Anzeige

Teilen auf Facebook RSS-Feed Klassik Heute
Klassik Heute - Ihr Klassik-Portal im Internet

CD • SACD • DVD-Audio • DVD Video

Besprechung CD

Ronald Stevenson

Piano Works
Peter Jablonski

Ondine ODE1453-2

1 CD • 63min • 2024

28.09.2024

Künstlerische Qualität:
Künstlerische Qualität: 7
Klangqualität:
Klangqualität: 10
Gesamteindruck:
Gesamteindruck: 8

Peter Jablonski hat in den letzten Jahren auf dem Ondine-Label einige hochinteressante Alben herausgebracht – neben Chopin und Skrjabin auch Musik jenseits des Mainstreams, zum Beispiel von Stantschinski oder Bacewicz. Sein neuestes Album widmet sich dem noch immer viel zu wenig beachteten Briten Ronald Stevenson (1928–2015), dessen äußerst umfangreiches Klavier- und Liedschaffen erst nach und nach in computergesetzten Noten erscheint.

In den Fußstapfen großer Bearbeiter

Stevensons pianistische Fähigkeiten und Repertoirekenntnis waren phänomenal: So nahm er selbst gleich zweimal seine spätestens durch Igor Levit endlich auch in Deutschland bekannter gewordene gewaltige Passacaglia on DSCH auf. Als Komponist – nicht nur wegen seiner links-pazifistischen Haltung – von der englischen Upper-Class dezidiert verschmäht, setzte er vor allem als Bearbeiter die große Tradition von Liszt und Busoni fort, konzentrierte sich dabei besonders auf Volksliedgut seiner Heimat: Die Mutter stammte aus Wales, der Vater war Schotte. Daneben entstanden etliche bemerkenswerte Adaptionen von Opernliteratur. Über Benjamin Brittens Peter Grimes schrieb er 1971 eine gut 7-minütige Fantasie, die alles andere als ein simples Potpourri darstellt, vielmehr etliche wichtige Motive in einen psychologischen Zusammenhang bringt – und wie immer wird es linear-kontrapunktisch dabei recht kompliziert. Im Diskant darf der Pianist in den Saiten zupfen, was der fast tödlichen Stille gegen Schluss eine ganz besondere Atmosphäre verleiht. Jablonski realisiert dies mit Feingefühl; allerdings spürt man, dass seine Tempi – etwa beim Sturm-Motiv aus dem zweiten Sea Interlude – eine Spur zu ruhig sind, gerade im Vergleich mit Stevensons eigener Einspielung.

Komplexität wird höchst verständlich aufgelöst

In der Suite über Paderewskis Manru charakterisiert Jablonski die verschiedenen Stimmungen gut, ist agogisch flexibler als Christopher Guild, bietet jedoch klanglich weniger Farben. Die abschließende Cracovienne gelingt dafür absolut mitreißend. Vier Stücke der CD sind zum Glück Erstaufnahmen. Besonders hervorzuheben dabei die Variationen Piccolo Niccolò Paganinesco über die allseits bekannte 24. Caprice des Geigenmagiers: keine äußerliche Virtuosennummer à la Brahms oder Lutosławski, aber eine hochkomplexe kontrapunktische Durchdringung der Möglichkeiten des Themas – eben typisch Stevenson. Am faszinierendsten ist Jablonskis Darbietung der ziemlich verrückten Pensées sur des Préludes de Chopin von 1959, wo immer Material mindestens (!) zweier Stücke überlagert wird, gerne mal polytonal. All dies bleibt unter Jablonskis Händen immer verständlich, über Strecken humorvoll genüsslich.

Ein paar entbehrliche Petitessen

Die kurze, aber intrikat schwere Etudette (1987) – hier wird der Hummelflug mit Chopins Etüde op. 10, Nr. 2 kombiniert – würde eine Yuja Wang als (potentielles!) Zugabenstück sicher um einiges schneller hinbekommen. Erstaunlich ist Stevensons Nachbearbeitung von Paul Wittgensteins Fassung des Meistersinger-Quintetts: natürlich nur für die linke Hand. Daneben gibt es ein paar Petitessen, die man vielleicht nicht wirklich öfter anhören wird. Aufnahmetechnisch untadelig und mit guten Erläuterungen im Booklet, darf man Jablonski danken, sich für Stevensons Klavierwerk ernsthaft einzusetzen. Ohne echte Schwergewichte aus dessen Schaffen wird der Eindruck – vor allem bei Ersthörern der manchmal erratischen Musik des exzentrischen Briten – leider zunächst ein wenig blass bleiben.

Vergleichsaufnahmen: [Peter Grimes] Ronald Stevenson (Altarus AIR-CD-9042, ©1996); [Manru] Christopher Guild (Toccata Classics TOCC 0555, 2019).

Martin Blaumeiser [28.09.2024]

Anzeige

Komponisten und Werke der Einspielung

Tr.Komponist/Werkhh:mm:ss
CD/SACD 1
Ronald Stevenson
1Peter Grimes-Fantasy (über Themen von Benjamin Brittens Oper) 00:07:27
2Suite (aus Paderewskis Oper Manru) 00:13:31
6Romanze (aus dem Konzert d-Moll KV 466 von Mozart) 00:08:57
7Quintett (aus Die Meistersinger, bearbeitet für die linke Hand, Wagner-Wittgenstein) 00:05:54
8Ostinato Macabro über den Namen Godowski 00:01:00
9Etudette d'après Korsakov et Chopin (Spectre d'Alkan) 00:01:53
106 Pensées sur des Préludes de Chopin 00:09:17
16Little Jazz Variation on Purcell's New Scotch Tune 00:05:10
17Piccolo Niccolò Paganinesco 00:04:53
18Preludette on the name George Gershwin 00:00:53
19Tauberiana (My Heart and I) 00:04:02

Interpreten der Einspielung

Das könnte Sie auch interessieren

28.09.2024
»zur Besprechung«

Ronald Stevenson, Piano Works
Ronald Stevenson, Piano Works

16.03.2022
»zur Besprechung«

Nicolaus Bruhns, Cantatas and Organ Works Vol. 1
Nicolaus Bruhns, Cantatas and Organ Works Vol. 1

12.08.2020
»zur Besprechung«

Johann Sebastian Bach, Concertos for Harpsichord and Strings Vol. 1
Johann Sebastian Bach, Concertos for Harpsichord and Strings Vol. 1

10.04.2020
»zur Besprechung«

Johann Sebastian Bach, St Matthew Passion BWV 244
Johann Sebastian Bach, St Matthew Passion BWV 244

Anzeige

Klassik Heute - Ihr Klassik-Portal im Internet

Anzeige