Chausson
Symphony in B flat • Viviane Orchestral & Vocal Works
Sinfonieorchester Basel • Ivor Bolton

Prospero Classical PROSP0119
1 CD • 71min • 2024, 2025
12.07.2025
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
Mit dicken Lettern schrieb César Franck das Wort POISON auf das Titelblatt der Partitur von Tristan und Isolde. Aber er konnte es nicht verhindern, dass dieses „Gift“ bei seinem begabtesten Schüler Ernest Chausson (Jg. 1855) zu wirken begann, nachdem er 1879 bei einem Besuch in München erstmals mit den Werken Richard Wagners bekannt geworden war. Sein ganzes musikalisches Schaffen, das 1899 durch einen Fahrradunfall jäh abgebrochen wurde, stand im Spannungsfeld zwischen den Lehren Francks und den Verlockungen Wagners, von dessen Einflüssen er sich immer wieder frei zu machen versuchte. Das vorliegende Album mit einigen weniger bekannt gewordenen orchestralen und vokalen Werken Chaussons spiegelt dieses Spannungsverhältnis wider und lässt zugleich den eigenen Stil des Komponisten erkennen.
Anfänge im Schatten Wagners
Sein erstes Orchesterwerk, die symphonische Dichtung Viviane, 1882 entstanden und mit der Opuszahl 5 versehen, war eine deutliche Replik auf das Erlebnis von Wagners Musik. Trotz des beträchtlichen Erfolgs hat er es später noch einmal überarbeitet, um die erkennbaren Einflüsse abzuschwächen. Der Stoff ist der Artus-Sage entnommen, die Chausson auch zu seinem Hauptwerk, der Oper Le Roi Arthus, inspirierte. Viviane ist die Geliebte des weisen Zauberers Merlin, der ihr leichtsinnig eines seiner magischen Geheimnisse verrät, was sie in die Lage versetzt, ihn bei sich festzuhalten. Die Tondichtung gliedert sich in vier ineinander übergehende Abschnitte, in denen Merlins stufenweise Verstrickung beschrieben wird. Kritiker und Kollegen Chaussons wussten seine instrumentalen Klangmalereien zu schätzen.
Im Jahr darauf begann er mit der Arbeit an der zweiaktigen Oper Hélène nach einer Dichtung von Leconte de Lisle, die er aber nie vollenden sollte. Sie belebt die Sage vom Urteil des Paris und von der schönen Helena. Einzelne Stücke daraus, so Szene und Arie der Protagonistin, sind erhalten geblieben und vermitteln im Orchester das Pathos des Wagnérisme, lassen im Vokalen aber die lyrische Schule von Chaussons erstem Lehrer Jules Massenet erkennen.
Francks Schüler als Meister
Mit seiner einzigen Symphonie in B-Dur op. 20, die er sich zwischen September 1889 und Dezember 1890 unter schweren Schaffensschmerzen buchstäblich abrang, erwarb er sich die Anerkennung auch derjenigen Kritiker, die seinen Werken vorher eher skeptisch gegenüberstanden. Man hört der Symphonie die Mühen der Entstehung durchaus an, vor allem im langsamen Satz, den er immer wieder umarbeitete. Chausson schrieb selbst über „abwechselnde Zustände von Wut, Heiterkeit, Begeisterung und Verzweiflung“. Wie sein Lehrer Franck in der d-moll-Symphonie beschränkte er sich bei der Ausführung auf drei Sätze, sparte das Scherzo aus. Seine errungene Meisterschaft bewies er vor allem in der Behandlung des Orchesters mit seinen vielen herausragenden Instrumentalsoli. Zu Recht zählt diese Symphonie zu den bedeutendsten französischen Beispielen ihrer Gattung und stellt für die ausübenden Musiker eine dankbare Herausforderung dar. Das Sinfonieorchester Basel, mit seinem Chefdirigenten Ivor Bolton offenbar bestens eingespielt, glänzt hier in allen Instrumentengruppen wie im Ensemblespiel.
Das Pièce pour Violoncelle et Piano op. 39, 1897 entstanden, hat Chausson dem Cellisten Jacques Gaillard gewidmet, der später ein Arrangement mit Orchester erstellte, das der vorliegenden Aufnahme zugrunde liegt. Möglicherweise wollte er damit ein Gegenstück schaffen zu dem populären Poème für Violine und Orchester op. 25. Und der Versuch ist einigermaßen gelungen. Wir erleben in der Orchesterfassung ein elegisches Poem, dessen weit ausschwingende Kantilenen an Belcanto erinnern und hier mit schmelzendem, sich dem Hörer einschmeichelndem Ton von David Delacroix zelebriert werden.
Vokale Glanzlichter
Drei Vokalkompositionen runden das Album ab. Neben der erwähnten Arie aus Hélène zunächst das Duett La Nuit (1883), ein melodisch bestrickender Zwiegesang von Sopran und Mezzosopran mit durchaus opernhaften Zügen, Vergleiche herausfordernd mit Offenbachs Barcarolle und dem Duett aus Delibes‘ Lakmé. Im Lied Les Morts für Mezzosopran und Orchester aus dem Zyklus Chansons de Miarka aus dem Leben der Roma verbinden sich folkloristische mit spätromantischen Elementen und schaffen eine melancholische Atmosphäre. Die gesanglichen Beiträge sind exzellent. Mit der jungen Sopranistin Lauranne Oliva, die vor zwei Jahren einen Gesangs-Wettbewerb in Paris gewann, scheint ein neuer Stern am Musikhimmel aufzugehen und Marie-Claude Chappuis‘ warmer, geschmeidiger Mezzo ist auch hier wieder eine reine Ohrenweide.
Ekkehard Pluta [12.07.2025]
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Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
---|---|---|
CD/SACD 1 | ||
Ernest Chausson | ||
1 | Viviane op. 5 (Sinfonische Dichtung) | 00:13:07 |
2 | Sinfonie B-Dur op. 20 | 00:36:19 |
5 | Pièce op. 39 | 00:09:14 |
6 | La nuit op. 11 Nr. 1 (Rondel à deux voix et orchestre) | 00:02:49 |
7 | Hélène op. 7 (Cesse tes chants flatteurs, Air d'Hélène) | 00:05:44 |
8 | Les morts op. 17 Nr. 1 (Mélodie pour chant et orchestre - aus: Chansons de Miarka) | 00:04:00 |
Interpreten der Einspielung
- Lauranne Oliva (Sopran)
- Marie-Claude Chappuis (Mezzosopran)
- David Delacroix (Violoncello)
- Sinfonieorchester Basel (Orchester)
- Ivor Bolton (Dirigent)