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Besprechung CD

Giovanni Battista Pergolesi

La serva Padrona • Livietta e Tracollo

cpo 555 622-2

2 CD • 1h 57min • 2023

22.01.2024

Künstlerische Qualität:
Künstlerische Qualität: 10
Klangqualität:
Klangqualität: 10
Gesamteindruck:
Gesamteindruck: 10

Klassik Heute
Empfehlung

Zahlreiche Bühnenwerke hat Giovanni Battista Pergolesi (1710-1736) in seinem kurzen Leben geschaffen, doch während seine abendfüllenden Opern nach seinem Tode der Vergessenheit anheimfielen und erst in unseren Tagen wieder den Weg auf die Bühne fanden, trat sein zweiteiliges Intermezzo La serva padrona einen bis heute anhaltenden Siegeszug auf allen Bühnen der Welt an. Entstanden war es als Pausenfüller zu der Opera seria Il prigionier superbo, die am 5. September 1733 ihre Premiere erlebte. Der überraschend große Erfolg des Zwischenspiels, in dem die Dienstmagd Serpina ihren Herrn Uberto mit List und Tücke zur Ehe drängt, ermutigte den Komponisten, im Folgejahr mit Livietta e Tracollo ein weiteres Exemplar der neuen Gattung zu schreiben. In der vorliegenden Produktion des Boston Early Music Festivals werden die beiden Intermezzi kombiniert und mit Ouvertüren versehen, wobei im Falle von La serva padrona naheliegenderweise die Sinfonia von Il prigionier superbo herangezogen wurde. Auch wird das Finale in zwei damals gebräuchlichen Fassungen wiedergegeben, wobei die heute bevorzugte zweite eigentlich aus der heiteren Oper Il Flaminio stammt.

Der zweite Streich

Auch im Falle von Livietta e Tracollo, als Intermezzo zur Opera seria Adriano in Siria komponiert, hat das heitere Zwischenspiel die umrahmende ernste Oper um einige Jahrhunderte überlebt. Noch aberwitziger ist hier der für die neapolitanische Buffa so typische Mummenschanz. Das Bauernmädchen Livietta, im Gewand eines französischen Schäfers, stellt den Banditen Tracollo, der als schwangere Polin verkleidet auf Diebestour ist, bringt ihn ins Gefängnis und beinahe an den Galgen. Doch der kann rechtzeitig entfliehen und treibt sein Unwesen weiter als geisteskranker Astrologe. Und wieder wird er von Livietta aufgespürt, die den sich reumütig Gebenden schließlich damit bestraft, dass sie ihn heiratet. An musikalischer Einfallskraft und Situationswitz mangelt es auch diesem Intermezzo nicht, dem hier die Ouvertüre zu Pergolesis Il Flaminio vorangestellt wird. Besonders auffallend sind bei den in der Regel dreiteilig angelegten Arien die Parodien der Opera seria, so in Tracollos Angstgesang vor der befürchteten Hinrichtung („Ecco il povero Tracollo“) und Liviettas simulierter Sterbeszene („Caro, perdonami“).

Als besonderes „Schmankerl“ servieren die Bostoner zum „Nachtisch“ ein Terzett aus Leonardo Leos komischer Oper Onore vince amore, deren Partitur bis auf eben diese Nummer verschollen ist. Ein frühes Beispiel absurden Musiktheaters, das die Nonsense-Texte in Rossinis Verwirrungs-Finali vorwegzunehmen scheint, wenn die drei Sänger (eine Sopranistin, zwei Bässe) in endlosen Ketten die Lautfolgen nti nti nti tirentò tirentò und ttappa ta ttappa tà variieren.

Präzision ist Trumpf

Die Bremer Studio-Aufnahme basiert auf einer Bühnenproduktion des Boston Early Music Festival von 2014 und sie atmet vom ersten Takt an lebendige Bühnenatmosphäre. Man erlebt ein gleichermaßen musikantisches und komödiantisches Feuerwerk mit vielen klanglichen Überraschungen. Erstaunlich, wie viele Funken ein Kammerensemble von 13 Musikern aus der Partitur zu schlagen vermag. Da hört man auch ein bekanntes (und mehr als 30mal aufgenommenes) Stück wie La Serva Padrona gleichsam neu. Die musikalischen Leiter Paul O’Dette (Laute & Mandoline) und Stephen Stubbs (Barockgeige & Theorbe) tragen selbst wesentliche Farbtupfer zum Gesamtbild bei und finden in Bezug auf Tempo und Agogik das richtige Maß. Bei allem musikantischen Überschwang ist Präzision Trumpf.

Eine Zierde der Diskographie

Das gilt auch für die Sänger. Was man bei ihnen – nicht nur in den Arien, sondern auch in den Rezitativen - an ausgefeilter Gestaltung erlebt, ist bemerkenswert, umso mehr als sie – mit einer Ausnahme – keine Muttersprachler sind. Alessandro Quarta, der in der stummen Dienerrolle des Vespone auch einige akustische Raunzer beiträgt, hat da als Sprach-Coach (und wohl auch eine Art „Dialog-Regisseur“) ganze Arbeit geleistet. Christian Immler ist als Uberto kein tölpelhafter Pantalone, sondern in jedem Moment ein Herr und überrascht mit einem satten Bassregister. Amanda Forsythe stellt als Serpina nicht nur die kratzbürstigen Seiten der Rolle heraus, sondern bezaubert zugleich mit lyrischer Wärme und anmutigen Verzierungen. Die jüngere Carlotta Colombo ist als Livietta eine würdige Nachfolgerin der großen Graziella Sciutti und als Komödiantin kaum weniger facettenreich als Jesse Blumberg, der als Tracollo vokal alle Register vom tiefen Bass bis zum durchdringenden Falsett ziehen kann. Wenn die beiden Herren und Frau Colombo dann am Schluss das erwähnte Trio von Leonardo Leo absolviert haben, lassen sie die Hörer entspannt und zufrieden zurück.

Das ausführliche Booklet enthält die Libretti in drei Sprachen sowie fundierte Kommentare zum Komponisten und den Intermezzi auf Deutsch und Englisch. In summa: eine vorbildliche Edition und ein Glanzpunkt der Pergolesi-Diskographie.

Ekkehard Pluta [22.01.2024]

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Komponisten und Werke der Einspielung

Tr.Komponist/Werkhh:mm:ss
CD/SACD 1
Giovanni Battista Pergolesi
1Il prigionier superbo (Sinfonia) 00:03:33
2La serva padrona 00:59:22
CD/SACD 2
1Il flaminio (Introduzione) 00:05:03
4Livieta e Tracollo 00:46:12
Leonardo Leo
21Fa l'Alluorgio cammenare (aus Onore vince amore) 00:06:59

Interpreten der Einspielung

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