Stairway to Bach
Rock Classics with a Hint of Bach
OUR Recordings 8.226920
1 CD • 75min • 2024
08.05.2024
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
Im Laufe der letzten drei Dekaden hat der dänische Organist Sven-Ingvart Mikkelsen eine recht eindrucksvolle Diskographie eingespielt, die eine ganze Reihe von Schwerpunkten aufweist von Barockmusik (Böhm, Scheibe, Vivaldi, Guilain) über Raritäten des Repertoires (neben dem Norweger Hans Matthison-Hansen auch die nach wie vor einzige Einspielung von Max Bruchs Orchestersuite Nr. 3) bis hin zu Transkriptionen (oft für Violine und Orgel), speziell in jüngerer Zeit sind auch Arrangements von Rockmusik hinzugekommen. Sein neues Album bei OUR Recordings greift einige dieser Aspekte auf, indem es Klassiker der Rockmusik (in Mikkelsens eigenen Transkriptionen) mit Werken von Johann Sebastian Bach kombiniert.
Bachs Einfluss auf die Rockmusik der 1960er Jahre
Hierbei geht es Mikkelsen speziell darum, den Einfluss Bachs auf die Rockmusik der 1960er und 1970er Jahre nachzuvollziehen, und zwar sowohl in direkter Hinsicht (in Form von Zitaten) als auch auf einer generelleren Ebene, also etwa durch Verwendung von Wendungen, Phrasen oder Mustern, die man mit Bachs Musik in Verbindung bringen kann. Und so gehen die hier eingespielten Transkriptionen über eine bloße Übertragung hinaus, sie kommentieren die Songs stets auch ein wenig, konkretisieren die Bach-Zitate, die ohnehin in ihnen vorkommen, und bauen zudem weiteres Material von Bach dort ein, wo Mikkelsen zusätzliche Parallelen aufzeigen möchte. Bach „grüßt“ also an vielen Stellen der CD, mal im Sinne eines kurzen „Kopfnickens“, wenn in der Bohemian Rhapsody kurz das Präludium Es-Dur BWV 552 aufscheint, mal in aller Deutlichkeit wie das Präludium C-Dur BWV 846 aus dem Wohltemperierten Klavier (Teil I) im Mittelteil von Repent Walpurgis.
Kontextualisierungen von Bachs Werken
Umgekehrt wird aber auch die Musik von Bach selbst kontextualisiert: anders als die Trackliste zunächst suggeriert, sind die beiden einzigen komplett im Original gespielten Werke Bachs sein Präludium und Fuge g-moll BWV 535 sowie das Choralvorspiel Wachet auf, ruft uns die Stimme BWV 645, und auch diese Werke stehen in Korrespondenz mit den sie umgebenden Rockklassikern (Fragmenten des Choralvorspiels begegnet man etwa einen Track später in Repent Walpurgis wieder). Das einleitende Très vitement aus Bachs Pièce d’orgue BWV 572 dient dagegen vor allem (um einen Ganzton nach oben transponiert) als Einleitung zu The City Awakes, in das es nahtlos übergeht (und das seinerzeit auf dem Pièce d’orgue aufbaut). Ganz ähnlich verhält es sich mit dem berühmten Air aus der Ouvertüre Nr. 3, das, hier in C-Dur erklingend, das abschließende A Whiter Shade of Pale vorbereitet.
Eine Frage der Perspektive
Der klassische Adressat dieses Albums ist also der Hörer, der sowohl Bach als auch die Musik von The Doors, Led Zeppelin, Pink Floyd, Queen und anderen schätzt, und sicherlich wird es ihm Freude bereiten, Mikkelsen beim Aufspüren und Verdeutlichen all dieser Bezüge, Parallelen und Einflüsse zuzuhören. Nun gibt es stets mehrere Perspektiven, aus der man sich einem Album nähern kann. Meine eigene ist diejenige eines Hörers, der sich sein Leben lang so gut wie ausschließlich mit der sogenannten „klassischen“ Musik beschäftigt hat und dem vor der Bekanntschaft mit dieser CD überhaupt nur einer der hier vorgestellten Songs (auszugsweise) geläufig war. Ohne also die Originale im Ohr zu haben und die Transkriptionen mit „unschuldigen Ohren“ (frei nach Robert Simpson) hörend, muss ich doch gestehen, den Eindruck gewisser Längen, einer gewissen Monotonie (etwa im einleitenden Light My Fire, oder dem recht statischen g-moll von Shine on You Crazy Diamond nach der herrlichen Polyphonie des BWV 535 in gleicher Tonart) nicht ganz verhehlen zu können. Dies scheint mir keineswegs an Mikkelsens Transkriptionen zu liegen, sondern hat wohl vor allem damit zu tun, dass die Songs hier gewissermaßen auf ihre musikalischen Fundamente reduziert werden, ohne das Beiwerk, die Klanglichkeit, die Inszenierung auskommen, die bei dieser Musik natürlich stets Teil des Ganzen sind, und so letztlich gegenüber Bach vergleichsweise blass anmuten. Jenseits solcher Erwägungen gebührt Mikkelsens künstlerischer Leistung als eloquent aufspielender Interpret, Gestalter einer überlegten Programmkonzeption und ebenso kompetenter wie geistreicher Arrangeur dabei Respekt, und wie immer bürgt das Label OUR Recordings für exzellente Klangqualität.
Holger Sambale [08.05.2024]
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Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
---|---|---|
CD/SACD 1 | ||
Doors | ||
1 | Light My Fire | 00:07:03 |
Johann Sebastian Bach | ||
2 | Fantasie G-Dur BWV 572 (Pièce d'Orgue) | 00:01:10 |
Savage Rose | ||
3 | Byen Vågner (The City Awakes) | 00:06:02 |
Led Zeppelin | ||
4 | Stairway to Heaven | 00:06:44 |
Johann Sebastian Bach | ||
5 | Lautensuite BWV 996, VI. Bourrée | 00:05:09 |
6 | Präludium und Fuge g-Moll BWV 535 | 00:06:39 |
Pink Floyd | ||
8 | Shine On You Crazy Diamond | 00:09:40 |
Queen | ||
9 | Bohemian Rhapsody | 00:06:08 |
Doors | ||
10 | People Are Strange | 00:03:12 |
Procol Harum | ||
11 | Homburg | 00:04:31 |
Johann Sebastian Bach | ||
12 | Wachet auf, ruft uns die Stimme BWV 645 (Choralvorspiel) | 00:04:06 |
Procol Harum | ||
13 | Repent Walpurgis | 00:07:26 |
Johann Sebastian Bach | ||
14 | Orchestersuite Nr. 3 BWV 1068: Air | 00:03:00 |
Procol Harum | ||
15 | A Whiter Shade of Pale | 00:02:58 |
Interpreten der Einspielung
- Sven-Ingvart Mikkelsen (Orgel)