorwärts drängt. Der gehaltvolle, poetische Text von Jean Cocteau ist eine Momentaufnahme der goldenen Zwanziger Jahre mit all ihren zivilisatorischen Ängsten, die Musik ist zudem erfüllt von dem jugendlichen Sturm und Drang einer ersten Männerliebe (nämlich des 17jährigen Markevich zu dem 40jährigen Cocteau).
Den Abschluss der CD bildet Markevichs Hauptwerk, die Kantate Icare, hier in der revidierten Version von 1943/44 (die Urfassung von 1932/33 ist als Vol. 2 auf Marco Polo 8.223666 erschienen). Markevich selbst traf keine Entscheidung für eine der beiden Fassungen. Mir persönlich gefällt die etwas frischere Urfassung besser, auch wenn die Spätfassung raffinierter gemacht, in Teilen neu komponiert ist und den Kantaten Arthur Honeggers näher kommt.
Het Gelders Orkest, das in CD-Produktionen Arnhem Philharmonic Orchestra heißt, liefert eine solide Studio-Produktion ab, scheint sich aber nicht besonders vom Dirigenten inspirieren zu lassen, was dessen Fähigkeiten nicht gerecht wird. (Das vorzügliche Saarbrückener Rundkfunkorchester beispielsweise ließ sich in der hinreißenden Einspielung der fünften Sinfonie von George Rochberg von Lyndon Gee musikalisch weitaus mehr inspirieren, Naxos 8.559115). Das ist schade, denn Christopher Lyndon Gee verfolgt das Markevich-Projekt nach wie vor mit großem Engagement und hat sogar den (leider nur englischen) Booklet-Text und Übersetzungen der Gesangstexte verfasst. (Insofern setzt sich, wenn schon Noten verteilt werden müssen, die künstlerische Wertung zusammen aus einer 6 für das Orchester und einer 10 für den Dirigenten). Der Klang ist natürlich und präsent, aber etwas trocken.
Dr. Benjamin G. Cohrs [13.04.2004]
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Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
---|---|---|
CD/SACD 1 | ||
Igor Markevitch | ||
1 | Klavierkonzert (Piano Concerto, 1929) | |
2 | Cantate für Solosopran, Männerchor und Orchester (1929) | |
3 | Icare (Fassung 1943 von »L'Envol d'Icare«, 1943) |
Interpreten der Einspielung
- Martin van den Hoek (Klavier)
- Nienke Oostenrijk (Sopran)
- Arnhem Philharmonic Orchestra (Orchester)
- Christopher Lyndon-Gee (Dirigent)