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Besprechung CD

swiss dreams

stalder • huber • strong • suter • u.a.
lena-lisa wüstendörfer

Prospero Classical PROSP0090

2 CD • 2h 05min • 2019, 2022, 2023

09.02.2024

Künstlerische Qualität:
Künstlerische Qualität: 9
Klangqualität:
Klangqualität: 9
Gesamteindruck:
Gesamteindruck: 9

Die junge Dirigentin Lena-Lisa Wüstendörfer verfolgt mit ihrem vor erst sechs Jahren gegründeten Swiss Orchestra das Ziel, Musik von Schweizer Komponisten (speziell der Klassik und Romantik) aufzuführen. In der Tat dürfte Musik aus der Schweiz für viele Hörer ein eher unbeschriebenes Blatt sein, trotz einer ganzen Reihe bemerkenswerter (und produktiver) Komponisten. Tatsächlich ist auch die Menge dessen, was in CD-Einspielungen erhältlich ist, gar nicht einmal so gering, wobei es natürlich manches (gerade aus dem 20. Jahrhundert) gibt, das den Weg von der LP auf die CD nicht gefunden hat, und es bis ins 21. Jahrhundert gedauert hat, bis der (im Bereich Schweizer Musik überhaupt sehr verdienstvolle) Dirigent Adriano eine echte Größe wie den Sinfoniker Fritz Brun endlich in gebotenem Umfang diskographisch erschließen konnte. In diesen Kontext gehört auch das vorliegende Album, das auf zwei CDs Konzertmitschnitte zwischen 2019 und 2023 mit sieben (chronologisch angeordneten) Orchesterwerken aus drei Jahrhunderten versammelt.

Von der Frühklassik bis zur angehenden Romantik

Den Beginn macht eine Sinfonie in Es-Dur von Joseph Franz Xaver Dominik Stalder (1725–1765), die letzte einer 1759 publizierten Sammlung von sechs Sinfonien (die vorliegende Sinfonie hat später Hermann Scherchen neu herausgegeben). Aufhorchen lässt hier in den Ecksätzen u.a. der Einsatz zweier Hörner, die gerade im ersten Satz mit einigen kleineren Solopassagen aufwarten, während sie im menuettartigen Schlusssatz eher für Farbe und Volumen sorgen. Die Ouvertüre zu Edouard Dupuys (um 1770–1822) Oper Jugend und Leichtsinn ist ein gut gelauntes, charmantes und spritziges Stück, wohingegen Franz Xaver Schnyder von Wartensees (1786–1868) Ouvertüre c-moll (1818) wenigstens partiell ernstere Töne anschlägt und von Interesse an dichter motivischer Arbeit (die in diesem relativ frühen Werk vielleicht manchmal doch etwas zu sequenzierend anmutet) und Kontrapunktik zeugt. Wüstendörfers Lesart dieser Werke ist (bei modernem Instrumentarium) teilweise „historisch“ orientiert, wobei etwa dem Seitenthema der Wartensee-Ouvertüre ein vollerer Ton der Violinen mit mehr Vibrato gut tun würde.

Apart orchestrierte romantische Stimmungsbilder

Hans Hubers (1852–1921) acht Sinfonien sind allesamt auf CD eingespielt worden, u.a. gemeinsam mit seiner Serenade Nr. 1 Sommernächte. Wüstendörfer stellt hier ihr Komplementärwerk vor, die Serenade Nr. 2 Winternächte (1895). Huber geht es dabei weniger um Bilder klirrender Kälte; seine Winternächte finden eher in der behaglichen guten Stube vorm Kamin statt, wo es dann unter anderem zu einem entzückenden und raffinierten Spinnlied mit emsig kreisenden Bewegungen in der Solovioline und Flöte kommt. Für mich ist die Serenade einer der Höhepunkte des Albums, auch weil sich das Orchester besonders gut aufgelegt zeigt und eine differenzierte, beseelte und inspirierte Interpretation der Partitur vorlegt, die der eher routinierten Lesart der Sinfonien unter Weigle überlegen ist. Bei der Suite Nr. 3 Le Livre d’Images des ab 1897 in der Schweiz lebenden Amerikaners George Templeton Strong (1856–1948) handelt es sich um eine (wesentlich später als die Originale entstandene) Orchestrierung von Klavierstücken, Genrebilder in spätromantischem Stil, an Ballettmusik (und im Falle des Flötenthemas im ersten Satz an Anitras Tanz aus Griegs Peer Gynt) erinnernd, aber immer wieder mit kleineren Besonderheiten wie den Dissonanzen in den Holzbläsern im zweiten Satz. Im Vergleich zu Adrianos Einspielung dieser Suite fallen zwei wesentliche Abweichungen auf, einmal in der Struktur des ersten Satzes (den Adriano nach dem Mittelteil direkt in den zweiten Satz übergehen lässt, was m.E. nicht ganz schlüssig ist) und zum anderen in der Orchestrierung des letzten Satzes, wo Wüstendörfer offenbar eine andere, kleiner besetzte Fassung verwendet (und den Satz überhaupt etwas leichter versteht).

Hermann Suters herrliches Violinkonzert

Ein zweites Hauptwerk des Programms ist Hermann Suters (1870–1926) Violinkonzert A-Dur op. 23 (1921), ein herrliches, von pastoraler Lyrik erfülltes Werk, in dessen Kopfsatz die Violine über weite Strecken einen innig beseelten Dialog mit Holzbläsern und Hörnern führt. An zweiter Stelle steht kein langsamer Satz, sondern ganz im Gegenteil ein aufgewühltes Tempestoso, bei dem Suter selbst übrigens an einen durch den Regen schreitenden Wanderer dachte, bevor das Finale nach kurzer Besinnung wiederum in einen bukolischen Reigen mündet, später von musikantischem Überschwang erfüllt. Michael Barenboim spielt mit warmem, sonorem Ton, partiell allerdings m.E. eine Spur zu üppig, vielleicht auch deshalb, weil er das Werk gemäß Beiheft nahe bei Richard Strauss sieht, was ich nicht ganz unterschreiben würde. Im Vergleich verstehen Hansheinz Schneeberger und Richard Müller-Lampertz (am Pult) das Konzert insgesamt schlanker, straffer und gerade im 2. Satz auch dynamischer. In jedem Falle ein gelungenes und willkommenes Plädoyer für ein ausgesprochen attraktives Violinkonzert. Dem Hackbrett als Soloinstrument begegnet man schließlich in Paul Hubers (1918–2001) 1994 entstandenem Konzert (übrigens mit Blick auf einige Werke besonders aus Osteuropa keine völlig exotische Besetzung). Gerade der Ländler, der in den Ecksätzen zwischendurch seine Aufwartung macht, wird vielen Hörern sicherlich ein vergnügtes Lächeln auf die Lippen zaubern, insgesamt aber überzeugt der doch recht formelhafte Neoklassizismus dieses Werks (mit gewissen Längen) weniger als die übrigen Stücke dieses schönen Albums. Das Beiheft liefert einen guten Überblick, ohne allzu sehr ins Detail zu gehen (womöglich aus Platzgründen), wenigstens die Entstehungsdaten wären aber m.E. Pflicht gewesen.

Holger Sambale [09.02.2024]

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Komponisten und Werke der Einspielung

Tr.Komponist/Werkhh:mm:ss
CD/SACD 1
Joseph Franz Xaver Dominik Stalder
1Sinfonie Es-Dur 00:08:18
Edouard Dupuy
4Jugend und Leichtsinn (Ouvertüre zur Oper) 00:07:22
Xaver Schnyder von Wartensee
5Ouvertüre c-Moll 00:08:19
Hans Huber
6Zweite Serenade in G (Winternächte) 00:25:42
George Templeton Strong
11Suite Nr. 3 (Le livre d'images) 00:17:46
CD/SACD 2
Hermann Suter
1Violinkonzert A-Dur op. 23 00:34:00
Paul Huber
4Konzert für Hackbrett und Orchester 00:23:28

Interpreten der Einspielung

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