Fallen to Dust
James Newby baritone Joseph Middleton piano
BIS 2595
1 CD • 85min • 2022
23.06.2023
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
Nach seinem vielbeachteten Debüt-Album „I wonder as I wander“, in dessen Zentrum Lieder von Beethoven, Schubert und Mahler standen, wendet sich der junge britische Bariton James Newby diesmal ausschließlich dem englischen Liedschaffen zu. Dabei bringt er neben modernen „Klassikern“ wie Ireland, Britten, Elgar und Vaughan Williams auch viele Komponisten zu Gehör, die jedenfalls im deutschen Sprachraum noch nicht heimisch sind. Auslöser für das aktuelle Recital war für den Sänger der Tod seiner Schwester Laura im Jahre 2015. Der Albumtitel „Fallen to dust“ weist schon darauf hin, dass Verlust, Trauer und Tod den Schwerpunkt des Programms bilden. Oscar Wildes Gedicht Requiescat auf den Tod seiner jüngeren Schwester Isola, vom früh verstorbenen George Butterworth vertont, gibt da die Richtung vor.
Zwei kontrastreiche Zyklen
Der Gedichtband A Shropshire Lad, den der Dichter Alfred Edward Housman (1859-1936) auf eigene Kosten drucken ließ, fand zunächst wenig Aufmerksamkeit, wurde dann aber eine unerschöpfliche Quelle für zahlreiche englische Komponisten, darunter Größen wie Ralph Vaughan Williams, John Ireland und George Butterworth. Der Pionier war indes der heute kaum noch bekannte, von der Deutschen Romantik inspirierte Arthur Somervell (1863-1937), der aus dem 63 Gedichte enthaltenden Zyklus zehn Titel herauspickte und 1904, acht Jahre nach der Publikation der Texte, diesen erst ins Bewusstsein einer breiteren Öffentlichkeit rückte. Es gibt in dem von Somervell dramaturgisch geschickt aufgebauten Konzentrat einige deutlichen Parallelen zu Heines und Schumanns Dichterliebe, aber fallweise auch zu Müllers und Schuberts Winterreise (White in the moon the long road lies).
Der noch ganz in der Tradition Edward Elgars schreibende Gerald Finzi (1901-1956), vor allem wegen seiner Vokalkompositionen geschätzt, hat in seinem Zyklus Let Us Garlands Bring (vollendet 1942) fünf Lieder aus Stücken William Shakespeares zusammengestellt, die in Stil und Stimmung deutlich variieren. Der dem Komponisten eigene elegische Tonfall, den er besonders in seinen Vertonungen von Gedichten Thomas Hardys kultiviert (hier The Clock of the Years), zeigt sich auch in den Gesängen Come away, death und Fear no more the heat o‘ the sun, die aber kontrastiert werden von heiteren und tänzerischen Couplets wie Who is Silvia, O Mistress Mine und It was a lover and his lass. Finzi widmete den Zyklus seinem großen Kollegen Ralph Vaughan Williams.
Entspannter Ausklang
Am Ende des – für eine Einzel-CD überlangen – Programms stehen nach zahlreichen Allerseelen-Stimmungen drei versöhnlich heitere Nummern. Liza Lehmann (1862-1918), eine erfolgreiche Sängerin und Schülerin von Jenny Lind, zeigt als Komponistin des Zyklus Four Cautionary Tales and a Moral (1912), aus dem hier Henry King zu hören ist, einen ausgeprägten Sinn für Humor. Die farbige Komponistin Errollyn Wallen (Jg. 1958), eine ausgebildete Tänzerin, ist auf musikalische Grenzüberschreitungen spezialisiert, lässt sich von Purcell ebenso inspirieren wie von Popmusik. Im von ihr selbst getexteten Lied About Here wünscht sie sich „a glimpse of the moon in the sun“ herbei. Eine andere Grenzüberschreitung, diesmal in Richtung Cabaret, gelingt Wolseley Charles (1889-1962) mit dem moritatenhaften Song The Green-eyed Dragon.
James Newby und sein Begleiter Joseph Middleton geben auch in diesem Programm wieder Musterbeispiele künstlerischer Einfühlung und harmonischen Musizierens. Trübsinn kommt trotz der häufig sehr tristen Texte nirgends auf. Die Schrecken des Todes werden durch die Musik verklärt, der Gesang ist ein Ausdruck der Hoffnung.
Ekkehard Pluta [23.06.2023]
Anzeige
Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
---|---|---|
CD/SACD 1 | ||
Jonathan Dove | ||
1 | All you who sleep tonight | 00:01:58 |
George Butterworth | ||
2 | Requiescat | 00:03:07 |
Rebecca Clarke | ||
3 | The Seal Man | 00:05:13 |
Gerald Finzi | ||
4 | The Clock of the Years | 00:04:53 |
5 | Come away, come away, death op. 18 Nr. 1 (aus: Let us garlands bring op. 18) | 00:03:23 |
6 | Who is Silvia? op. 18 Nr. 2 (aus: Let us garlands bring op. 18) | 00:01:28 |
7 | Fear no more the heat o' the sun op. 18 Nr. 3 (aus: Let us garlands bring op. 18) | 00:05:11 |
8 | O Mistress Mine op. 18 Nr. 4 (aus: Let us garlands bring op. 18) | 00:01:49 |
9 | It was a lover and his lass op. 18 Nr. 5 (aus: Let us garlands bring op. 18) | 00:02:31 |
John Ireland | ||
10 | The Three Ravens | 00:03:46 |
Ivor Gurney | ||
11 | By a Bierside | 00:04:12 |
Edward Elgar | ||
12 | Pleading op. 48 Nr. 1 | 00:02:47 |
Ralph Vaughan Williams | ||
13 | The Sky Above the Roof | 00:02:46 |
Arthur Somervell | ||
14 | Loveliest of Trees, the Cherry now (aus: A Shropshire Lad) | 00:02:10 |
15 | When I was one-and-twenty (aus: A Shropshire Lad) | 00:01:03 |
16 | There pass the careless people (aus: A Shropshire Lad) | 00:01:30 |
17 | In summer-time on Bredon (aus: A Shropshire Lad) | 00:03:03 |
18 | The Street sounds to the Soldiers' tread (aus: A Shropshire Lad) | 00:01:54 |
19 | On the idle hill of Summer (aus: A Shropshire Lad) | 00:02:28 |
20 | White in the moon the long road lies (aus: A Shropshire Lad) | 00:03:13 |
21 | Think no more, Lad, laugh, be jolly (aus: A Shropshire Lad) | 00:01:35 |
22 | Into my Heart an Air that kills (aus: A Shropshire Lad) | 00:02:00 |
23 | The Lads in their hundreds (aus: A Shropshire Lad) | 00:02:25 |
Benjamin Britten | ||
24 | Tom Bowling | 00:04:25 |
Ivor Gurney | ||
25 | Dearest, when I am dead | 00:01:37 |
Liza Lehmann | ||
26 | Henry King | 00:02:48 |
Errollyn Wallen | ||
27 | About Here | 00:04:37 |
Wolseley Charles | ||
28 | The Green-eyed Dragon | 00:03:46 |
Interpreten der Einspielung
- James Newby (Bariton)
- Joseph Middleton (Klavier)