Anzeige

Teilen auf Facebook RSS-Feed Klassik Heute
Klassik Heute - Ihr Klassik-Portal im Internet

CD • SACD • DVD-Audio • DVD Video

Besprechung CD

Johann Sebastian Bach

Die Kunst der Fuge BWV 1080

Ondine ODE 1437-2

1 CD • 81min • 2023

21.05.2024

Künstlerische Qualität:
Künstlerische Qualität: 9
Klangqualität:
Klangqualität: 10
Gesamteindruck:
Gesamteindruck: 9

Bachs Kunst der Fuge ist und bleibt ein schwer zu entschlüsselndes Werk und gilt schon dadurch, dass Bach hier die Besetzung völlig offen lässt und keinerlei Hinweise auf eine Interpretation macht (Dynamik), als Inbegriff absoluter Musik, vielleicht gar als abstraktes Kunstwerk. Wenn sich ein Musiker auf dem Cembalo dieser Enzyklopädie des Kontrapunkts annimmt, ist dies besonders respekteinflößend. Gerade dieses Instrument scheint wenig klangliche Möglichkeiten zu bieten, hier adäquate Transparenz zu erreichen oder gestalterisch groß einzugreifen – ein Vorurteil, wie die neue Aufnahme mit Aapo Häkkinen beweist. Der Finne (Jahrgang 1976) – er tritt ebenso als Dirigent zahlreicher Barockensembles in Erscheinung – hat u.a. bei Elina Mustonen, Bob van Asperen und Pierre Hentaï studiert und ist seit langem international erfolgreich tätig.

Ein berühmtes Cembalo und ein Gambenkonsort

Unüblich für das finnische Label Ondine, kommt bei dieser Veröffentlichung das Booklet auch auf Deutsch – und enthält überraschenderweise den umfassenden Kommentar von Philipp Spitta (1880), der trotz seines Alters immer noch mustergültig erscheint. Häkkinen durfte Bachs zeitloses Meisterwerk auf einem berühmten Instrument einspielen: Das zweimanualige, koppellose Cembalo von Andreas Ruckers von 1614 hat später John Blow gehört, und sogar Händel soll darauf bereits gespielt haben. Aufnahmetechnisch wurde das wirklich herrliche und erstaunlich klangvolle Cembalo ganz ausgezeichnet eingefangen. Häkkinen versteht die Gestalt der Kunst der Fuge als dreiteiligen Zyklus, wählt die ursprüngliche Reihenfolge (1745?) der einzelnen Stücke und versteht die beiden Spiegelfugen – Contrapunctus inversus XII und Contrapunctus inversus XIII – als vermittelndes Bindeglied zu den vier abschließenden Canons. Die beiden Sätze – für zwei Hände ohne Sprünge eh ungreifbar – werden hier deshalb von einem Gambenconsort (vorzüglich: Les Voix humaines) bzw. von Cembalo & Violine (Anna Gebert) dargeboten – ein echter Hinhörer. Dafür fehlt auch jene legendäre, unvollendete Fuge (Contrapunctus XIV), die von Bach ziemlich sicher gar nicht für dieses Werk eingeplant war.

Klarheit und Schönheit ohne allzu emotionale Ausdeutung

Wie gekonnt Häkkinen sein Instrument – er verwendet das 4-Fuß-Register extrem sparsam – und die Partitur bis ins Detail beherrscht, steht außer Frage. Seine Tempi sind durchgehend ruhiger als bei vielen anderen Interpreten, aber nie starr: Die andauernden, feinen Modifikationen beleben das Geschehen, ohne sich dabei je aufzudrängen. Das führt bei den richtig komplexen Fugen zu unaufgeregter Klarheit. Gerade die anfänglichen, eher ruhigen Stücke wirken so allerdings dann doch ein wenig akademisch. Erstaunlich, wie natürlich auch bei einem Cembalo die polyphonen Strukturen unter Häkkinens Händen durchsichtig bleiben – ein Fest der Schönheit, das aber gerade für Ersthörer, die das Werk am Stück genießen wollen, doch anstrengend werden dürfte. Wer sich noch nie mit dieser hermetischen Musik vertraut gemacht hat, sollte eher mit einer „instrumentierten“ Fassung beginnen. Im Gegensatz etwa zur romantischen Ausdeutung von Daniil Trifonov – die der Rezensent ausdrücklich gelobt hat – stellt diese Aufnahme die Fragen von BWV 1080 offen zur Disposition, ohne sich anzumaßen, eine bestimmte emotionale Haltung dazu als die einzig richtige zu verkaufen. Fazit: Eine überaus gelungene Einspielung, bei der Ehrfurcht und Begeisterung für Bachs epochale Musik sich jedoch die Waage halten.

Vergleichseinspielung: Daniil Trifonov [Klavier] (DG 00289 483 8530, 2021).

Martin Blaumeiser [21.05.2024]

Anzeige

Komponisten und Werke der Einspielung

Tr.Komponist/Werkhh:mm:ss
CD/SACD 1
Johann Sebastian Bach
1Die Kunst der Fuge BWV 1080 01:20:49

Interpreten der Einspielung

Das könnte Sie auch interessieren

21.05.2024
»zur Besprechung«

Johann Sebastian Bach, Die Kunst der Fuge BWV 1080
Johann Sebastian Bach, Die Kunst der Fuge BWV 1080

16.03.2022
»zur Besprechung«

Nicolaus Bruhns, Cantatas and Organ Works Vol. 1
Nicolaus Bruhns, Cantatas and Organ Works Vol. 1

12.08.2020
»zur Besprechung«

Johann Sebastian Bach, Concertos for Harpsichord and Strings Vol. 1
Johann Sebastian Bach, Concertos for Harpsichord and Strings Vol. 1

10.04.2020
»zur Besprechung«

Johann Sebastian Bach, St Matthew Passion BWV 244
Johann Sebastian Bach, St Matthew Passion BWV 244

Anzeige

Klassik Heute - Ihr Klassik-Portal im Internet

Anzeige