Rachmaninoff Stories
Mathis Rochat • Erdem Misirlioglu
Prospero PROSP0032
1 CD • 65min • 2021
05.11.2022
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
Klassik Heute
Empfehlung
Zwar hat Sergei Rachmaninow bekanntlich keine Musik für solistische Viola hinterlassen, wohl aber eine Reihe von Werken für Cello, insbesondere die große Sonate op. 19. Nicht zuletzt vor dem Hintergrund der engen Verwandtschaft beider Instrumente liegt es daher nahe, diese Stücke auf die Viola zu übertragen. Zusammen mit einigen weiteren kürzeren Werken (neben den beiden Cellostücken op. 2 vor allem Bearbeitungen von Liedern) hat der junge aus Genf stammende Bratschist Mathis Rochat auf diese Weise ein ganzes Album mit seinen eigenen Rachmaninow-Arrangements für Viola zusammengestellt.
Volle, sonore Klanglichkeit, glutvolle Interpretationen
Rochats Bearbeitungen zeichnen sich besonders dadurch aus, dass er sich weitgehend an der originalen Tonhöhe orientiert – da Rachmaninows Cellosonate von Kantilenen in mittleren bis höheren Lagen durchzogen ist, die sich also im Tonumfang der Viola bewegen, ist dies über weite Strecken kein größeres Problem. Es ist vor allem das Scherzo der Sonate, das besonders die tiefen Lagen des Cellos einsetzt; hier jedoch lässt sich die Musik ohne Probleme auch eine Oktave höher auf der Viola (und damit erneut auf den tiefen Saiten des Streichinstruments, was die Charakteristik der Musik wahrt) wiedergeben. Überhaupt spielen in Rochats Arrangements der Cellowerke die tiefen Lagen seines Instruments naturgemäß eine wesentliche Rolle (da sie ja den mittleren Lagen des Cellos entsprechen), sodass die Musik vor einer ganz hinreißenden vollen, satten, sonoren Klanglichkeit geprägt wird. All dies bringt Rochats üppiges, Rachmaninows große Melodiebögen intensiv nachvollziehendes und auskostendes, auch gelegentliche Portamenti mit einbeziehendes Spiel vorzüglich zur Geltung, glutvolle, romantische, von melancholischem Schwelgen erfüllte Interpretationen.
Klug gestaltete Arrangements
Dabei ist Rochat stets auch ein dezidiert mitdenkender und gestaltender Arrangeur und Interpret, was sich insbesondere dann zeigt, wenn er vom Prinzip der gleichen Tonhöhe abweicht und zum Beispiel Situationen, in den Rachmaninow mit Echo- oder Antworteffekten über verschiedene Oktaven hinweg spielt, entsprechend berücksichtigt (z.B. im Finale mit der aus dem ersten Thema gewonnenen triolischen Figur, erstmals zu hören kurz vor Beginn des zweiten Themas). Auch an den Stellen, in denen eine Oktavierung unumgänglich ist, beweist Rochat Verständnis für die musikalische Charakteristik. Exemplarisch ist hier die Passage ab T. 15 in der Danse Orientale op. 2 Nr. 2 zu nennen: hier liefert im Original das Cello im Pizzicato den Bass zu der in Oktaven geführten Melodie im Klavier. Dies kann auf der Viola nicht entsprechend dargestellt werden, und so entscheidet sich Rochat hier nicht für eine schlichte Übertragung, sondern spielt die Passage col legno, was den Basscharakter durch eine leicht perkussive, die orientalischen Atmosphärik unterstreichende Note ersetzt.
Intimeres Klangbild in den Liedern, capricenhafte Virtuosität
Ganz anders die Liedbearbeitungen (insbesondere op. 21 Nr. 7 sowie op. 38 Nr. 3&5, nicht so sehr bzw. nur teilweise im Falle der Vokalise): hier orientiert sich Rochat an der Sopranstimme, was ein in Vergleich zu den Cellowerken deutlich verändertes, intimeres Klangbild ergibt. Schließlich enthält die CD noch Auszüge aus Rachmaninows Präludien für Klavier op. 23. Das vierte wird (unbearbeitet) von Rochats Klavierpartner Erdem Mısırlıoğlu dargeboten, der Rochat ein durchweg subtiler, einfühlsam dialogisierender, das Soloinstrument mit den in der Regel üppigen Klavierparts nicht überdeckender Begleiter ist. Das fünfte Präludium hat Rochat für Viola solo arrangiert (und dabei nach c-moll transponiert). In der Trackliste wird es als ein eigenes Werk Rochats mit dem Titel Capriccio über ein Thema von Rachmaninow gelistet, was allerdings irreführend ist, denn obschon es sich bei diesem Arrangement sicherlich um das aufwendigste und am weitesten vom Original entfernte auf der CD handelt, folgt es dennoch Takt für Takt der Vorlage; eine gelungene, ausgesprochen virtuose (insofern macht die Umbenennung in Capriccio mit Blick auf Paganini übrigens durchaus Sinn) und einfallsreiche (Mittelteil!) Adaption.
Eine vorzügliche Neuerscheinung
Das Beiheft bietet neben kurzen Einführungen zu den hier versammelten Werken auch ein kleines Interview mit Mathis Rochat zu den Hintergründen dieses Albums. Der Klang ist ausgezeichnet, die Präsentation – wie stets beim ja noch sehr jungen Label Prospero – sehr liebevoll. Eine vorzügliche Neuerscheinung.
Holger Sambale [05.11.2022]
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Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
---|---|---|
CD/SACD 1 | ||
Sergej Rachmaninow | ||
1 | Prélude F-Dur op. 2 Nr. 1 | 00:03:17 |
2 | Danse orientale op. 2 Nr. 2 | 00:05:06 |
3 | Sonate g-Moll op. 19 für Violoncello und Klavier | 00:34:06 |
8 | Hier ist es schön op. 21 Nr. 7 | 00:01:52 |
9 | Gänseblümchen op. 38 Nr. 3 | 00:02:09 |
10 | Ein Traum op. 38 Nr. 5 | 00:03:26 |
Mathis Rochat | ||
11 | Capriccio für Viola (über ein Thema von Rachmaninow) | 00:04:08 |
Sergej Rachmaninow | ||
12 | Vocalise e-Moll op. 34 Nr. 14 | 00:05:47 |
Interpreten der Einspielung
- Mathis Rochat (Viola)
- Erdem Misirlioglu (Klavier)