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Besprechung CD

Bizet

20 Songs op. 21
Justina Gringytė • Malcolm Martineau

Ondine ODE 1458-2

1 CD • 76min • 2025

09.09.2025

Künstlerische Qualität:
Künstlerische Qualität: 7
Klangqualität:
Klangqualität: 8
Gesamteindruck:
Gesamteindruck: 7

An die 50 Lieder hat Georges Bizet komponiert, dessen 150. Todestag in diesem Jahr begangen wird. 20 davon sind in Opus 21 zusammengefasst, aber sie bilden nicht eigentlich einen Zyklus, sondern sind zu verschiedenen Zeiten und zu unterschiedlichen Anlässen entstanden. Die aufstrebende litauische Mezzosopranistin Justina Grangytė legt sie in ihrem ersten Solo-Album in ihrer Gesamtheit vor und wird dabei von dem erfahrenen Pianisten Malcolm Martineau unterstützt. Wir haben es bei diesen Liedern keineswegs mit Gelegenheitsarbeiten oder marginalen Werken zu tun, sondern durchweg mit kleinen Gemmen, die das Kennenlernen oder Wiederhören lohnen.

Poesie und Melodie

Einige Titel hat Bizet anderen Werken entlehnt bzw. diesen später zugeführt. So ist die Sérénade als Romanze Nadirs aus Les pêcheurs de perles vertraut, J’aime l’amour stammt ursprünglich aus der einaktigen exotischen Oper Djamileh, Je n’en dirai rien aus der Adaption von Walter Scotts La Jolie Fille de Perth, und Le Matin verwendet Material aus der Bühnenmusik zu Alphonse Daudets L’Arlesienne. Zu den originellsten Stücken zählt das melancholische Adieux de l’hôtesse arabe nach einem Text von Victor Hugo, dessen Lyrik in op. 21 einen besonderen Raum einnimmt. Als Kontrast dazu erscheint sein erotisches Gedicht La coccinelle, bei dem der Komponist auch musikalischen Witz entfaltet. Auch sonst beweist Bizet mit Théophile Gautier und Alphonse de Lamartine literarischen Geschmack. Die das Album abschließende Tarentelle ist der großen schwedischen Primadonna Christine Nilsson gewidmet, die nicht nur in ganz Europa, sondern auch in Amerika sensationelle Erfolge hatte: Ein virtuoses Gesangsstück mit Koloratur-Vokalisen.

Bizet war ein Melodienerfinder von Gottes Gnaden und deshalb passt die französische Gattungsbezeichnung für Lieder, „mélodies“, in seinem Fall besonders gut. Dass er auch ein hervorragender Pianist war, hat ihm kein Geringerer als Franz Liszt bestätigt. Die Klavierparts zu diesen 20 Liedern sind phantasievoll und rhythmisch pointiert, führen aber kein Eigenleben, sondern bleiben immer im Dienst der Gesangsstimme. Es wäre falsch, in diesen Liedern kleine Opernszenen zu sehen, vielmehr machen sie dem Hörer klar, wie viel Liedcharakter Bizets populärste Opernarien und -duette haben.

Power am falschen Platz

Ob dies die mehrfach preisgekrönte litauische Mezzosopranistin Justina Gringytė, die auf internationalen Bühnen vor allem als Carmen erfolgreich war und ist, richtig verstanden hat, möchte ich bezweifeln. Um Tod und Leben geht es in den Liedern nämlich nicht, aber bereits für die Frühjahrs- und Morgenstimmungen der ersten beiden Titel findet die Sängerin einen unheildrohenden Ausdruck, als ob es sich um die Kartenszene der Carmen oder ihren Showdown mit Don José handelte. Auch sonst ist große Oper angesagt, wo intime Feinzeichnung gefragt wäre. Wenn sie von „tendres baisers“ singt, vermittelt sie aggressive Sinnlichkeit. Immer hat man den Eindruck, sie wolle sich bei dieser Gelegenheit fürs dramatische Fach, für Rollen wie Eboli und Amneris, empfehlen. Zu undifferenziert stellt sie hier ihr attraktives Material aus („a thunderously powerful voice“ attestierte ihr der „Daily Telegraph“), zu gering ist dabei ihre dynamische Spannweite. Wo pp notiert ist, liefert sie mf und hat dann für die crescendi in die Forte-Bereiche nur noch geringen Spielraum. Malcolm Martineau ist ihr zwar ein geschmeidiger Begleiter, der am Klavier auch über die poetischen Zwischentöne verfügt, aber ihr vokales Temperament hat er offenbar nicht bremsen können. In der Oper wird man mit Justina Gryngitė rechnen können, die hohe Kunst des Liedgesangs scheint ihr vorläufig noch verschlossen.

Ekkehard Pluta [09.09.2025]

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Komponisten und Werke der Einspielung

Tr.Komponist/Werkhh:mm:ss
CD/SACD 1
Georges Bizet
1Chanson d'Avril op. 21 Nr. 1 (aus Vingt Mélodies) 00:03:40
2Le Matin op. 21 Nr. 2 00:04:22
3Vieille chanson op. 21 Nr. 3 00:04:06
4Adieux de l'hôtesse arabe op. 21 Nr. 4 00:04:40
5Rêve de la bien-aimée op. 21 Nr. 5 00:03:43
6J'aime l'amour op. 21 Nr. 6 00:03:42
7Vous ne priez pas! op. 21 Nr. 7 00:04:52
8Ma vie a son secret op. 21 Nr. 8 00:03:43
9Pastorale op. 21 Nr. 9 00:03:33
10Sérénade op. 21 Nr. 10 00:02:38
11Berceuse op. 21 Nr. 11 00:04:12
12La chanson du fou op. 21 Nr. 12 00:02:19
13Absence op. 21 Nr. 12 00:04:45
14Douce mer op. 21 Nr. 13 00:03:21
15Après l'hiver op. 21 Nr. 15 00:03:15
16La coccinelle op. 21 Nr. 16 00:04:47
17Chant d'amour op. 21 Nr. 17 00:03:41
18Je n'en dirai rien op. 21 Nr. 18 00:02:49
19L' Esprit saint op. 21 Nr. 19 00:04:17
20Tarentelle op. 21 Nr. 20 00:04:19

Interpreten der Einspielung

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