Allan Pettersson
Concerto for Violin and String Quartet • Four Improvisations & Works for Violin and Piano
BIS 2580
1 CD/SACD stereo/surround • 60min • 2022
05.11.2023
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
In Allan Petterssons (1911-1980) Schaffen dominieren eindeutig die 15 vollendeten Symphonien, die ihn wegen ihrer dunklen Ausdruckskraft nicht erst rückblickend als Schwedens bedeutendsten Symphoniker überhaupt erscheinen lassen. Das monumentale und in seiner Erstfassung überinstrumentierte Violinkonzert von 1977 trägt gleich die Nummer 2. Das Hauptwerk der vorliegenden CD, das Konzert für Violine und Streichquartett (1949), gehört hingegen klar zum recht schmalen Katalog von Kammermusikwerken, obwohl es auch als Violinkonzert Nr. 1 bezeichnet wird. Danach folgen lediglich die Sieben Sonaten für zwei Violinen – alles noch vor Petterssons Symphonie Nr. 2 (die erste blieb Fragment) von 1952/53, in der der Komponist schon seine ganz persönliche Ausdruckswelt gefunden hat.
Langsames Vortasten in der frühen Kammermusik
Die übrigen hier vorgestellten Werke stammen sämtlich aus Petterssons Studienzeit in Schweden. Erst 1951, bereits 40-jährig, nahm er in Paris Unterricht bei Arthur Honegger und René Leibowitz. Sind die Zwei Elegien sowie die Romanza für Violine & Klavier noch fast romantische Genrestücke, erinnert sein Andante espressivo eher an französische Impressionisten. Ulf Wallin – Schüler u.a. des legendären Wolfgang Schneiderhan – und sein Klavierpartner Thomas Hoppe spielen die kleinen Gehversuche klangschön und stellen die wenigen ungewöhnlichen Wendungen genügend heraus, um aufhorchen zu lassen. Das Lamento von 1945, Petterssons einziges Klavierwerk, ist hingegen wirklich nur eine Petitesse.
Etwas eigenwilliger kommen bereits die Vier Improvisationen für Streichtrio daher. Hierbei sekundieren Wallin der Bratschist German Tcakulov und der Cellist Alexander Wollheim. Gegenüber der Konkurrenzaufnahme mit Mitgliedern des Mandelring Quartetts bleibt die vorliegende Darbietung emotional glatter, wenn auch perfekter in Intonation und Phrasierung.
Radikales Experimentieren im 1. Violinkonzert
Nicht wiederzuerkennen scheint die Klangsprache des Komponisten im 1. Violinkonzert, „das symptomatisch dissonanzgeladen bis an die Schmerzgrenze ist. In dem Milieu, in dem ich aufgewachsen bin, absorbierte ich den Schmerz, den die Menschen um mich herum ausdünsteten“ (Pettersson). Neben avantgardistischen Spieltechniken, Polytonalität und Polyrhythmik, kann das hier knapp 36-minütige, dreisätzige Stück mit seiner gewagten Kühnheit absolut überzeugen. Wie bei obigen Improvisationen schlagen die Musiker der Neuaufnahme – hier kommen noch die Violinisten Sueye Park und Daniel Vlashi Lukaçi hinzu – die 30 Jahre alte cpo-Einspielung mit Ulf Hoelscher in Sachen Perfektion. Nicht nur deshalb und wegen der BIS-üblich hervorragenden Aufnahmetechnik wirkt die Darbietung nicht ganz so überhitzt. Ein wenig ruhigere Tempi in den beiden Ecksätzen geben dem Hörer zudem bessere Möglichkeiten, die vielen recht aggressiven Details im Kontext zu verstehen – so etwa die auffallend bösartige Vierteltonverfremdung – wie im Delirium – gegen Ende des 3. Satzes. Umso mehr bringen die wenigen lyrischen Momente Entspannung. Die hier gezeigte Radikalität hat Pettersson in seinen Symphonien dann gebändigt, an seiner emotionalen Anteilnahme an der Lebenswirklichkeit der Unterdrückten und Unterprivilegierten hat das freilich nichts geändert. Hoelschers Einspielung bleibt aufrüttelnder, die vorliegende Sichtweise mit ihrem Willen zu einem abgerundeteren Gesamteindruck hat jedoch durchaus ihre Berechtigung.
Vergleichsaufnahme: Ulf Hoelscher, Mandelring Quartett, Volker Banfield [Lamento] (cpo 999 162-2, 1993-94)
Martin Blaumeiser [05.11.2023]
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Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
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CD/SACD 1 | ||
Allan Pettersson | ||
1 | Concerto für Violine und Streichquartett | 00:35:53 |
4 | Zwei Elegien für Violine und Klavier (1934) | 00:02:48 |
6 | Andante espressivo für Violine und Klavier | 00:03:19 |
7 | Romanze für Violine und Klavier | 00:03:05 |
8 | Lamento für Klavier | 00:02:17 |
9 | Vier Improvisationen für Streichtrio | 00:10:36 |
Interpreten der Einspielung
- Ulf Wallin (Violine)
- Sueye Park (Violine)
- Daniel Vlashi Lucaçi (Violine)
- German Tcakulov (Viola)
- Alexander Wollheim (Violoncello)
- Thomas Hoppe (Klavier)