Bridges
Papandopulo • Constantinides • Terzakis • Constantinidis
BIS 2563
1 CD/SACD stereo/surround • 75min • 2022
27.08.2023
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
„Bridges“ ist das neue Album der deutsch-griechischen Violinistin Danae Papamatthäou-Matschke mit ihrem Vater Uwe Matschke am Klavier betitelt, und in der Tat werden hier musikalische „Brücken“ zu Griechenland geschlagen und dokumentiert. Versammelt sind vier (teils im weiteren Sinne) griechische Komponisten des 20. Jahrhunderts, deren Lebens- und Schaffenswege eben solche Brücken beschreiben.
Spätwerke Papandopulos im Zeichen von Reduktion
Am Beginn steht mit Boris Papandopulo (1906–1991) einer der profiliertesten jugoslawischen bzw. kroatischen Komponisten seiner Generation. Dabei war Papandopulo väterlicherseits griechischer Abstammung und wurde in Honnef am Rhein geboren. Den Kern seiner Musik bildete stets ein folkloristisch geprägter Neoklassizismus, wobei die Bandbreite der Einflüsse, die Papandopulo im Laufe seiner Karriere rezipiert hat, groß ist. Bei der Meditation für Violine und Klavier (1987, eine Art Elegie über ein melismatisch geprägtes Thema) und der auf einem bosnischen Volkslied aufgebauten Violinsonate (1988) handelt es sich um Alterswerke, in denen er zu seinen Wurzeln zurückkehrt, nun aber im Zeichen einer Reduktion der Mittel, also eher sparsamem Satz, knappen Gesten und karger Harmonik. Gleich der erste Satz der Sonate wirkt wie ein fortwährendes Suchen: Violine und Klavier dialogisieren, greifen einander auf, aber das Material selbst bleibt dabei eher unstet; auch romantisch anmutende Anklänge besitzen letztlich eher Zitatcharakter. Vorwiegend meditativ und wiederum ein wenig erratisch auch der dritte Satz, während die beiden schnellen Sätze 2 und 4 Volkstanzcharakter atmen. Speziell das relativ ungetrübte h-moll des Finales wirkt nach der Introspektion des dritten Satzes überraschend konkret, „geerdet“ – isoliert betrachtet eine wirkungsvolle Miniatur, als zyklisches Werk insgesamt wohl etwas disparat.
Terzakis’ altgriechisch inspirierte, luzide Tonsprache
Dinos Constantinides (1929–2021) war ein Grieche, der seit 1957 in den USA lebte, besonders verbunden mit der Louisiana State University. Seine Violinsonate (1971/77), ursprünglich für Bratsche geschrieben, ist nach seinem eigenen Bekunden sein am strengsten dodekaphones Werk. Einflüsse von Volksmusik spielen hier keine wesentliche Rolle; die relativ strikte Zwölftönigkeit bringt einen etwas trockenen Gesamteindruck mit sich. Dimitri Terzakis (Jg. 1938), in Griechenland und Deutschland wirkend, ist mit seiner von Dante inspirierten, anders als der Titel vermuten ließe jeder Drastik abholden Sonate infernale (2008/09) und den Sprüchen im Wind (2009) vertreten. Fußend auf altgriechischer Musik, sind diese Werke in relativ kargem, oft lediglich zwei- oder dreistimmigem, betont linearem Satz gehalten (in dieser Hinsicht an manche Passagen von Papandopulos Sonate erinnernd), aufgebaut um ihr oft deklamatorisch, manchmal archaisch anmutendes Melos herum, sodass schon Intervalle und noch mehr natürlich Akkorde, wenn sie denn einmal eingesetzt werden, zum Ereignis werden. Dabei verwendet Terzakis auch Mikrotonalität, allerdings „modal“ geprägt und auch für Hörer ohne ausgeprägte Affinität zur Neuen Musik relativ unkompliziert zu rezipieren. Ist alles dies grundsätzlich knapp gehalten, bilden die Sprüche in dieser Hinsicht einen Extrempunkt: hier sind zehn Miniaturen auf kaum acht Minuten komprimiert, melodische Fragmente, die am Ende meist in eine kleine Pointe (i.d.R. eine unerwartete Verschiebung des tonalen Zentrums) münden. Hier ergeben sich dann schließlich Parallelen zum letzten Werk der CD, der Suite über dodekanesische Volksweisen (1948) von Giannis Konstantinidis (1903–1984), in den 1920ern in Berlin u.a. Schüler von Juon und Weill. Reizvolle, tänzerisch-gesangliche, mitunter zart-impressionistische (Nr. 5) Musik „à la miniature“.
Feiner, silbriger Ton, intim-zurückhaltende Lesarten
Kennzeichnend für die Interpretationen auf dieser CD ist besonders der feine, elegante, silbrige Ton von Danae Papamatthäou-Matschke, was mit einem generell zurückhaltenden, niemals forcierten Ansatz einhergeht. Man vergleiche etwa die Interpretation der Sonate infernale mit derjenigen des Duos Lessing–Kersten (Wergo), das einen wesentlich kraftvolleren, zupackenderen Zugang wählt; gerade Terzakis’ klare, filigrane Musik verträgt sich aber auch mit der dezidiert sparsam auftragenden, intimen Lesart von Papamatthäou-Matschke sehr gut. Etwas mehr Robustheit könnte vor allem Papandopulos Sonate vertragen, sowohl in den volkstanzartigen schnellen Sätzen als auch etwa im 3. Satz, dessen Dissonanzen auch eine schmerzvoll-expressive Note besitzen, die deutlicher herausgearbeitet werden könnte. Ein empfehlenswertes Album, dessen musikalische Entdeckungen in Danae Papamatthäou-Matschkes ansprechend-informativem Begleittext überzeugend kontextualisiert und diskutiert werden.
Holger Sambale [27.08.2023]
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Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
---|---|---|
CD/SACD 1 | ||
Boris Papandopulo | ||
1 | Meditation | 00:06:12 |
2 | Sonate für Violine und Klavier | 00:18:21 |
Dinos Constantinides | ||
6 | Sonate für Violine und Klavier | 00:13:44 |
Dimitri Terzakis | ||
9 | Sonate infernale | 00:16:00 |
12 | Sprüche im Wind (10 Miniaturen) | 00:07:42 |
Yannis Constantinidis | ||
22 | Suite sur des mélodies populaires grecques du Dodécanèse | 00:11:27 |
Interpreten der Einspielung
- Danae Papamattheou-Matschke (Violine)
- Uwe Matschke (Klavier)