Carl Loewe
Symphonies 1 & 2, Overture Themisto
cpo 555 319-2
1 CD • 59min • 2019
05.09.2022
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
Wer kennte nicht seine Uhr, Archibald Douglas, den Erkönig und so manche andere Ballade. Dass Carl Loewe auch zwei Sinfonien geschrieben hat, die merkwürdigerweise bis zum Jahre 2018 auf ihren Erstdruck warten mussten, ist jedoch eine Neuheit. Beide Werke entstanden um 1834/35 und geben in ihrer durchaus balladesken Melodik einen Vorgeschmack auf die späteren „sinfonischen Dichtungen“ der Neudeutschen. Sollten sie eventuell ein Reflex auf die Sinfonie phantastique von Hector Berlioz gewesen sein, von der Loewe durch die Klavierbearbeitung Franz Liszts durchaus Kenntnis gehabt haben könnte?
Konzertante Balladen
Beide Sinfonien sind außergewöhnlich dramatische Stücke in der Art eines Zyklus‘ kontrastierender Balladen (Der Mohrenfürst, Gregor auf dem Stein). Sicherlich hat Loewe zu wenig mit Aufführungen zwecks Korrekturen experimentieren können. Das handschriftliche Stimmenmaterial enthält bereits einige – allerdings verwirrendend inkonsistente – Korrekturen. Auffallend ist die Behandlung der Holzbläser, denen ausgesprochen virtuos-konzertante Passagen zuteil werden. Das hat durchaus etwas von einer nicht konsequent durchgehaltenen „Sinfonia concertante“ und könnte auf die Ouvertüren Gioacchino Rossinis zurückgehen, in denen ja die Solobläser ebenfalls mit angsteinflößenden – und beim Probespiel gern abgefragten – Passagen bedacht sind.
Beiden Werken ist – wohl aufgrund der Ostsee-Nähe – der nordische Ton des Herrn Oluf zu eigen. Sie antizipieren damit bereits die Sinfonien von Niels-Wilhelm Gade, der sie allerdings nicht kennen konnte. Ob Beethoven hier Vorbildcharakter hatte, ist eher nicht anzunehmen. Dafür liegt der Akzent zu stark auf dem Melodischen und der instrumentatorischen Klangphantasie, wenngleich Fugati – Loewe war im Hauptamt Kirchenmusiker – nicht fehlen. Im Vergleich zu den beiden letzten Sinfonien Franz Schuberts fehlt es ihnen an Tiefgang und an der großräumigen Disposition von dessen letzter in C-Dur. Den Sinfonien von Felix Mendelssohn und Carl Czerny dürften sie ebenbürtig sein, wenngleich sich diese stärker der sinfonischen Konvention verpflichtet fühlen. Allerdings hätten sich beide wohl nicht getraut, dem Finale der d-Moll-Sinfonie eine Introduktion in Fis-Dur voranzustellen und in dessen Allegro die Pauke thematisch zu verwenden. Auch das Scherzo ist äußerst originell als Mischung aus Reitermarsch und Tarantella konzipiert.
Tempi an der Grenze des Machbaren
Leider geraten Simon Gaudenz und die Jenaer Philharmonie in dieser – wohl als später Beitrag zum Loewe-Jahr 2019 gedachten und im selben Jahr entstandenen – Aufnahme aufgrund zu häufig zu schneller und dann gnadenlos durchgehaltener Tempi an ihre Grenzen. Muss man die Holzbläser bei ihren virtuosen Kaskaden derart scheuchen? Dies führt insgesamt zu mangelnder Präzision. Hier hätte eine Betonung des gesanglichen Elements Abhilfe schaffen können. Am besten gelingt noch die Zugabe der kurzen Ouvertüre zu Themisto. Die Aufnahmetechnik ist ebenfalls nicht hilfreich, da sie das Orchester aus zu großer Entfernung abbildet. Gut und informativ hingegen der Booklet-Text von Dorit Schleissing
.Fazit: Aus diesen attraktiven Werken hätte man noch mehr machen können. Die Musik geht ins Ohr, hat Spannung, macht Spaß. Deshalb sollte man sich trotz der oben angeführten Punkte dieses Hörvergnügen nicht versagen.
Thomas Baack [05.09.2022]
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Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
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CD/SACD 1 | ||
Carl Loewe | ||
1 | Sinfonie d-Moll | 00:28:16 |
5 | Sinfonie e-Moll | 00:25:58 |
9 | Themisto (Ouvertüre) | 00:04:23 |
Interpreten der Einspielung
- Jenaer Philharmonie (Orchester)
- Simon Gaudenz (Dirigent)