Tugend & Laster
Lieder nach Texten von Wilhelm Busch (1832-1908)
Antes BM319326
1 CD • 36min • 2022
08.03.2023
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
Was die Sängerin und unermüdliche Produzentin Andrea Chudak an den Gedichten Wilhelm Buschs so besonders und musikaffin findet, verrät sie uns im Booklet ihres neuesten Albums nicht. „Zu allen Zeiten vertonten Komponisten Texte angesehener Dichter“, stellt sie lapidar fest, und deshalb käme bei uns niemand an den Texten von Wilhelm Busch vorbei. Das mag eine simpele Begründung sein, Respekt verdient dessen ungeachtet ihre Initiative, vier Komponisten zur Vertonung einiger seiner heiteren und besinnlichen Gedichte bewegt zu haben. Alle vier hatten, teils schon länger, mit ihr zusammengearbeitet und waren deshalb in der Lage, die Gesangsparts für ihre Stimme gleichsam „maßzuschneidern“. Die musikalisch unterschiedlichen Ergebnisse können sich durchweg hören lassen.
Zwischen Einfachheit und Ambition
Der Schweizer Hans Stähli (1950-2021), neben seiner Kompositionsarbeit im Brotberuf Kapellmeister, nähert sich Buschs Witz mit Hilfe von Zitaten und Adaptionen von Formelementen der U-Musik. Die Chudak gewidmeten Acht Lieder für Sopran und Klavier (2001/02) gewinnen durch den partiellen Einsatz eines Kontrabasses eine zusätzliche Farbe. Der Gitarrist Torsten Ratzkowski (Jg. 1954) hat seine Drei Lieder nach Texten von Wilhelm Busch (1985/2013), ursprünglich für eine Mezzosopranistin geschrieben, für die Sopranistin transponiert und dabei den Gitarrensatz komplett neugestaltet. Durch das launig lockere Spiel von Lidiya Naumova kommt dies den Texten wie der Sängerin zugute.
Ambitionierter als Stählis und Ratzkowskis Adaptionen sind die Versuche von Rainer Killius (Jg. 1969) und Regina Wittemeier (Jg. 1956), den Gedichten durch die Musik eine zusätzliche Bedeutungsebene zu erschließen. Bei Killius hat der Einsatz des Akkordeons eine kontrapunktische, hinterfragende, auch verstörende Funktion. Noch weiter geht Wittemeier, indem sie mit der Klarinette eine dem Sopran ebenbürtige Stimme einführt. Ihre Fünf Lieder nach Gedichten von Wilhelm Busch sind die substanzreichsten Kompositionen des Albums – kleine Konzertstücke, die sich gelegentlich von den literarischen Vorlagen emanzipieren. So wird etwa das vierzeilige Epigramm Nörgeln zu einem zweieinhalbminütigen Stimmungsbild. Buschs Humor bleibt aber keineswegs auf der Strecke. Besonders in dem Lied Der Esel, wo dessen I-A durch die Klarinette plastisch hervorgehoben wird. Dem brillanten wie klangschönen Spiel von Matthias Badczong könnte man noch lange über die fünf Lieder hinaus zuhören. Die Initiatorin und Gesangs-Interpretin Andrea Chudak fühlt sich nicht nur in diesem Zyklus hörbar wohl und zeigt sich insgesamt variabel im Ausdruck.
Ein Hinweis für Busch-Verehrer: Er war nicht nur ein genialer Zeichner und Poet (und daneben ein verkannter Kunstmaler), er hatte auch eine Beziehung zur Musik, gelegentlich sogar Opernlibretti geschrieben. Sein Singspiel Der Vetter auf Besuch mit der Musik seines damals sehr geschätzten Freundes Georg Kremplsetzer (1827-1871) könnte eine Veröffentlichung auf CD lohnen.
Ekkehard Pluta [08.03.2023]
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Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
---|---|---|
CD/SACD 1 | ||
Hans Stähli | ||
1 | Die Weltabschaffung | 00:00:39 |
Torsten Ratzkowski | ||
2 | Die Seelen (aus Drei Lieder nach Texten von Wilhelm Busch) | 00:02:42 |
3 | Noch zwei? (aus Drei Lieder nach Texten von Wilhelm Busch) | 00:01:41 |
4 | Der Kohl (aus Drei Lieder nach Texten von Wilhelm Busch) | 00:02:50 |
Regina Wittemeier | ||
5 | Eitelkeit (aus Fünf Lieder nach Gedichten von Wilhelm Busch) | 00:02:59 |
6 | Die Schadenfrohe (aus Fünf Lieder nach Gedichten von Wilhelm Busch) | 00:02:46 |
7 | Früher, da ich unerfahren (aus Fünf Lieder nach Gedichten von Wilhelm Busch) | 00:02:23 |
8 | Nörgeln (aus Fünf Lieder nach Gedichten von Wilhelm Busch) | 00:02:34 |
9 | Der Esel (aus Fünf Lieder nach Gedichten von Wilhelm Busch) | 00:02:43 |
Rainer Killius | ||
10 | Ich kam in diese Welt hinein (aus Drei Lieder nach Gedichten von Wilhelm Busch) | 00:01:49 |
11 | Es saß ein Fuchs im Walde tief (aus Drei Lieder nach Gedichten von Wilhelm Busch) | 00:01:27 |
12 | Scheint dir auch mal das Leben rauh (aus Drei Lieder nach Gedichten von Wilhelm Busch) | 00:01:34 |
Hans Stähli | ||
13 | Kopf und Herz (aus Acht Lieder für Sopran und Klavier nach Gedichten von Wilhelm Busch) | 00:00:55 |
14 | Tugend und Laster (aus Acht Lieder für Sopran und Klavier nach Gedichten von Wilhelm Busch) | 00:00:51 |
15 | ... Vielleicht (aus Acht Lieder für Sopran und Klavier nach Gedichten von Wilhelm Busch) | 00:00:56 |
16 | Die Affen (aus Acht Lieder für Sopran und Klavier nach Gedichten von Wilhelm Busch) | 00:01:52 |
17 | Freunde (aus Acht Lieder für Sopran und Klavier nach Gedichten von Wilhelm Busch) | 00:01:03 |
18 | Humor (aus Acht Lieder für Sopran und Klavier nach Gedichten von Wilhelm Busch) | 00:01:16 |
19 | Die drei Tanten (aus Acht Lieder für Sopran und Klavier nach Gedichten von Wilhelm Busch) | 00:01:35 |
20 | Die Selbstkritik (aus Acht Lieder für Sopran und Klavier nach Gedichten von Wilhelm Busch) | 00:01:05 |
Interpreten der Einspielung
- Andrea Chudak (Sopran)
- Laura Andrés (Mezzosopran)
- Matthias Badczong (Klarinette)
- Peter Inagawa (Kontrabass)
- Yuki Inagawa (Klavier)
- Rainer Killius (Klavier)
- Lidiya Naumova (Gitarre)
- Christine Paté (Akkordeon)