Georg Friedrich Händel
Johannes-Passion
René Gally CD92 036
1 CD • 66min • 1996
01.12.2000
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
Die Urheberschaft dieser unter Händels Namen laufenden Johannespassion ist umstritten, und so hat dieses Werk gleich unter zwei Vorurteilen zu leiden: Als Komposition Händels muß es das Schattendasein eines Jugendvorläufers der großen Oratorien führen; fällt Händel aus, rückt es – wertlos geworden wie ein gut gefälschter Rembrandt – aus dem Lichtkegel des Interesses. Vielleicht hat die Nachwelt diese vorzüglich komponierte Passion nur deswegen mit dem Nimbus des jungen Händel umgeben, damit sie neben der fast 20 Jahre später entstandenen Johannespassion von Bach bestehen könne.
Tatsächlich weist die Reinhard Keiser zugeschriebene Markuspassion größere Ähnlichkeiten mit der hier zu rezensierenden Johannespassion auf. Als Komponist beider Werke scheint mittlerweile Friedrich Nicolaus Bruhns (1637-1718) durch die Musikforschung nachgewiesen – dieser Bruhns war ein Verwandter des für seine Orgelwerke berühmten Nicolaus Bruhns und Leiter der Hamburger Ratsmusik. Als Entstehungsort des dramatischen Passionsoratoriums gilt das Hamburg des ersten Jahrzehnts im 18. Jahrhundert. Friedrich Nicolaus Bruhns scheint hierbei eine entscheidende Rolle gespielt zu haben, und Reinhard Keiser war zu dieser Zeit der erfolgreiche Komponist für das Theater am Gänsemarkt, Deutschlands einziger Volksoper, in deren Orchester der junge Händel als Geiger wirkte und für die er erste Bühnenwerke komponierte. Die Akteure dieses "Fälschungskrimis" sind also auch in Wirklichkeit eng verbunden gewesen.
Als vom Entstehungszeitpunkt letztes Evangelium betont das Johannes-Evangelium in seiner Erzählung des Wirkens Jesu besonders den eschatologischen Aspekt. Die für die Passionsoratorien nach Johannes verfaßten barocken Dichtungen sind reich an Allegorien, die sowohl Händel/Bruhns und auch später Bach überaus eindringlich vertonen. Diese introvertierten Teile des Oratoriums gelingen Florian Heyerick und seinem Ensemble vorzüglich.
Ein weiteres Charakteristikum der Passionsgeschichte bei Johannes ist die höchst lebendige Gestaltung des Prozesses Jesu, der in dramatischen Szenen zwischen Pilatus und einer Menge, die als Ankläger auftritt, geschildert wird. Die aufgepeitschte Wut des Mobs in diesen Turbaszenen wird, wie bei Bach, mit zuweilen drastischen Mitteln geschildert. Hier fällt – sowohl beim Vokalensemble Ex Tempore wie auch bei den Vokalsolisten – die Sprachgrenze zwischen Deutschland und Belgien oft störend ins Gewicht und Artikulationsschwierigkeiten trüben die Textverständlichkeit. Überdies bleibt in diesen Teilen die dramatische Gestaltung des Inhalts blaß.
Detmar Huchting [01.12.2000]
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