Kurt Weill
Symphonies Nos 1 & 2 • Der Silbersee (excerpts)
BIS 2579
1 CD/SACD stereo/surround • 59min • 2021
06.04.2023
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
Kurt Weill (1900-1950) steht längst nicht mehr nur für engagiertes Musiktheater. Seine Instrumentalmusik wird im Konzertsaal und auf Tonträgern mittlerweile ebenso gewürdigt. Herausragend sind da natürlich die beiden Symphonien von 1921 und 1934, die nun der Wiener Komponist und Dirigent HK Gruber mit dem Schwedischen Kammerorchester neu eingespielt hat. Auf der CD präsentiert dieser sich zunächst auch als Chansonnier. Nach der Ouvertüre zum Silbersee folgen aus dem 1933 unmittelbar nach Hitlers Machtergreifung uraufgeführten „Schauspiel mit Musik“ noch die beiden Nummern Der Bäcker backt ums Morgenrot sowie Was zahlen Sie für einen Rat…. Trotz des leichten, unüberhörbaren Wiener Akzents HK Grubers beeindruckt der Künstler einmal mehr mit seinem unvergleichlich idiomatischem und Weills Intentionen auf den Punkt treffenden, hintergründig ironischem Tonfall.
Elegante 2. Symphonie mit typischen Weill-Elementen
Die dreisätzige 2. Symphonie, mit nur doppelter Bläserbesetzung, entstand bereits auf dem Weg ins Exil, ist ganz tonal und folgt gerade im Kopfsatz recht schlichter Periodik und der klassischen Sonatenform. Dennoch gibt es etliche, meist Solo-Einwürfe – etwa der Trompete bereits in der langsamen Einleitung –, die in ihrer überaus fasslichen, songhaften Melodik nicht Weill-typischer sein könnten. Diese und auch den ziemlich virtuosen Streichersatz bewältigt das Schwedische Kammerorchester souverän, kann es an Spielkultur selbst mit den Berliner Philharmonikern unter Mariss Jansons oder der lange unerreichten Darbietung mit dem Leipziger Gewandhausorchester und Edo de Waart aufnehmen. Die Kammerorchesterbesetzung erweist sich sogar als Glücksfall und genau richtig, selbst für die erste Symphonie. HK Gruber bleibt in der Zweiten agogisch einigermaßen unerbittlich, ohne emotional flach zu wirken, besonders im Largo – anfangs eine Art Trauermarsch – funktioniert das recht überzeugend. Und im Finale, das in einer wilden Tarantella endet, in der man immer noch den Einfluss von Weills Lehrer Ferruccio Busoni (Klavierkonzert, 4. Satz) spürt, schlägt er nicht derart über die Stränge wie Jansons. Ebenfalls erkennt er – wie Lahav Shani in seiner 2022 erschienenen Aufnahme; musikalisch gelungen, aufnahmetechnisch leider inakzeptabel – stellenweise eine erstaunliche Nähe zu Schostakowitsch. Dagegen ist Marin Alsops nur auf Schönklang bedachte Einspielung ziemlich langweilig.
Die 1. Symphonie klingt etwas überhetzt
Weills Symphonie in einem Satz entstand schon während des ersten Studienjahrs in Busonis legendärer Berliner Meisterklasse, wurde jedoch erst posthum uraufgeführt. Die Klangsprache ist hier ganz anders: Expressionistisch und harmonisch weitaus elaborierter, erinnert sie eher an Schönbergs 1. Kammersinfonie op. 9 als an einen herkömmlichen Gattungsbeitrag. Der Rezensent war sehr überrascht, dass Gruber hierfür unter 19 Minuten benötigt. Bei de Waart dauert das Stück 25‘44“, bei Alsop fast 27 Minuten. Hier geht Gruber mit seinem Willen, Larmoyanz oder gar Kitsch unbedingt zu vermeiden, dann doch zu weit: Beim Höhepunkt des Schlussteils lässt er wohl deshalb sogar die tiefen Glocken einfach weg. Zwar sind erneut Klangfarben und Durchsichtigkeit – nicht zuletzt mithilfe der mal wieder überragenden Tontechnik – bestechend, aber Grubers Dirigat ist in den langsameren Passagen zu pauschal und uninspiriert, sein Tempo stets deutlich zu treibend. Der Schluss wirkt dadurch unaufrichtig und die Ambivalenz von Weills Vortragsangabe für die letzten drei Takte: Sehr zuversichtlich bei zugleich äußerst düsterem c-Moll berührt so keineswegs. HK Gruber hinterlässt kurz nach seinem 80. Geburtstag mit dieser Weill-Veröffentlichung einen leicht zwiespältigen Eindruck.
Vergleichsaufnahmen: [Symphonien Nr. 1 & 2] Gewandhausorchester Leipzig, Edo de Waart (Philips 434 171-2, 1973); Bournemouth Symphony Orchestra, Marin Alsop (Naxos 8.557481, 2004) – [Symphonie Nr. 2] Berliner Philharmoniker, Mariss Jansons (EMI 7243 5 56573 2 9, 1997); Rotterdam Philharmonic Orchestra, Lahav Shani (Warner 0190295478346, 2017/18).
Martin Blaumeiser [06.04.2023]
Anzeige
Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
---|---|---|
CD/SACD 1 | ||
Kurt Weill | ||
1 | Overture (aus: Der Silbersee (Ein Wintermärchen)) | 00:02:43 |
2 | Der Bäcker backt ums Morgenrot (aus: Der Silbersee (Ein Wintermärchen)) | 00:03:28 |
3 | Was zahlen Sie für einen Rat (aus: Der Silbersee (Ein Wintermärchen)) | 00:05:59 |
5 | Sinfonie in einem Satz | 00:18:56 |
6 | Sinfonie Nr. 2 (Sinfonische Fantasie) | 00:26:24 |
Interpreten der Einspielung
- Swedish Chamber Orchestra (Orchester)
- HK Gruber (Dirigent)