hänssler CLASSIC 92.070
2 CD • 1h 53min • 1999
01.02.2000
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
"Daß jede Darstellung der Missa immer ihr eigenes unverwechselbares Gesicht haben muß, halte ich für notwendig. Es gibt keine ein für allemal gültige Interpretation", schreibt Helmuth Rilling in seinem Buch zu Bachs h-Moll-Messe. So ist zu erwarten, daß auch seine mittlerweile dritte Einspielung des Werkes noch nicht Rillings Nonplusultra sein wird. Innerhalb der 173teiligen edition bachakademie sollte diese Aufnahme aber das Zentralwerk darstellen.
Dem hochgestellten Anspruch wird die nun als Nummer 70 in der ambitionierten Bach-Gesamteinspielung erscheinende Aufnahme nur wenig gerecht. Zwar ist seit den Zeiten der ersten Rillingschen Aufnahme der h-Moll-Messe für CBS viel Wasser den Neckar hinab geflossen, und der Stuttgarter Bach-Experte hat mittlerweile mehrmals beeindruckend gezeigt, daß man nicht unbedingt historisches Instrumentarium braucht, um Bach stilgerecht aufzuführen. Doch diese Entwicklung hatte ihren Höhepunkt bei der Neuaufnahme der Matthäus-Passion von 1994 erreicht, und mittlerweile scheint Rilling wieder einen Schritt zurückgegangen zu sein: Die h-Moll-Messe von 1999 präsentiert sich als zwar kammermusikalisch besetztes, aber üppig musiziertes "opus ultimum", dem Rilling schon mit einer beachtlichen Gesamtarchitektur ein gehöriges Maß an Individualität verleiht.
Sicher: Die Gächinger Kantorei singt auf einem technisch beeindruckenden Niveau, auch das Stuttgarter Bach-Collegium ist an den ersten Positionen mit tadellosen Instrumentalisten besetzt. Und vor allem Sibylla Rubens und Thomas Quasthoff heben diese Produktion auch im solistischen Bereich aus dem Mittelmaß heraus. Aber wo Rilling vor Jahren die musikalische Gestaltung noch dem textlich-dramatischen Ablauf unterordnete, steht nun unüberhörbar die Musik und die aufeinander bezogene Ordnung der verschiedenen Teile im Vordergrund. So gibt es im Gloria strahlenden Trompeten-Jubel und innige Instrumental-Soli zu hören, im Credo überrascht ein Crucifixus, bei dem die Zeit stehenzubleiben scheint.
Doch bei derlei Klangfinessen (die wegen der stark räumlichen Akustik nicht immer ideal wirken) ist der lateinische Text nur noch schwer verständlich. Zum anderen wird Rilling gerade in großflächigen Abschnitten erstaunlich eintönig. Dann wirkt das Ergebnis entweder gehetzt (et in terra pax) oder ermüdend (Kyrie II). Zumal auch die ansonsten mit schlankem, schnörkellosem Timbre singenden Chor-Soprane bei derlei ungewohnter Gestaltung mit Intonationstrübungen zu kämpfen haben. Alles in allem: eine CD, die für sich genommen diskussionwürdig ist, als Zentral-Produktion einer Bach-Gesamteinspielung aber zu viele Fragen aufwirft.
Hagen Kunze [01.02.2000]
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Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
---|---|---|
CD/SACD 1 | ||
Johann Sebastian Bach | ||
1 | Messe h-Moll BWV 232 für Soli, Chor und Orchester |
Interpreten der Einspielung
- Sibylla Rubens (Sopran)
- Juliane Banse (Sopran)
- Ingeborg Danz (Alt)
- Andreas Schmidt (Bariton)
- Thomas Quasthoff (Bass)
- Gächinger Kantorei Stuttgart (Chor)
- Bach-Collegium Stuttgart (Orchester)
- Helmuth Rilling (Dirigent)