La belle époque des Geloso
Collection du Festival International Albert-Rouseel

CiAr Classics CC 024
1 CD • 69min • 2024
23.09.2025
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
„La belle époque des Geloso“ ist die vorliegende Neuerscheinung überschrieben, und hinter dem Namen Geloso verbirgt sich tatsächlich eine ganze Musiker- und Künstlerfamilie, deren Wirken hier erstmals auf Tonträger erfasst wird. Eine kurze biographische Einordnung zu Beginn: 1844 kam Pénélope Bigazzi in Siena als Tochter zweier Opernsänger zur Welt; rasch erwies sie sich als musikalische Frühbegabung, speziell am Klavier. Nach dem Tod ihrer Mutter begannen im Alter von 13 Jahren ausgedehnte Konzertreisen durch Italien, Frankreich und Spanien, und schließlich ließ sich die junge Pianistin 1859 in Madrid nieder.
Dort heiratete sie im Alter von 18 Jahren den Miniaturmaler Francesco Geloso, mit dem sie zwei Söhne bekam, die ebenfalls Musiker wurden: Albert (1863–1916) und César (1867–1960). 1868 zog die Familie nach Bordeaux, gegen Ende des Jahrhunderts nach Paris. Pénélope Bigazzi starb 1914 in London, wo sie ihren Sohn Albert, einen Violinisten, begleitet hatte. César, wie seine Mutter Pianist, verkehrte in Frankreich in illustren Musikerkreisen (zu seinen Bekannten zählten Fauré, Massenet und Saint-Saëns) und war in den späten 1920er Jahren eine Weile Direktor des Konservatoriums von Versailles; er starb 1960 hochbetagt in England, der Heimat seiner zweiten Frau, die ebenfalls Pianistin war.
Brillante Klaviermusik um 1860
Zwei dieser Musiker sind auch (zeitweilig) als Komponisten in Erscheinung getreten, nämlich Pénélope Bigazzi selbst und César Geloso. Insofern ist dieses Album in erster Linie eine Art Doppelportrait von Mutter und Sohn, und naturgemäß steht dabei Klaviermusik im Vordergrund. Bigazzis kompositorische Laufbahn erstreckt sich dabei auf einen extrem kurzen Zeitraum, denn nach ihrer Hochzeit konzertierte und unterrichtete sie zwar weiterhin, hörte jedoch auf zu komponieren. So erlebt man hier eine Auswahl von fünf Stücken, die allesamt im Alter von 16 bis 17 Jahren entstanden, orientiert an zeitgenössischen Modellen brillanter Klaviermusik (das Beiheft nennt u.a. Thalberg). Am Beginn steht eine Opernparaphrase, während die übrigen Stücke italienische bzw. spanische Einflüsse aufgreifen; gefällige, effektvolle Salonmusik ihrer Zeit. Zurecht weist das Beiheft darauf hin, dass die Stärken von Bigazzis Musik vor allem in ihrem gekonnten, farbenreichen, manchmal orchestrale Assoziationen weckenden Klaviersatz liegen; etwas schematischer dagegen zuweilen die Melodik. Nichtsdestoweniger Musik einer begabten jungen Frau, von der man sich angenehm unterhalten wissen darf.
Feine, poetische Nuancen
Selbst wenn auch César Gelosos Musik im eher kleinen Rahmen, durchaus auch den Salons seiner Zeit beheimatet ist, ist ihre Charakteristik doch eine andere. Auch Geloso war nicht sein Leben lang kompositorisch aktiv, aber doch über längere Zeiträume und in einer breiteren Palette von Genres. Am ehesten mit der Musik seiner Mutter vergleichbar dürfte die Valse-Caprice von 1894 sein, doch bereits die frühesten hier vertretenen Werke, nämlich Chanson d’avril und Scherzando jeweils von 1890, verraten eine intimere, introvertiertere Stimme. Sicherlich Genrestücke, in welche Geloso aber immer wieder feine, oft chromatisch motivierte poetische Nuancen einfügt, zu beobachten auch in seiner Berceuse für Violine und Klavier (1894). Speziell die Mélodies sur des poèmes de Maurice Rollinat (fünf Klavierlieder, 1898) erkunden auch dunklere, verschattetere Stimmungen (nicht von ungefähr findet man hier die einzigen Stücke in Moll), in Einklang mit dem sanft psychologisierenden grundsätzlichen Naturell von Gelosos Musik.
Im Wandel der Jahrzehnte
Prinzipiell bewegen sich diese Stücke klar im Kontext der französischen Musik des späten 19. Jahrhunderts, Fauré ist sicherlich ein Einfluss. Zwar bleibt Geloso dieser Tradition auch im weiteren Verlauf treu; im Scherzo espagnol (1911) und wesentlich deutlicher dann in den Stücken der 1920er Jahre (Gelosos letzte intensive kompositorische Periode datiert von 1923–27) ist aber auch der Einfluss des Impressionismus erkennbar – nicht im Sinne eines grundlegenden Wandels, doch Geloso gestaltet nun Übergangspassagen gerne auf Basis der Ganztonleiter oder ergänzt seine Akkorde um eine große Septime. Und hört man ganz am Ende der CD die Schlusstakte der Toccata (1924) und denkt an die Stücke seiner Mutter ganz vom Beginn zurück, dann dokumentiert dies abseits der großen spektakulären Neuerungen eben doch einen Wandel, eine veränderte Zeit im Rahmen dieser kleinen Piècen und ihrer Ästhetik.
Miren Adouani am Klavier interpretiert diese Musik mit Wärme und Sensibilität und in bewusst eher gedämpftem, mattiertem Tonfall und sucht auch dann, wenn hier und da ein dreifaches Forte vorgeschrieben ist, nicht die Extreme, m.E. vollkommen im Sinne des grundsätzlichen Charakters dieser Musik. Liebevoll gemacht auch der Begleittext, der dem Leser die Spezifika der Musik näherzubringen weiß, ohne auf Übertreibungen oder allzu großes Pathos zu setzen. Eine schöne Neuerscheinung.
Holger Sambale [23.09.2025]
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Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
---|---|---|
CD/SACD 1 | ||
Pénélope Bigazzi | ||
1 | Capricho op. 17 (sobre la Ballata de Oscar en la ópera Un ballo in maschera de Verdi) | 00:05:03 |
2 | Oh! mia cara Italia op. 12 (Souvenir) | 00:04:32 |
3 | Saludo a Madrid op. 13 (Polka-Mazurka) | 00:03:33 |
4 | La Asturiana (schottisch) | 00:02:01 |
5 | Higuanama op. 16 (Habanera de salón) | 00:03:47 |
César Geloso | ||
6 | Chanson d'avril | 00:02:06 |
7 | Scherzando | 00:01:28 |
8 | Valse-Caprice | 00:03:47 |
9 | Berceuse | 00:02:07 |
10 | Dans la nuit op. 16 | 00:01:48 |
11 | Chanson des oiseaux | 00:02:10 |
12 | De la même à la même | 00:02:17 |
13 | Le coinvoi funèbre | 00:02:16 |
14 | Violette | 00:01:23 |
15 | Douleur muette | 00:02:19 |
16 | Le Moulin | 00:00:56 |
17 | Scherzo espagnol | 00:03:49 |
18 | Sea breezes (Valse en trio) | 00:03:39 |
19 | Interlude (Trio) | 00:02:35 |
20 | Menuet Pastoral op. 35 | 00:03:05 |
21 | Naïveté | 00:01:35 |
22 | Soliloque | 00:03:52 |
23 | Il était une fois | 00:04:00 |
24 | Toccata | 00:04:29 |
Interpreten der Einspielung
- Miren Adouani (Klavier)
- Marie-Hélène Ruscher (Mezzosopran)
- Pascale Servranckx (Violine)
- Delphine Gosseries (Violoncello)