Nikolay Khozyainov
Monument to Beethoven
Beethoven | Mendelssohn | Khozyainov | Schumann
Rondeau ROP6274
1 CD • 78min • 2024
15.11.2024
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
Klassik Heute
Empfehlung
Und wieder ein Klavierwunder aus Russland, aus dem fernsten Osten, knapp an der Grenze zu China: Nikolay Khozyainov wurde 1992 in Blagoveshchensk geboren, die Familie zog wenig später nach Moskau und dort gab er im Alter von sieben Jahren sein Debüt mit dem Moskauer Philharmonischen Orchester. Sein Studium am Tschaikowsky-Konservatorium schloss er mit Auszeichnung ab, gewann zahlreiche Wettbewerbspreise und gastiert in der ganzen Welt – kaum aber in Deutschland. Seinen eigenen Angaben nach spricht er elf Sprachen fließend und gibt auch Interviews in diesen allen Sprachen. Zurzeit lebt er in Genf.
Klavierstücke für ein Beethoven-Denkmal
Im Januar 2024 hat Khozyainov im Mendelssohn-Saal des Gewandhauses Leipzig diese CD mit dem Titel „Monument to Beethoven“ aufgenommen. Es ist eine konzeptionell sehr durchdachte Zusammenstellung von Stücken, die alle mit der Errichtung des Beethoven-Denkmals in Bonn im Jahre 1845 im Zusammenhang stehen: Stücke, die damals der Finanzierung dieses Denkmals dienten und dabei thematisch das „Allegretto“ aus Beethovens 7. Symphonie und/oder den Beginn des Liedes So nimm sie hin denn, diese Lieder verarbeiten. Also Klaviermusik aus der Romantik. Weiterhin ist es eine Verbeugung des Pianisten sowohl vor Beethoven als auch vor den Komponisten, die durch ihn inspiriert wurden.
Strenge Klanglogik und bebendes Brodeln
Nikolay Khozyainov erweist sich als Pianist, über dessen Virtuosität und pianistische Technik kein Wort verloren werden muss, so souverän, so selbstverständlich, so mühelos überwindet er alle pianistischen Schwierigkeiten – die dann eben keine mehr sind, sondern Gestaltungsmöglichkeiten. Alles hört sich klar überlegt an, rational strukturiert und geradezu leuchtend transparent. Sein Spiel ist eine Mischung aus strenger Klanglogik und bebendem Brodeln unter dieser Logik. Manchmal hat man das Gefühl, diese Logik diene geradezu als Damm gegen den emotionalen Überdruck, der alles überschwemmen würde, wenn man den Damm öffnen würde.
Tief durchdacht und tief empfunden
Das Allegretto aus Beethovens 7. Symphonie im Klavier-Arrangement von Liszt (Track 1) beginnt streng gemessen, klanglich sorgfältig abschattiert und steigert sich schnell zu überwältigender Klangpracht. Obwohl Khozyainov ein relativ rasches Tempo anschlägt, hat man trotzdem das Gefühl des gemessenen Schreitens, aber auch des nur mühsam gezügelten Temperaments: eben ein „Allegretto“ trotz des Trauermarsch-Rhythmus‘.
Schumanns selten im Konzertsaal zu hörende Etüden in Form freier Variationen über ein Thema von Beethoven WoO 31 (Track 2-16) interpretiert Nikolay Khozyainov wieder mit großer Strenge, man spürt immer den Willen zur großen „Idee“, nichts ist nur „gespielt“, geschweige denn „dahingespielt“, alles ist tief durchdacht und tief empfunden und klanglich tief ausgelotet und mit viel Sinn für die fast manische Besessenheit der schnellen Sätze.
Auch den 17 Variations sérieuses von Felix Mendelssohn Bartholdy (Track 17) gibt der Pianist den jeweiligen charakteristischen Eigenwert: kraftvoll zum Beispiel die blitzartigen Entladungen der Variation 12, glänzend die Staccato-Figurationen, die in Variation 13 das Thema in der Tenor-Lage umspielen, betont ruhig die choralartige Variation 14 und hochvirtuos die Variation 16 bis hin zum machtvoll orgelnden Tremolo-Orgelpunkt. Alles ist äußerst sauber gespielt und doch immer von heimlicher Erregung durchzittert. So hat auch die Liszt’sche Klavierfassung von Nimm sie hin denn, diese Lieder (Track 18) etwas Eindringliches, Drängendes, Beschwörendes. Und auch der C-Dur-Fantasie von Robert Schumann (Tracks 19-21) bleibt Nikolay Khozyainov mit entschlossenem Zugriff nichts schuldig an exzessiver Leidenschaft, schwärmerischem Pathos und entrückter Träumerei.
Den Schluss bildet ein Stück, das eine Art Konzert-Zugabe darstellt, aber eigentlich überflüssig ist, weil es die Konzeption der CD sprengt: Petals of Peace heißt es, also Blütenblätter des Friedens, ist klangmalerisch hübsch anzuhören, vor allem aber demonstriert es den unbedingten Friedenswillen des russischen Pianisten.
Hervorragend ist das Hörbild: Der Klang des verwendeten Flügels ist bis in die Bassregionen hinein vollumfassend eingefangen und vibriert fast beim Hören im Körper des Hörers mit.
Rainer W. Janka [15.11.2024]
Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
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CD/SACD 1 | ||
Ludwig van Beethoven | ||
1 | Sinfonie Nr. 7 A-Dur op. 92 (2. Satz, arr.: Franz Liszt) | 00:08:08 |
Robert Schumann | ||
2 | Etüden in Form freier Variationen über ein Thema von Beethoven WoO 31 | 00:07:17 |
9 | Vier Etüden aus dem ersten Autograph | 00:03:28 |
13 | Vier Etüden aus dem zweiten Autograph | 00:05:30 |
Felix Mendelssohn Bartholdy | ||
17 | Variations sérieuses d-Moll op. 54 | 00:11:46 |
Ludwig van Beethoven/Franz Liszt | ||
18 | Nimm sie hin denn diese Lieder op. 98 Nr. 6 | 00:03:38 |
Robert Schumann | ||
19 | Fantasie C-Dur op. 17 | 00:32:47 |
Nikolay Khozyainov | ||
22 | Petals of Peace | 00:05:19 |
Interpreten der Einspielung
- Nikolay Khozyainov (Klavier)