Erich J. Wolff
Complete Songs • 1
Naxos 8.574451
1 CD • 65min • 2022
01.06.2024
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
Nach dem Zeugnis von Engelbert Humperdinck war Erich Jacques Wolff (1874-1913) als einer der besten Liedbegleiter Österreichs anerkannt und deshalb rissen sich einige große Sänger und Sängerinnen seiner Zeit auch darum, mit ihm zu arbeiten. Als Komponist von Liedern war er nicht weniger erfolgreich. In den 11 Jahren bis zu seinem frühen Tod (nach einer Ohrenoperation) hat er an die 170 Titel veröffentlicht, von denen ein Teil ähnliche Beliebtheit erlangte wie die Arbeiten von Hugo Wolf, Richard Strauss und Gustav Mahler. Doch nach dem 1. Weltkrieg und lange vor der Machtergreifung der Nazis geriet sein auf das Liedgenre beschränktes Werk im deutschsprachigen Raum völlig in Vergessenheit. Naxos hat jetzt unter der Anleitung des Pianisten und Dirigenten Klaus Simon eine Gesamt-Edition seiner Lieder gestartet.
Die ist angesichts der hohen Qualität der Kompositionen sehr zu begrüßen. Eine Pionierleistung ist sie gleichwohl nicht. Schon vor 15 Jahren hat das Label Thorofon auf Initiative der Sopranistin Rebecca Broberg und des Regisseurs und Musikwissenschaftlers Peter P. Pachl den Komponisten wiederentdeckt und im folgenden Jahrzehnt eine ebenfalls komplette Edition herausgebracht. Die durchweg überzeugenden Ergebnisse wurden auf dieser Seite bereits ausführlich gewürdigt. Dass jetzt eine Konkurrenz-Einspielung auf den Markt kommt, wird helfen, Erich J. Wolff aus seiner Nischen-Existenz im Konzert-Repertoire zu befreien.
Mit allen Wassern gewaschen
Wolff ist zu Unrecht ins musikgeschichtliche Abseits geraten. Seine Kompositionen sind vom Geist des Fin de Siècle geprägt, setzen die Anregungen durch Bewegungen wie Naturalismus, Impressionismus, Symbolismus und vor allem Jugendstil musikalisch phantasievoll um. Seine in dieser ersten Folge der Naxos-Reihe zusammengestellten Lieder gehen auf Texte von damals anerkannten Literaturgrößen wie Detlev von Liliencron, Otto Julius Bierbaum, Richard Dehmel und Jens Peter Jacobsen zurück, man begegnet aber auch heute nicht mehr bekannten Autoren wie Caesar Flaischlen, Tora zu Eulenburg und Emil Faktor. Wie Gustav Mahler hat sich Wolff auch immer wieder von der Sammlung „Des Knaben Wunderhorn“ anregen lassen. Ein origineller Komponist, ein Neuerer gar wie sein Freund Arnold Schönberg war er zweifellos nicht, eher ein in allen Stilen beheimateter, musikalisch mit allen Wassern gewaschener Eklektiker. Da gibt es immer wieder mal déjà-écouté-Erlebnisse (vereinzelt sogar Wagner-Reminiszenzen), aber trotz der Vielzahl der Liedtitel war er kein Serienfabrikant, seine Musik klingt immer unverbraucht und inspiriert, und so wird man des Zuhörens nicht müde.
Kompetente Wiedergabe
Die Naxos-Edition ist offensichtlich nicht chronologisch geordnet. Die erste Folge reicht von op. 1 (1902) bis zu dem 1914 posthum veröffentlichten Faktor-Lied Der tote Lenz (op. 32). Von vielen Zyklen sind nur diejenigen für eine hohe Stimme geschriebenen Lieder ausgewählt, während die anderen wohl späteren Folgen vorbehalten bleiben. Entsprechend ist das Programm hier ganz auf den Tenor Daniel Johannsen ausgerichtet, dem in zwei kurzen „Wunderhorn“-Duetten die Sopranistin Samantha Gaul assistiert. Johannsens helle Evangelisten-Stimme, die in der Höhe einige Durchschlagskraft entfalten kann, verfügt über nicht sehr viele Farben, was der erfahrene Sänger aber durch tadellose Diktion und hohe Gestaltungskompetenz kompensieren kann. Neben seinen sängerischen Einsätzen nimmt er auch den Sprecherpart in den Drei Melodramen nach Pierrot mit lyrischer Emphase wahr. In seinem Klavierbegleiter Klaus Simon, der zugleich Produzent der Edition ist, hat er einen hilfreichen und in allen Belangen souveränen Partner.
Ekkehard Pluta [01.06.2024]
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Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
---|---|---|
CD/SACD 1 | ||
Erich J. Wolff | ||
1 | Sommer op. 17 Nr. 1 | 00:02:41 |
2 | Sehnsucht op. 17 Nr. 2 | 00:03:41 |
3 | Zuversicht op. 17 Nr. 3 | 00:02:10 |
4 | Einen Sommer lang op. 17 Nr. 4 | 00:01:48 |
5 | Ein Sonntag op. 17 Nr. 5 | 00:02:01 |
6 | Glückes genug op. 17 Nr. 6 | 00:02:51 |
7 | Ein Musikant, ein Schwärmer, auf einen Jahrmarkt ging op. 1 Nr. 2 | 00:02:18 |
8 | War eine Maid, die emsig spann op. 1 Nr. 4 | 00:01:32 |
9 | Genrebild: Page saß und spähte lang op. 1 Nr. 6 | 00:02:15 |
10 | Erhebung op. 8 Nr. 2 | 00:01:44 |
11 | Immer wieder op. 8 Nr. 3 | 00:01:48 |
12 | Frau Nachtigal op. 9 Nr. 2 | 00:01:57 |
13 | Knabe und Veilchen op. 9 Nr. 4 | 00:01:41 |
14 | Tanzreim op. 9 Nr. 5 | 00:01:09 |
15 | Sturmflut op. 11b Nr. 2 | 00:02:26 |
16 | Trinklied op. 11b Nr. 2 | 00:01:33 |
17 | Spaziergang op. 12 Nr. 1 | 00:02:09 |
18 | Das mitleidige Mädel op. 12 Nr. 4 | 00:02:48 |
19 | Traurige Mär op. 12 Nr. 9 | 00:00:54 |
20 | Im Kahn op. 12 Nr. 7 | 00:02:44 |
21 | Liebesmelodie op. 22 Nr. 6 | 00:01:20 |
22 | Seidenschuh' über Leisten von Gold op. 26 Nr. 2 | 00:02:23 |
23 | Flieg' hin, mein Kiel! op. 26 Nr. 4 | 00:01:24 |
24 | Meine Braut führ' ich heim op. 26 Nr. 6 | 00:01:07 |
25 | Der tote Lenz op. 32 Nr. 1 op. post. 13 | 00:02:30 |
26 | Pierrot-Zyklus op. 27 | 00:11:31 |
Interpreten der Einspielung
- Daniel Johannsen (Tenor)
- Samantha Gaul (Sopran)
- Klaus Simon (Klavier)