George Onslow
String Quintets Op. 72 & 61
Ensemble Tamuz

Challenge Classics CC720026
1 CD • 67min • 2023,2024
08.10.2025
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
Der in Clermont-Ferrand geborene George Onslow (1784–1853) stammte aus einer begüterten Familie – der Vater Engländer, die Mutter Französin – und genoss früh eine hervorragende Ausbildung: als Pianist Schüler von J. L. Dussek und J. B. Cramer studierte er dann bei Antonín Reicha in Paris Komposition. In einer Zeit, die in Frankreich den musikalischen Fokus auf die Oper richtete, schrieb Onslow vor allem Kammermusik: allein 37 Streichquartette und 34 Streichquintette. Ähnlich wie die Werke des gleichaltrigen Louis Spohr erlebt seine Musik erst seit knapp 40 Jahren eine Wiederbelebung. Das 2015 in Berlin gegründete Ensemble Tamuz debütiert nun auf CD mit zwei Streichquintetten, davon Nr. 25 op. 61 als Ersteinspielung.
Charme und Ausdruckstiefe
Wurde dem Braunschweiger Spohr oft ein gewisser Akademismus vorgeworfen, war es bei Onslow eher Gefühlskälte. Dem darf man angesichts der beiden hier präsentierten Stücke aus dessen Reifezeit beruhigt widersprechen. Onslows Musik ist zwar von klassizistischer Strenge und geht überbordenden, romantischen Gefühlsausbrüchen gezielt aus dem Wege, wirkt dabei dennoch wahrhaftig und tief empfunden. Alles scheint enorm ausgelotet, von der Harmonik wie von der Melodik her einfalls- und abwechslungsreich. Onslow widmete seine Musik gerne berühmten Instrumentalisten, und so finden sich auch im f-Moll-Quintett op. 61 (1839) fast solistische Momente fürs Cello, in op. 72 (g-Moll, 1848) entsprechend für Violine. Anders als bei Spohrs sogenannten quatuors brillants – quasi Violinkonzerte mit Streichtriobegleitung – bleibt jedoch alles echte Kammermusik mit gleichberechtigten Partnern.
Manierierte Portamento-Orgie
Clive Brown, der auch beratend für das Ensemble Tamuz tätig war, charakterisiert im nur englischen Booklettext deren Besonderheiten in einigen Punkten: etwa an die jeweiligen Ausdrucksbedürfnisse angepasste Flexibilität in Bezug auf Agogik und Priorisierung melodischer Führung über Synchronität. Dies leistet das Quintett absolut überzeugend und durchdacht; die Darbietung bleibt so stets spannend. Bei fast vibratolosem Spiel erweisen sich jedoch die wirklich ständig demonstrierten „verschiedenen Arten von Portamenti als Aspekt von Cantabile und Legato“ als maßlos übertriebene Manierismen. Versteht man sie bei manchen größeren Intervallen, wie in der Adagio-Einleitung von Nr. 28, noch als unterstützend, wurde nicht nur der langsame Satz von Op. 61, wo selbst ruhige kleine Sekundschritte als breite Glissandi ausgeführt werden, für den Rezensenten zur echten Qual. Das klingt so, als ob fünf Leute ständig an den Wirbeln ihrer Instrumente herumfummeln würden, und blieb auch nach mehrfachem Anhören aufdringlich bis nervig: Nicht alles, was nach Kuhstall riecht, ist espressivo!
Aufnahmetechnisch ist die für Klassik ungewöhnlich hochausgesteuerte CD durchsichtig, aber ein wenig hart, beinahe überpräsent. Im Booklet vermisst man Angaben über die zum Einsatz kommenden Instrumente. Trotz der geschlossenen Repertoirelücke – die Manuskripte von Opus 61 befinden sich in Privatbesitz – selbst für Fans historischer Aufführungspraxis sicher gewöhnungsbedürftig und Stoff für Diskussionen.
Martin Blaumeiser [08.10.2025]
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Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
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CD/SACD 1 | ||
Georges Onslow | ||
1 | Streichquintett Nr. 28 g-Moll op. 72 | 00:31:10 |
5 | Streichquintett Nr. 25 f-Moll op. 61 | 00:36:16 |
Interpreten der Einspielung
- Ensemble Tamuz (Streichquintett)