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Besprechung CD

Beethoven

Piano Sonatas Opp. 14 31 57
Moritz Winkelmann

Berlin Classics 0303745BC

3 CD • 2h 46min • 2024, 2025

28.08.2025

Künstlerische Qualität:
Künstlerische Qualität: 9
Klangqualität:
Klangqualität: 10
Gesamteindruck:
Gesamteindruck: 9

Nun also auch Moritz Winkelmann: Auch er spielt alle Beethoven-Sonaten ein, diese Dreifach-CD ist der zweite Teil der Edition, alles soll zum 200. Todestag Beethovens, also im Jahr 2027, fertig sein. Winkelmann hat in Mannheim und in Baltimore bei Leon Fleisher studiert, er war Klavierprofessor in Mannheim und ist es derzeit in Stuttgart. Im zweisprachigen Booklet hat Winkelmann seine Gedanken zu den Sonaten niedergeschrieben, ausführlich, sehr persönlich und für den Hörer gewinnbringend.

Genauigkeit vor Geschwindigkeit

Für mich scheint Winkelmann, der Professor, hier auch lehrhaft zu spielen: Erfreulich ist bei ihm der immer wieder neue Eindruck von neuerlebter Frische, von großer Freude der Entdeckung, vielleicht auch Neu-Entdeckung des schon allzu gut Bekannten, vor allem aber: Freude am Zeigen dieser Schönheiten. Immer ist hörbar, wie bewusst und überlegend Winkelmann gestaltet. Sein Spiel hat also auch etwas im besten Sinne Pädagogisches, Deiktisches. Vielleicht sind deswegen seine Tempi durchweg langsamer als die seiner berühmten Kollegen, seien es Alfred Brendel oder Michael Korstick (für mich der Maßstab), ganz zu schweigen von Friedrich Gulda oder Glenn Gould. Für Winkelmann geht die Genauigkeit vor Geschwindigkeit, die Präzision vor bloßer Wildheit. Alles ist immer im melodischen und formalem Fluss – nur: ab und zu müsste der Spiel-Fluss auch mal anschwellen und über die Ufer treten, sprich: der Pianist müsste auch mal außer sich geraten, sich in tobende Raserei verlieren, um die Interpretations-Wahrheit zu finden. So ist das Finale der Appassionata mehr als geballte Gemessenheit zu bezeichnen denn als rückhaltlose, alles vernichtende Raserei, so ist das Finale der Sturm-Sonate zwar irre kreiselnd-bewegt, aber nicht hektisch-erregt, und so ist das „Vivacissimamente“ des Jubelfinales der Les-Adieux-Sonate eher ein Vivace und nicht die über alle Gemessenheit hinaus überschießende und alles überflutende Jubelfreude.

Fülle von Schönheiten

Dafür beglückt Winkelmann in seinem präzisen, transparentem und tonlich immer leuchtendem Spiel mit einer Fülle von Entdeckungen bzw. gezeigtem Schönen: Mini-Verzögerungen vor gewichtigen Harmoniewechseln: z. B. in Takt 46 vor dem erreichten H-Dur im Kopfsatz von op.14/1 oder im Finalsatz derselben Sonate die Rückung von A-Dur nach B-Dur im Takt 104: Winkelmann schreibt hier von der „Verklärung des 2. Themas, die den ganzen Satz adelt“: Er hat ganz genau und ganz subjektiv diesen Satz analysiert – auch mit Hilfe von Jürgen Uhde, der diese Stelle in seiner Analyse aller Beethoven-Sonaten heraushebt; genaue und sorgfältige Artikulation der ungewöhnlichen, wenn nicht sogar ungeheuerlichen, harmonischen Rückungen im Beginn der Les-Adieux-Sonate nach c-Moll und schließlich Ces-Dur. Innigkeit statt „tändelndes Rokoko“ (so Otto Schumann) herrscht im Kopfsatz von op. 14/2. Der ostinate Pauken-Rhythmus im 2. Satz der Sturm-Sonate ist nicht extra herausgehoben, was doch so verführerisch wäre, sondern eingebunden in die innere Unruhe dieses Adagios. Genau trifft er die von Joachim Kaiser beschriebene „hauchdünne Linie“ im Adagio cantabile des Kopfsatzes der Fis-Dur-Sonate op. 78, nämlich die „Verlangsamung innerhalb eines Adagio-Satzes, genaue Artikulation von Zweiunddreißigsteln, die als Ritardando-Vorboten erscheinen und doch nicht zu Sechzehnteln oder gar Achteln verschleppt werden sollen: diese kaum mehr beschreibbare, hauchdünne Linie lässt sich offenbar treffen (oder verfehlen)“ – Winkelmann trifft sie, und im darauffolgenden Allegro ma non troppo schafft er es sogar, in den Takten 20-23 die Akzente im Bass in den Diskant-Sechzehnteln mitklingen zu lassen. Schönheiten über Schönheiten also nach dem Prinzip Genauigkeit vor Geschwindigkeit.

Was zu den erwähnten Schönheiten dazu kommt, ist der Klang: Herrlich sonor und rund in allen Lagen klingt der Steinway im akustisch so hervorragenden Reitstadel in Neumarkt, von der Tonregie ebenso rund eingefangen.

Fazit: Mit dieser Einspielung von Beethoven-Sonaten kann man diese wegen der Transparenz des Spiels, der Genauigkeit der Artikulation und des spielerischen Flusses so gut kennenlernen wie mit einer gedruckten Partitur.

Rainer W. Janka [28.08.2025]

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Komponisten und Werke der Einspielung

Tr.Komponist/Werkhh:mm:ss
CD/SACD 1
Ludwig van Beethoven
1Klaviersonate Nr. 9 Es-Dur op. 14 Nr. 1 00:14:16
4Klaviersonate Nr. 10 G-Dur op. 14 Nr. 2 00:15:40
7Klaviersonate Nr. 23 f-Moll op. 57 (Appassionata) 00:24:31
CD/SACD 2
1Klaviersonate Nr. 16 G-Dur op. 31 Nr. 1 00:24:28
4Klaviersonate Nr. 17 d-Moll op. 31 Nr. 2 (Der Sturm) 00:23:27
7Klaviersonate Nr. 18 Es-Dur op. 31 Nr. 3 (Die Jagd) 00:22:16
CD/SACD 3
1Klaviersonate Nr. 24 Fis-Dur op. 78 00:10:29
3Klaviersonate Nr. 26 Es-Dur op. 81a (Les Adieux) 00:17:27
6Klaviersonate Nr. 27 e-Moll op. 90 00:13:22

Interpreten der Einspielung

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