Raff • Schreck • Jadassohn
Wind Serenades
cpo 555 570-2
1 CD • 59min • 2021
20.11.2023
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
Klassik Heute
Empfehlung
Die Gründerzeit im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts liebte es, die „Gute alte Zeit“ zu reflektieren und sich historisch zu kostümieren. In der Architektur verfuhr man gern nach dem Motto „Der Rohbau ist fertig, jetzt muss bloß noch der Stil dran“. Ähnliches geschah in der Musik. Nach Tristans Fieberekstasen benötigte man zur Abkühlung heiter-gemütvolle Serenaden im Stil Carl Loewes und Albert Lortzings gewürzt mit einer Prise mendelssohnischen Elfenzaubers.
Brillantes Kunsthandwerk der Akademiker
Ensemblemusik für und mit Bläsern kam in der Hochromantik vollkommen aus der Mode. Sieht man von den Romanzen Robert Schumanns und den späten Klarinettenwerken von Johannes Brahms ab, wurden selbst Solowerke für Bläser zumeist nur von den führenden Virtuosen für ihre Instrumente geschrieben.
Die Spätromantiker Joachim Raff und Salomon Jadassohn kamen dann auf die Idee, das klassische Bläserquintett – Flöte, Oboe, Klarinette, Horn und Fagott – einfach zum „Dixtuor“ zu verdoppeln und wurden so zum Vorläufer des symphonischen Blasorchesters. Das Nonett vom späteren Thomaskantor Gustav Schreck verzichtet auf eine der beiden Oboen.
Interessant, dass die beiden Liszt-Schüler Raff und Jadassohn hier auf jegliche neudeutsche Requisiten wie ausschweifende Alterationsharmonik und originelle Formen vollkommen verzichten. Beide Kompositionen beginnen in klassizistischer Manier mit einem Sonatenhauptsatz, dem Scherzo, langsamer Satz und Finale folgen. Geradezu als ob sie demonstrieren wollten, dass sie diese damals als veraltet geltenden Formen beherrschten, um sie einem leichteren Genre nutzbar zu machen.
Salomon Jadassohn gehört übrigens zu den wichtigen Pädagogen dieser Gründerjahre, denn immerhin studierten Ferruccio Busoni, Frederick Delius und Sigfrid Karg-Elert bei ihm.
Alle drei Werke atmen die Behaglichkeit eines schönen Frühherbsttages, sind meisterhaft instrumentiert und wollen einfach nur schöne, die Stimmung der Zuhörer hebende Musik sein, ohne sich dramatisch aufzuputzen und gewaltige Schlachten zu schlagen.
Perfekte Interpretation
Simon Gaudenz demonstriert in diesen Werken mit welchen virtuosen Könnern die Bläserabteilung der Jenaer Philharmoniker besetzt ist. Diese meistern sowohl einen homogenen Gesamtklang, als auch die teilweise recht sportiven Solostellen. Die Wechsel vom einem zum andern gelingen elegant. Jeder weiß, wann er führen darf und wann er die Kollegen begleiten muss. Die Artikulation ist spritzig, Motive werden immer auf ein Ziel hin phrasiert. Lyrische Episoden werden ausgesungen. Die Intonation ist vorbildlich. Da hört man gern zu und freut sich mit einem Lächeln. Somit gelang hier – wie so häufig bei cpo – eine veritable Entdeckung.
Der kenntnisreiche und überaus pfiffig formulierte Booklet-Text von Eckart van der Hoogen verdient ein Sonderlob. Aufnahmetechnisch ist bereits die CD-Fassung gelungen. Mehr Farbe und Transparenz bietet die hochaufgelöste Variante per Streaming.
Fazit: Diese Aufnahme vertreibt Tristesse, was aktuell besonders nötig erscheint. Klare, uneingeschränkte Empfehlung.
Thomas Baack [20.11.2023]
Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
---|---|---|
CD/SACD 1 | ||
Joseph Joachim Raff | ||
1 | Sinfonietta op. 188 für Bläser | 00:23:46 |
Gustav Schreck | ||
5 | Nonett Divertimento op. 40 für Bläser | 00:18:43 |
Salomon Jadassohn | ||
9 | Serenade op. 104 für Bläser | 00:16:14 |
Interpreten der Einspielung
- Jena Philharmonic Wind Ensemble (Bläserensemble)
- Simon Gaudenz (Dirigent)