Swiss Piano Music
Arthur Honegger • Frank Martin
Jérémie Conus

Prospero PROSP0043
1 CD • 70min • 2021
13.11.2022
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
Ungewöhnlich für eine Debüt-CD, hat der junge schweizerische Pianist Jérémie Conus – dort Preisträger mehrerer nationaler Wettbewerbe – zwei Komponisten gewählt, deren Klavierwerk stets im Schatten anderer Gattungen stand: Arthur Honegger (1892-1955) und Frank Martin (1890-1974). Dass man hier erneut Honegger als Schweizer Komponisten vereinnahmt, hat Tradition, darf aber in Frage gestellt werden. Geboren wurde Arthur in Le Havre. Die Eltern stammten zwar aus Zürich; abgesehen von zwei frühen Studienjahren dort und der allerdings für den Komponisten so wichtigen Unterstützung durch den Dirigenten und Mäzen Paul Sacher, lag Honeggers Lebensmittelpunkt jedoch die längste Zeit in Frankreich. Zudem gehörte er in Paris zur legendären Group des Six.
Unterschätztes Klavierschaffen Honeggers
Das Klavierwerk beider Komponisten ist nicht sonderlich umfangreich – und Conus hat sich für das 70-minütige Album natürlich die Rosinen herausgepickt, die es allerdings musikalisch in sich haben. Bei Honegger – alle hier dargebotenen Werke entstanden zwischen 1915 und 1920 – schafften es lediglich die Sept pièces breves in den Unterricht für aufgeschlossene Klavierschüler. Die Miniaturen mit einer Gesamtlänge von kaum acht Minuten sind hochwertigste Kleinode, abwechslungsreich und von enormer struktureller und emotionaler Klarheit. Jérémie Conus zeigt schon hier, wie genau er seine Klangarchitektur innerlich vorbereitet hat und sie dann eindrucksvoll umzusetzen versteht. Die dynamischen Feinheiten verleihen seinem Spiel ungemeine Klangschönheit und bestechende Direktheit der Charakterisierung: Wildheit und Zartheit wechseln einander ab – hinreißend das letzte Stück (Violent), das mit seiner rhythmischen Prägnanz so auch von Villa-Lobos stammen könnte. Noch eindringlicher die drei 1921 veröffentlichten Stücke: Prélude, Hommage à Ravel und Danse, deren Nerv der Pianist auf den Punkt trifft. Virtuoser, zugleich jedoch ein wenig akademisch wirken die Toccata e variations mit ihrem verhaltenen Schluss.
Meisterhafte Préludes von Frank Martin
Von Frank Martins Klavierwerken überzeugen ebenfalls am meisten die relativ kurzen Acht Préludes von 1947/48: Auch hier wechseln sich langsame Stücke von außerordentlichem Tiefgang – das siebte Prélude dauert immerhin gut 7 Minuten – und spritzige, rasche Sätze ab. Conus ist bei dieser Musik absolut in seinem Element: Die Genauigkeit, mit denen hier die musikalische Entwicklung bis ins letzte Detail nachvollzogen wird, ist faszinierend und den wenigen Konkurrenzaufnahmen klar überlegen. Bei den schnellen Stücken scheut sich der Pianist nicht, die Tempi sehr weit auszureizen, bleibt dabei stets bombensicher, so dass die Musik ihre teils obsessive Wirkung nicht verfehlen kann. Erst kurz vor seinem Tod schrieb Martin die etwa viertelstündige Fantaisie sur des rythmes flamenco: Obwohl an den rhythmischen Modellen beiderseits des Atlantiks orientiert, ist dies keinesfalls ein nostalgisch-folkloristischer Rückblick, sondern ganz eigenständige tänzerische Musik – schwerblütig und mit eher tragischer Dramaturgie. Conus kongeniales Verständnis über das gesamte Album macht die weitgehend unbekannte Musik zu einer echten Entdeckung für die Hörer. Aufnahmetechnisch hervorragend und mit einem interessanten Interview ist dieses CD-Debüt eine runde Sache, die einfach nur Freude bereitet.
Martin Blaumeiser [13.11.2022]
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Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
---|---|---|
CD/SACD 1 | ||
Arthur Honegger | ||
1 | Toccata et variations | 00:14:20 |
3 | Sept Pièces brèves | 00:07:38 |
10 | Prélude | 00:03:58 |
11 | Hommage à Ravel | 00:03:15 |
12 | Danse | 00:01:51 |
Frank Martin | ||
13 | Fantaisie sur des Rythmes Flamenco | 00:14:13 |
14 | 8 Préludes pour le piano | 00:24:35 |
Interpreten der Einspielung
- Jérémie Conus (Klavier)