Christian Jost
Pieces of a Dream
Berlin Classics 0303322BC
1 CD • 50min • 2023
08.08.2024
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
Christian Jost, Jahrgang 1963, zählt schon länger zu den bekannteren deutschen Komponisten seiner Generation, recht gut dokumentiert durch eine Reihe von CD-Produktionen, deren Schwerpunkt auf seinen Orchesterwerken liegt; in Schaffen Josts spielen zudem Opern eine zentrale Rolle. Auf dem vorliegenden neuen Album erhält man Gelegenheit, ihn auch als Komponisten von Kammermusik zu erleben, und zwar mit einem einzigen, groß angelegten Werk. Entstanden 2020/21, verbirgt sich hinter dem Titel Pieces of a dream ein viersätziges Trio für Flügelhorn (bzw. Trompete), Klavier und Vibraphon von knapp 50 Minuten Länge, hier eingespielt von Simon Höfele (Flügelhorn), Frank Dupree (Klavier) und Christoph Sietzen (Vibraphon), allesamt junge Musiker, geboren in den 1990ern.
Ruhige Melodiebögen
Schon die Besetzung legt Bezüge zur Jazzmusik nahe, und in der Tat ist Jost (schon immer) jemand, der einen sogenannten „Dritten Weg“ sucht zwischen klassischer Musik, durchaus auch Avantgarde, und Jazz, ohne dabei aber mit Stilzitaten oder Collagen zu arbeiten. Dies ist auch in Pieces of a dream ersichtlich, denn auch wenn die Jazzreferenzen stets vorhanden sind, stehen sie eigentlich nie für sich allein. Näher kommt man dem Ganzen schon, wenn man liest, dass Jost eine Art „strukturierte Improvisation“ anstrebt, denn in der Tat ist etwas in dieser Art der Eindruck, der sich gerade in den (überwiegend) langsamen Ecksätzen des Trios mit ihren weit gezogenen, von Simon Höfele mit viel Sensibilität und Sinn für ihr frei schwebendes Melos vorgetragenen Flügelhornsoli ergibt. Überhaupt: viele der Topoi wie Reisen ins Innere, Kontemplation, Nacht, Traum und Traumlandschaften (der Komponist selbst stellt hier u.a. Bezüge zum Beschreiten eines Gebirgswegs her) dürften dem mit Josts Musik vertrauten Hörer bekannt vorkommen, eine Musik, die von elegisch-melancholischen Stimmungen ausgeht und in ruhigen Melodiebögen überwiegend Moll-Tonalitäten aushorcht, in dieser Hinsicht durchaus Parallelen zu baltischer Musik wie etwa von Pēteris Vasks nahelegend.
Dramatischer dritter Satz
Die vier Sätze, allesamt zwischen 10 und 15 Minuten lang und in jeweils vier Tracks unterteilt, sind mit (m.E. etwas klischeehaften) englischen Titeln überschrieben, die Assoziationen zu allgemein gehaltenen Situationen oder Stimmungslagen herstellen. Dramatisches Zentrum des Werks bildet der dritte Satz, driven by a strange desire überschrieben, der nicht von ungefähr die größten klanglichen Härten aufweist (hier mit Trompete anstelle des etwas weicher klingenden Flügelhorns); seine Abschnitte 2 und 4 bilden den von hartnäckiger Rhythmik und dissonanter Akkordik geprägten Kulminationspunkt des Trios. Generell bleibt Jost bei den Bezügen zu Neuer Musik dabei relativ vorsichtig: punktuell begegnet man einer Reihe von erweiterten Spieltechniken, die insbesondere zur Erweiterung der Klangfarbenpalette genutzt werden (Mikrotonalität in der Trompete, mit einem Bogen gestrichenes Vibraphon), aber Jost dosiert all dies eher sparsam, und seine grundsätzliche Inspiration geht eher von traditionellen Klangbildern aus.
Kongeniale Interpretation
Der dritte Satz ist es auch, der am ehesten mit der Bezeichnung des Werks als „sinfonisches Trio“ korrespondiert. Ansonsten gilt: sicherlich ist der zweite Satz eine Art Scherzo, aber eher spielerisch-virtuos (ohne dabei die melancholische Grundstimmung des Werks aufzugeben) als orchestral, und auch den Ecksätzen „fehlt“ (wenn man so will) eigentlich das sinfonische „Argument“, das Momentum. Gerade der erste Satz, allein von Flügelhorn und Klavier bestritten, besitzt eine stille Intimität, die ihn am Ende als das ausweist, was er qua Besetzung auch ist, nämlich Kammermusik, natürlich von beträchtlicher Ausdehnung, aber eigentlich keine „Trio-Sinfonie“ etwa im Sinne des kürzlich aus jahrzehntelanger Obskurität geholten Streichquartett Gawriil Popows. Am Ende ergibt all dies in ihrer (überwiegend vorherrschenden) Atmosphärik gedämpfter Melancholie durchaus angenehm zu hörende, obwohl nicht unbedingt zwingende Musik. Ein ausdrückliches Lob ist Höfele, Dupree und Sietzen auszusprechen, die dem Trio eine das Wesen dieser Musik kongenial erfassende Interpretation zukommen lassen, die sowohl in den breiten lyrisch-empfindsamen Bögen der Ecksätze als auch in der dramatischen Zuspitzung des dritten Satzes voll überzeugt.
Holger Sambale [08.08.2024]
Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
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CD/SACD 1 | ||
Christian Jost | ||
1 | Pieces of a Dream (Symphonic Trio) | 00:50:16 |
Interpreten der Einspielung
- Simon Höfele (Trompete, Flügelhorn)
- Frank Dupree (Klavier)
- Christoph Sietzen (Vibraphon)