MD+G MDG 631 1015-2
1 CD • 58min • 1997/2000
01.03.2001
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
Klassik Heute
Empfehlung
Die Suite für Kammerorchester beginnt mit einem angemessen fies rezitierten Dada-Poem zur Einstimmung, mit diversen tagespolitischen Seitenhieben. So wird gleich zu Beginn der CD der soziokulturelle Kontext hergestellt. Dann folgen sechs zeitgenössische Modetänze, an denen ein Leonard Bernstein seine helle Freude gehabt hätte - "Kunstjazz", brillant aufgearbeitet, mit Anspielungen auf Stücke wie den Bolero (in Tr. 4), andererseits 1921 ein treffend skizziertes Zeitdokument. Andere Luft atmen die vier Lieder op. 2, die um 1913 entstanden. Diese Gesänge erinnern in manchem an den frühen, von Wagner beeinflußten Schönberg und stehen auch Schulhoffs vorherigem Lehrer Max Reger sehr nahe. Erstaunlich sicher sind die um 1909 noch in Leipzig entstandenen drei Stücke für Streichorchester - eine Elegie im Stile Edvard Griegs, ein Menuett und ein graziöses Allegretto namens Pipa tanzt. Die delikat instrumentierten, technisch nicht sonderlich schweren Stücke bereichern die Literatur für Jugend-Streichorchester.
Das Doppelkonzert WV 89 für Flöte, Klavier und Kammerorchester schließlich entstand 1927 auf Anregung des französischen Flötisten René le Roy, auf den Darius Milhaud auch im Titel seines Bläserquintetts La Cheminée de Roi René anspielt. Schulhoff schrieb das 20minütige Konzert für sich und le Roy - ein mitreißendes Werk, das Flötisten eindringlich ans Herz gelegt sei.
Überzeugen schon die Werkauswahl und Präsentation von MD+G, so noch mehr die künstlerische Qualität: einmal mehr setzt das Label neben seiner vorbildlichen Klangtechnik auf weniger bekannte, doch hochkarätige Interpreten - in diesem Fall das Ensemble Tritonus Wimares, das sich 1995 aus Solisten der Staatskapelle Weimar gründete. Die Leitung hat der Tubist und Dirigent Walter Hilgers, der seit 1980 Mitglied von German Brass ist und 1995 zum Professor für Kammermusik an die Franz-Liszt-Hochschule in Weimar berufen wurde. Die lyrische Sopranistin Norico Kimura überzeugt mit einem Timbre, das eine stimmige Balance zwischen Klarheit und Fülle findet. Hinzu kommen eine sehr gute Deklamation und ein so vielseitiger musikalischer Geschmack, daß ihr viele Genres des Gesangs offenstehen. Eine Überraschung ist auch die frühere Nicolet-Schülerin und Erste Flötistin der Staatskapelle Weimar, Wally Hase: ein flexibler, freier Ton, wohldosiertes und überlegt eingesetztes Vibrato und eine flink artikulierende Zunge verraten die langjährige Vertrautheit mit der französischen Flötenmethodik. Trotz winziger Wermutstropfen wie einem flüchtig redigierten Booklet und einem hörbaren Schnittfehler genau zu Beginn von Tr. 1 eine hochgradig spannende CD und ein weiterer Meilenstein in der längst überfälligen Aufarbeitung des Schaffens von Erwin Schulhoff.
Dr. Benjamin G. Cohrs [01.03.2001]
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Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
---|---|---|
CD/SACD 1 | ||
Erwin Schulhoff | ||
1 | Suite WV 58 für Kammerorchester (1921) | |
2 | Vier Lieder op. 2 WV 19 für Sopran und Orchester (1913) | |
3 | Drei Stücke op. 6 WV 5 für Streichorchester (1909) | |
4 | Concerto doppio WV 89 für Flöte, Klavier, 2 Hörner und Orchester (1927) |
Interpreten der Einspielung
- Norico Kimura (Sopran)
- Peter Badstübner (Rezitation)
- Wally Hase (Flöte)
- Heidi Sophia Hase (Klavier)
- Tritonus Wimares (Ensemble)
- Walter Hilgers (Dirigent)