Apothéose Infernale
Fresque Choréographique
Yi Lin Jiang

Anclef 20250307
1 CD • 68min • 2024
01.02.2025
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
Der 1988 in München geborene Pianist Yi Lin Jiang widmet sich auf seinem eigenen Label Anclef anlässlich des in diesem Jahr gefeierten 150. Geburtstags von Maurice Ravel dessen eigenen Transkriptionen seiner Ballettkompositionen Daphnis et Chloe und La Valse. Dabei handelt es sich im Falle von Daphnis um eine Ersteinspielung. Da beide Transkriptionen vom Schwierigkeitsgrad auf derselben Stufe wie etwa Gaspard de la nuit liegen kann der Pianist hier seine fulminante Technik optimal einsetzen.
Ravel am Érard
Maurice Ravel (1875-1937) pflegte seine Orchesterkompositionen zunächst am Flügel in allen Details zu entwerfen, um sie hernach zu instrumentieren. Deswegen ist die Frage durchaus berechtigt, ob es originäre Klavierwerke sind, oder ob erst die Orchesterfassung die finale Gestalt eines Werks darstellt. Definitive Doppelfassungen existieren unter anderem für Ma mère l’oye, die Valses nobles et sentimentales, Le Tombeau de Couperin, die Pavane und zwei der Miroirs.
Zu Lebzeiten des Komponisten erschienen neben dem Klavierauszug, der bei Daphnis zur Einstudierung des vokalisierenden Frauenchors erforderlich ist, drei Sätze als separate Klavierstücke: Danse (gracieuse et légère de Daphnis); Nocturne, Interlude et Danse guerrière und Scene de Daphnis et Chloe, welche die Nummern 4, 6-8 und 12 umfassen.
Wichtig ist es hierbei zu beachten, dass Ravels Klavierästhetik stark von den damals in Paris omnipräsenten Érard-Flügeln, geprägt wurde. Diese sind parallel und nicht übers Kreuz besaitet und verwenden für die Mechanik und Halterung keine Eisenteile, was aufgrund der geringeren Spannung der Saiten zu einem wesentlich schlankeren, silbrigen Klangbild mit deutlich getrennten Registern und größerer Transparenz führt. Auch verhalten sich Ansprache und Abklingverhalten wesentlich anders als beim modernen Steinway oder Bösendorfer mit höherer Spannung und über Kreuz gespannten Saiten.
Wer sich hierfür näher interessiert, sei auf das 2012 bei Channel Classics erschienene Doppelalbum von Paolo Giacometti hingewiesen, auf dem der Pianist die zentralen Klavierkompositionen Ravels sowohl auf einem Érard als auch auf einem Steinway eingespielt hat.
Pianistische Brillanz mit wenig choreographischem Gespür
Yi Lin Jiang zeigt sich den exorbitanten pianistischen Anforderungen mehr als gewachsen. Allerdings wirkt seine Pianistik mehr brachial überrumpelnd als charmant-verführend. Dadurch fehlt ihm die gerade für die choreographischen Gesten nötige Agogik, sodass Daphnis mehr nach Strawinskis Sacre du Printemps als nach französischem Fin de siècle klingt. Sicherlich gewinnt Ravel durch eine klare Artikulation im Nonlegato. Aber muss diese derart perkussiv sein? Auch dem generell wohlgelungenen Arrangement mit zusätzlichen pianistischen Elementen von La Valse fehlt es an dekadenter Morbidezza.
Höchst interessant sind jedoch die – leider nur auf Englisch – sehr ausführlich dargelegten Erwägungen des Interpreten. Der Flügel wurde für meinen Geschmack etwas zu direkt eingefangen. Hier hätte etwas mehr Raumklang nicht geschadet.
Fazit: La Valse ist in der Klavierfassung ein durchaus für einen Klavierabend geeignetes Bravourstück. Dasselbe gilt für die Danse guerrière und die Bacchanale aus Daphnis, die sich – ausreichend manuelle Reserven vorausgesetzt – hervorragend als Zugabe machen könnten.
Thomas Baack [01.02.2025]
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Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
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CD/SACD 1 | ||
Maurice Ravel | ||
1 | Daphnis et Chloé (Symphonie choréographique) | |
14 | La Valse (Poème choréographique für Orchester) | |
15 | Triptyque de Daphnis et Chloé |
Interpreten der Einspielung
- Yi Lin Jiang (Klavier)