Die Besten zum Schluss
Semifinale im Fach Bläserquintett
19 Ensembles aus 17 Nationen, darunter einige aus mehreren Nationen gemischt, waren im Fach Bläserquintett angetreten, 6 aus 7 Nationen schafften es ins Semifinale, das gestern im Konzertsaal der Musikhochschule ausgetragen wurde. Auf dem Programm standen vier Werke: das g-Moll-Quintett von Claude Paul Taffanel (1844-1908), das Wind Quintett von Thea Musgrave (Jg. 1928), das A-Dur-Bläserquintett von Gustav Holst (1874-1934), das nur einmal gespielt wurde, sowie Naming of the Birds von Sally Beamish (Jg. 1956), in dem die Vogelstimmen von Rebhuhn, Kiebitz, Grauammer, Schleiereule und Dompfaff musikalisch ausgemalt sind. Neben der Ausgewogenheit des Spiels müssen natürlich auch die Art des Auftretens und die Kleidung berücksichtigt werden. Bei der Aufstellung der Ensembles stand mal das Horn, mal das Fagott in der Mitte.
Heiter-hohes Gequieke
Den Anfang machte das fein gekleidete SenArts Wind Quintet aus Spanien (Nieves Aliaño Ramos, Flöte; Pau Roca Carreras, Oboe; Lluís Casanova Martínez, Klarinette; Carles Chordà Sanz, Horn; Clara Canimas i Furcarà, Fagott) mit dem Vogel-Quintett. Alle Vogelrufe waren sorgfältig ausgemalt: heiter und rhythmisch perfekt gackerte das Rebhuhn, der Kiebitz lockte mit Oboentönen, die Grauammer lieferte schneidende Piccolo-Töne, die Schleiereule schnarrende Fagott-Töne und heiter-hohes Gequieke herrschte beim Dompfaff. Weich-fließend und doch lebhaft war das Taffanel-Quintett mit sehr harmonischem Gesamtklang, im Adagio hätte das Horn noch ausdrucksvoller singen können, was die anderen Instrumente ausgiebig taten, das Finale war vital, tänzerisch elegant und klanglich sehr durchsichtig. Lebhaft war auch das Körperspiel der fünf Spieler: ein noch vorsichtiges Votum für einen Favoriten.
Agogische Feinheiten
Das Quintet Itsuki aus Japan (Ryo Shimizu, Yuka Asahara, Yuto Kamei, Sekitoshi Nobusue, Kazuki Nagata,) trat in einheitlichem Schwarz-Weiß auf. Dieses Quintett gefiel mit weichem, abgerundetem und fein austariertem Klang, die Töne schwebten gut auf dem Luftstrom. Die Spieler standen immer wie auf dem Sprung und wirkten sehr souverän. Das Taffanel-Quintett begannen sie lebhafter, fast stürmisch bis überhitzt mit jähen Temperamentsausbrüchen. Der Gesamtklang war ausgeglichen mit schönem Legato. Das Horn sang im Adagio wesentlich arioser, die natürlich phrasierten Spannungsbögen waren mit agogischen Feinheiten gegliedert. Das Finale war noch verspielter, blitzender, sonniger als bei den Spaniern. Das Musgrave-Quintett kam mit sehr viel Espressivo, einer oft erregt flatternden Flöte, ausdrucksstark in jeder Phrase und klangrund auch im Forte – für den Rezensenten ein hoher Favorit.
Individualität der Einzelstimmen
Ganz in Schwarz mit weißen Sneakern trat das V.Töne Holzbläserquintett aus Österreich (Laura Moosbrugger, Anna Eberle, Paul Moosbrugger, Anton Oskar Doppelbauer, Johanna Bilgeri) auf. Den Taffanel nahmen sie etwas schwingender, bisweilen auftrumpfend, dafür etwas härter im Ton, das Finale klang etwas neutral. Die Eigenart der Instrumente kam individueller zur Geltung. Das Musgrave-Quintett präsentierten die Fünf ganz frisch wie neu, nicht so routiniert wie das japanische Quintett, die Überraschungen schön ausspielend. Besonders positiv stach das Fagott mit farbenreichem Klang hervor. Beim Publikum kamen diese sympathischen jungen Musiker gut an.
Anmut im Melodischen
Das Nevsky Wind Quintet aus Russland (Anna Komarova, Aleksandr Bykov, Lev Zhuravskii, Georgii Pribylov, Georgii Radzevich) ließ zunächst etwas auf sich warten, bis es, ganz in Schwarz gekleidet, auftrat. Als einziges hatte es das Quintett von Gustav Holst gewählt, ein klangsattes Stück, mit dem die Musiker demonstrieren konnten, wie perfekt sie aufeinander eingespielt sind, angeleitet von der sehr souverän agierenden Flötistin. Zauberhafte Duette von Flöte und Oboe gab’s zu hören, außergewöhnlich gute Legato-Kultur und einen sehr ausgewogenen, dabei sehr transparenten Ensemble-Klang (bis auf ein paar Horn-Unsauberkeiten). Die Kanon-Architektur des Minuet führten sie deutlich vor und wiegten sich dabei anmutig im Melodischen, fühlten sich aber auch im antikisierenden Schlusssatz, einer Air mit Variationen, wie zuhause. Im Vogel-Quintett überzeugten sie mit ausgeklügelt geformtem Klang mit großer dynamischer Spreizung, in dem selbst die grellen Töne abgerundet waren, alles war mit kräftigen Farben und deutlichen Linien ausgemalt – das Publikum trampelte vor Begeisterung: wieder ein Favorit.
Balztanz des Dompfaffs
Ganz international besetzt ist das Pacific Quintet aus Deutschland/Honduras/Japan/Russland/Spanien (Aliya Vodovozova, Fernando José Martínez Zavala, Liana Leßmann, Pablo Neva Collazo, Kenichi Furuya), das ganz in Schwarz auftrat, die Damen zeigten große Rüschen. Die Vögel klangen bei diesen Musikern etwas lärmend und scharf, der Dompfaff schien einen veritablen Balztanz aufzuführen. Das Taffanel-Quintett gelang dem Ensemble gut, aber nicht überragend. Dynamisch impulsiv klang das Horn, ganz sanft das Fagott.
Springlebendig federnd wie auf einem Trampolin
Bei einem solchen Durchlauf haben die Ersten und die Letzten es am Schwersten: Die Ersten, weil noch das Konkurrenz-Korrektiv fehlt, die Letzten, weil da vielleicht schon die Zuhör-Konzentration schwindet. Doch das Alinde Quintet aus Tschechien (Anna Talácková, Barbora Trnčíková, David Šimeček, Kryštof Koska, Petr Sedlák), angetreten ganz in Schwarz, die beiden Damen im goldglitzernden Oberteil, ließ nochmal aufhorchen. Sehr belebt und bewegt, schwellend und schwelgend erklang das Taffanel-Quintett, das Horn singend, wenn auch nicht ganz aussingend, was dafür umso lieblicher Flöte und Oboe taten, mit einem springlebendigen, wie auf einem Trampolin federndem Finale. Ihr Zusammenspiel war so hervorragend, dass es fast blockhaft wirkte. Im Vogel-Quintett kosteten die Bläser die dissonanten Akkorde aus, die Piccolo-Töne machten sie fast ohrenbetäubend grell, dafür schnarrte das Fagott bei dem Eulen-Gekrächze etwas pflichtschuldig – auch ein Favorit.
Für den Rezensenten hätte das Ergebnis geheißen: Quintet Itsuki, Nevsky Wind Quartet und Alinde Quintet. Die Jury entschied anders: Ins Finale gehen das SenArts Wind Quintet, das Nevsky Wind Quintet, das Pacific Quintet und das Alinde Quartet.
Rainer W. Janka (10.09.2024)