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Besprechung CD

Outi Tarkiainen

Midnight Sun Variations

Ondine ODE 1432-2

1 CD • 55min • 2023

13.03.2024

Künstlerische Qualität:
Künstlerische Qualität: 9
Klangqualität:
Klangqualität: 10
Gesamteindruck:
Gesamteindruck: 9

Die Musik der finnischen Komponistin Outi Tarkiainen, 1985 geboren und Schülerin u.a. von Eero Hämeenniemi, wird seit einiger Zeit auch international verstärkt wahrgenommen (eines der hier versammelten Werke wurde z.B. im Rahmen der Proms uraufgeführt). Ondine hat ihr bereits eine CD mit Orchesterwerken gewidmet, die auf dem neuen Album durch eine Auswahl von Werken der letzten fünf Jahre ergänzt wird. Vorgestellt werden drei gut zehnminütige Orchesterstücke sowie ihr Milky Ways betiteltes Englischhornkonzert; der britische Dirigent Nicholas Collon leitet das Finnische Rundfunk-Sinfonieorchester.

Farbenfülle und Vogelstimmen

Gerne bezieht sich Tarkiainen auf Bilder der Natur, speziell des Nordens. Hierfür stehen u.a. die beiden Werke, mit denen das Album beginnt, eine Art loses Diptychon aus dem Jahre 2019. Tarkiainen ist eine virtuose Orchestratorin, die das Spiel mit der Farbenfülle und opulenten Klangpracht des Orchesters liebt, so auch in den Mitternachtssonnenvariationen. Eine unkompliziert zu hörende, romantische Klangwelten beschwörende, über weite Strecken tonale Musik, auch dann, wenn die Konturen mancher Akkorde mikrotonal verschwimmen. Holzbläserfiguren suggerieren immer wieder Vogelstimmen, wie überhaupt helle Farben dominieren, oft garniert durch zischende Beckenklänge oder abwärts gerichtete Posaunenglissandi. Man fühlt sich an den späten Rautavaara erinnert, wobei der machtvolle Höhepunkt, auf den das Stück zusteuert, deutlich (und sicherlich bewusst) an Sibelius’ Tapiola gemahnt. Die Lieder des Eises bauen – unter Verwendung ähnlicher musikalischer Mittel – auf zwei alternierenden Abschnitten auf: der erste wird von aufsteigenden Skalen vor archaischen Blechbläserklängen und wuchtigen Trommelschlägen geprägt, wie sie z.B. auch der (freilich weit struktureller denkende) Kalevi Aho öfters verwendet. Dem steht ein Abschnitt gegenüber, der von minimalistisch geprägten warmen (tendenziell Dur-) Akkordrepetitionen bestimmt wird, die wiederum aufsteigende Gesten ergeben. Am Ende steht ein wie erstarrt wirkender Epilog. Eine oft filmisch anmutende, essentiell eklektische Musik, die sich vieler Mittel bedient und in deren Mittelpunkt der Klang steht.

Orchestrales Raunen und sanfte Akkordrepetitionen

Insgesamt etwas rauer gibt sich das 2022 entstandene Englischhornkonzert, ein Dreisätzer mit langsamen Außensätzen und einem eher gemäßigten Scherzo in der Mitte. Der Titel Milky Ways bezieht sich auf das Stillen eines Säuglings; überhaupt spielt die Thematik der menschlichen Geburt in allen hier versammelten Werken mal expliziter, mal eher im Subtext eine gewisse Rolle. Tarkiainen setzt in diesem Werk wenigstens partiell etwas stärker auf erweiterte Spieltechniken und (gerade im ersten Satz) eine dissonanzbetontere Harmonik, ohne ihre grundsätzliche stilistische Orientierung zu verlassen. Im Zentrum stehen meistens kantable Linien des Soloinstruments, die letzten fünf Minuten des Finales sind durch eine Art orchestrales Raunen (in höchsten Lagen und in der Tiefe, zusammen mit leiser Schlagzeug-„Gischt“) geprägt, das schon grundsätzlich typisch für Tarkiainens Musik ist und hier eine noch einmal besonders hervorgehobene Rolle spielt. Schließlich ist The Ring of Fire and Love (2020) vom pazifischen Feuerring inspiriert, zu dessen Eruptivität Tarkiainen als menschlichen Gegenpart dann wiederum die Geburt eines Kindes begreift (übrigens tatsächlich ein Thema, das so oft nicht musikalisch aufgegriffen worden ist, ein besonders eindrucksvolles Beispiel ist allerdings die grandiose 6. Sinfonie von Robert Simpson). Vergleichsweise eruptiv ist vor allem der Beginn, der später noch einmal kurz aufgegriffen wird, ansonsten dominieren die Elemente, denen man auch in den anderen Werken dieser CD begegnet, namentlich sanfte Akkordrepetitionen in den Streichern, hier immer wieder kombiniert mit einer gestopften Trompete. Freilich: auf die Dauer wirkt all dies etwas arg gleichförmig, eine in sich und ihren emotionalen Zuständen verharrende Musik mit relativ wenig Momentum oder Drama.

Exzellente Interpretationen, vorzüglicher Klang

Orchester und Dirigent wissen diese Partituren exzellent in Szene zu setzen mit viel Sinn für die Timbres und klanglichen Nuancen, die diese Musik ausmachen. Das Englischhornkonzert wird von einem Widmungsträger Nicholas Collon gespielt, dessen Spiel durch Wärme und beredte Kantabilität besticht. Das Beiheft geht ausführlich auf Tarkiainens eigene (zu poetischen Überhöhungen neigende) Gedanken und Positionierungen ein; ob (wie behauptet) ein Bezug zu aktuellen Themen Musik eine wie auch immer geartete Relevanz verleiht, ist gewiss etwas, über das man trefflich diskutieren könnte. Illustrative, farbenreiche Musik, die sicher ihre Hörer finden wird.

Holger Sambale [13.03.2024]

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Komponisten und Werke der Einspielung

Tr.Komponist/Werkhh:mm:ss
CD/SACD 1
Outi Tarkiainen
1Midnight Sun Variations 00:10:28
2Songs of the Ice 00:12:18
3Milky Ways 00:21:33
6The Ring of Fire and Love 00:10:15

Interpreten der Einspielung

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