Busoni
Polyphonic Dreams
Victor Nicoara Piano
hänssler CLASSIC HC23046
1 CD • 71min • 2023
18.09.2024
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
Der rumänische Pianist Victor Nicoara, der heute in Berlin lebt, widmet sich vor allem dem weniger bekannten Klavierrepertoire und ganz besonders dem Schaffen von Ferruccio Busoni (1866 – 1924). Die neue CD trägt den Titel „Polyphonic Dreams“ und weist damit auf einen charakteristischen Wesenszug Busonis hin: seine an Johann Sebastian Bach geschulte und zugleich auf die moderne Musik vorausschauende Denkweise. Bezeichnend dafür ist die epochale Fantasia Contrappuntistica, mit der sich der Komponist von 1910 bis in die Zwanziger Jahre beschäftigte. Sie geht von der Grundidee aus, Bachs Kunst der Fuge zu vollenden, greift dabei aber weit in die Zukunft voraus. Victor Nicoara hat sogar selbst an der neuen Gestalt des Werks mitgearbeitet.
Busonis kontrapunktische Kunst
Was den Pianisten für eine Wiedergabe der Fantasia prädestiniert, ist seine Fähigkeit, Polyphonie transparent und zugleich den Aufbau der geradezu architektonisch gedachten Faktur durchhörbar zu machen. Dazu gehört neben einer unfehlbaren Technik ein feiner Klangsinn, der offenbart, dass hinter aller Modernität doch eine romantische Grundeinstellung steht. Als weiterer kleiner Beweis für diese Haltung dient das meditative Finale des Albums: Bachs dreistimmige Sinfonia Nr. 9 in f-Moll BWV 795 in Busonis Arrangement.
Zahlreiche Anspielungen und Zitate
Kunstvolle Stimmengeflechte bieten auch die Sieben kurzen Stücke zur Pflege des polyphonen Spiels aus dem Jahr 1923, Miniaturen, die reich an Anspielungen sind. So erinnern einige Nummern an Busonis unvollendete Faust-Oper, und das sechste Stück „nach Mozart“ stellt eine Bearbeitung des Gesangs der Geharnischten aus der Zauberflöte dar. Victor Nicoara kann seinen pianistischen Zugriff noch steigern in dem siebten Beispiel, das „mit Anwendung des dritten Pedals“ (des Tonhaltepedals) auszuführen ist. Das Intermezzo aus Doktor Faust im Arrangement von Nicoara komplettiert die Sammlung der polyphonen Meisterstücke.
Reizvolle Zugaben
Als feinsinnig ausgewählte Zugaben dienen zeitgenössische Kompositionen, die erstmals auf CD zu hören sind. Benedict Masons Pastorale – Ein kurzes Stück zur Pflege der Arten kombiniert humorvoll Zitate von Couperin bis Schönberg zu einem polyphonen Mix, Larry Sitskys Nocturne Canonique ist von Busoni inspiriert, und Victor Nicoara steuert die Bagatelle Nach Weill bei, die darin erinnert, dass Kurt Weill bei Busoni studierte und von ihm wichtige Anregungen empfing.
Das Booklet bietet kluge Gedanken des Pianisten zu seiner Werkauswahl und insbesondere zu den Eigenheiten der Musik Busonis, doch ist der Text (englisch und deutsch) stellenweise in einer etwas verschrobenen Sprache abgefasst.
Prof. Klaus Trapp [18.09.2024]
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Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
---|---|---|
CD/SACD 1 | ||
Ferruccio Busoni | ||
1 | Sieben kurze Stücke zur Pflege des polyphonen Spiels BV 296 | 00:18:40 |
Benedict Mason | ||
8 | Pastorale (Ein kurzes Stück zur Pflege der Arten) | 00:01:09 |
Ferruccio Busoni/Victor Nicoara | ||
9 | Intermezzo aus Doktor Faust | 00:02:51 |
Victor Nicoara | ||
10 | Nach Weill | 00:02:41 |
Larry Sitsky | ||
11 | Nocturne Canonique | 00:03:00 |
Ferruccio Busoni | ||
12 | Fantasia Contrappuntistica BV 256 | 00:37:55 |
Johann Sebastian Bach/Ferruccio Busoni | ||
16 | Sinfonia Nr. 9 f-Moll BWV 795 | 00:04:33 |
Interpreten der Einspielung
- Victor Nicoara * 1984 (Klavier)