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Besprechung CD

Georg Österreich's Resurrected Treasures

North-German Cantatas Around 1700
Musica Gloria

Etcetera KTC 1819

1 CD • 76min • 2024

01.03.2025

Künstlerische Qualität:
Künstlerische Qualität: 10
Klangqualität:
Klangqualität: 10
Gesamteindruck:
Gesamteindruck: 10

Klassik Heute
Empfehlung

Die größte Sammlung von Vokalmusik um 1700 in Mitteleuropa ist die von Georg Österreich (1664-1735). Bekannt ist sie aber unter dem Namen ihres Nachbesitzers Heinrich Bokemeyer (1679-1751). Bokemeyer wurde in Immensen geboren, studierte an der Universität Helmstedt Theologie, Literatur und Medizin, wonach er für seine Gelehrsamkeit berühmt wurde, wurde 1704 Kantor der Martinuskirche in Braunschweig, dann 1712-1717 in Husum, ab 1717 war er an der fürstlichen Schule in Wolfenbüttel tätig. Sein Lehrer war Georg Österreich, von dem er dessen Sammlung erwarb.

Österreich wurde 1664 in Magdeburg geboren, wurde kurze Zeit Thomaner in Leipzig, kurze Zeit Altist in der Hamburger Ratskapelle, dann studierte er in Leipzig und war später wieder Tenorist in Hamburg, diesmal an der Gänsemarktoper. Johann Theile holte ihn an den Wolfenbütteler Hof und unterrichtete ihn in Komposition, Gesangsunterricht erhielt er von dem Kastraten Giuliano Giuliani. Ab hier komponierte Österreich zahlreiche Werke, wurde ab 1689 herzoglicher Hofkapellmeister in Gottorf, das er zwischen 1695 und 1697 verließ, um Hofkapellmeister in Coburg zu werden, er kehrte aber wieder nach Gottorf zurück. 1702 bis zu seinem Tode 1735 amtierte er dann in Braunschweig-Wolfenbüttel als herzoglicher Sänger, Schlosskantor und Gesangslehrer.

Kantaten-Schätze gehoben

Der Freiburger Musikwissenschaftler Konrad Küster gab das maßgebende Buch über die „Sammlung Brokemeyer“ heraus („Zwischen Heinrich Schütz und Bach: Georg Österreich und Heinrich Brokemeyer als Notensammler“, Stuttgart 2015). Nele Vertommen und Beniamino Paganini, Leiter der „Musica gloria“, suchten nach barocken Kantaten mit Oboen-Besetzung und wurden in der Staatsbibliothek in Berlin fündig: Dort liegt die „Sammlung Brokemeyer“. Vertommen und Paganini hoben diese musikalischen Schätze und spielten sie auf dieser CD ein – daher der Titel: „Georg Österreich’s resurrected Treasures“. Alle acht Kantaten sind Weltersteinspielungen – „as far as we know“ schreiben die Musiker vorsichtig. Die Kantaten symbolisieren das „Österreich-Netz“, wie es im Booklet heißt, alle Komponisten hängen irgendwie mit Georg Österreich zusammen.

Enthusiasmus der Musiker

So fröhlich wie die Musiker und Musikerinnen auf den Booklet-Fotos dreinschauen, so enthusiastisch musiziert hört sich alles an, vom ersten Ton an. Völliger Einklang untereinander herrscht in Punkto Tempo, Phrasierung, Auskosten der Phrasen, Endkonsonantenabsprache und musikalischer Geschmack. Der Enthusiasmus überrumpelt den Hörer förmlich. Absolut rein blasen die beiden Oboen und das Fagott, die einmal ein zauberhaftes Duett gestalten (Track 42), einmal musizieren Oboen und Solisten in reizvoller Nachahmung (Track 31). Die Farben der verwendeten Arp-Schnitger-Orgel werden intensiv und abwechslungsreich eingesetzt. Die insgesamt neun Sängerinnen und Sänger führen ihre glockenreinen Stimmen sehr instrumental, unangestrengt und sehr beweglich, intonieren sauber und wissen immer, was sie singen. „Auferstehung“ und „Leben“ werden in der Kantate von Georg Österreich (Tracks 23-24) in lebhaftester Bewegung ausgemalt, der felsenfeste Glaube strahlt in tiefer Ruhe, bis er in chromatisch sequenzierten Aufstiegen mit der Auferstehung verbunden wird. Fast schon oratorische Dramatik herrscht in der Kantate

Weise mir, Herr, deinen Weg, wenn der Sänger von Gott ein Zeichen fordert (Track 49).

Ein Tröpfchen von Christi Blut

Alle Kantaten sind qualitätvolle Barockmusik, für mich sind aber zwei Kantaten herausragend: Zum einen die lateinische Kantate Me Miserum von Brokemeyer (Tracks 10-18) vor allem wegen der Sopranistin Maria Ladurner: Sie macht im wohlklingenden Klageton den Oboen Konkurrenz, erspürt den lateinischen Text, spürt ihm singend nach, wird mitreißend-koloraturenfreudig jubelnd, wenn sie Christus als „Medicus“ besingt, und versteht es, dem Wörtchen „guttula“, also Tröpfchen, gemeint ist ein Tröpfchen von Christi Blut, immer neue Klangfarben abzugewinnen, weil es immer neue Verheißungen besingt. Die andere ist die schon erwähnte Kantate Weise mir, Herr, deinen Weg von Georg Österreich wegen der Duette von Oboen und Sängern, des übersprudelnden Koloraturenreichtums und wegen des Abwechslungsreichtums an Charakteren der jeweiligen Abschnitte.

Die Tonregie ist ebenfalls rühmenswert, weil sie die klangliche Atmosphäre der Mauritiuskirche in Hollern-Twielenfleth überaus sympathisch einfängt.

Im Booklet sind alle Texte in Deutsch/Englisch bzw. Lateinisch/Englisch abgedruckt, die erzählenden Texte sind dreisprachig gehalten. Und ich freue mich darüber, dass die CD-Hülle nicht aus Plastik ist, das sehr leicht bricht, sondern aus festem Karton. Diese CD erfreut allenthalben und bietet allen Kantoren neue Programmmöglichkeiten für Konzerte mit Musik zwischen Schütz und Bach.

Rainer W. Janka [01.03.2025]

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Komponisten und Werke der Einspielung

Tr.Komponist/Werkhh:mm:ss
CD/SACD 1
Johann Theile
1Gott, sei mir gnädig 00:08:14
Heinrich Bokemeyer
10Me miserum! 00:11:24
Michael Österreich
19Vater unser 00:10:14
Georg Österreich
23Ich bin die Auferstehung und das Leben 00:09:06
Johann Philipp Förtsch
25Das weiß ich fürwahr 00:07:08
Johann Friedrich Meister
31Ach daß die Hülfe aus Zion 00:09:15
Giulio Giuliani
38Plaudant caeli exsultent spherea 00:04:25
Georg Österreich
42Weise mir, Herr, deinen Weg 00:16:12

Interpreten der Einspielung

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