Romeo y Julieta
Joaquin Alem New Tango Group

Calygram 4251344704741
1 CD • 63min • 2022
19.08.2022
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
Shakespeares Tragödie Romeo und Julia als imaginäres Tanz-Theater ohne Text, wo allein Musik und Bewegung die ganze Handlung mit Emotion und Leidenschaft erzählt? Dieses Unterfangen ist zwar naheliegend und hat schon einige Komponisten inspiriert. Und da ist auch durchaus eine Lesart in der Diktion des Tango vorstellbar. Der Komponist Joaquin Alem hat sich auf dieser Aufnahme für das Label Calygram des Themas angenommen und seinem hervorragenden Kammerensemble, der New Tango Group, die Story auf den Leib geschrieben.
Astor Piazzolla gibt viele eindeutige musikalische Formen schon vor, da liegt die Versuchung nahe, in Stereotypen zu erstarren. Um hier den entscheidenden Schritt weiter zu gehen, legt man den tiefsten Wesenskern in Piazzollas Musik schonungslos frei oder man emanzipiert sich und bringt genug eigene kompositorische Fantasie ins Spiel. Die acht Stücke der neu entstandenen Suite Romeo y Julieta sowie eine zweiteilige Hommage an das große Idol und dessen Wirkungsstätte Buenos Aires zeigen, dass Joaquin Alem und seinem Ensemble beides gut gelingt.
Kontrastreich durchmessen die Stücke der Suite die Episoden und Gefühls-Wechselbäder dieser wohl berühmtesten tragischen Lovestory. Melancholische absteigende Sequenzen durchbrechen die stationären Borduntöne des Bandoneons, bevor dieses, vorangetrieben durch fordernde Klavierimpulse sein Klagelied beginnt. So definiert der Tango Nuevo die musikalischen Rollen. Die Streicher dieser Besetzung verweben den Teppich der Emotionen noch umfassender, so dass es oft wesentlich orchestraler als in einer Quintettbesetzung anmutet. Das heißt, dass Joaquin Alem, selbst gebürtiger Argentinier, der seit 2013 in Oldenburg lebt, ein äußerst treffsicherer Umgang mit Instrumentierung eigen ist.
Mehr als „nur“ Tango Nuevo...
In diesem Sinne spielen Joaquin Alem (Bandoneon), Agnes Izdebska-Goraj (Violine), Petia Rousseva (Viola), Akiko Kapeller (Klavier) und Jochen Zillessen (Kontrabass) mit ganzer Seele auf. Kraftvoll pulsiert das Metrum, grollen die tiefen Pianoregister, beben die Streicher-Tremoli und erhebt sich ein stolzes Melos. Und die Stücke aus Romeo y Julieta scheren auch immer fantasievoll aus der Bahn eines strikten Tango Nuevo aus. Sie gönnen sich die leichtfüßige Textur, atmen mit so mancher polyphonen und chromatischen Struktur den Geist der Gegenwart, leisten sich (natürlich, so will es ja dieses Sujet!) Ausflüge ins lyrisch-balladeske und manchmal auch in jazzaffine Klänge. Das alles macht diese Komposition von Joaquin Alem so erfrischend universell und zugänglich.
Mitreißender Schlusspunkt
Danach setzen die Musikerinnen und Musiker mit ihrem kraftvollen Bandoneonisten in ihrer Mitte noch einen mitreißenden Schlusspunkt. Die Música contemporánea de la ciudad de Buenos Aires bietet ein schwungvolles Finale voll pulsierender, aber auch immer sinfonisch ausgebreiteter Tango-Nuevo-Stilistik, in leuchtenden Klangfarben, von denen die vorbildlich transparente Aufnahmequalität keine Nuance vorenthält….
Stefan Pieper [19.08.2022]
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Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
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CD/SACD 1 | ||
Joaquín Alem | ||
1 | Romeo y Julieta (1. Teil) | 00:31:55 |
9 | Música contemporánea de la ciudad de Buenos Aires (1. Teil. Hommage an Astor Piazzolla) | 00:13:02 |
Interpreten der Einspielung
- Joaquín Alem (Bandoneon)
- Agnes Izdebska-Goraj (Violine)
- Petia Rousseva (Viola)
- Akiko Kapeller (Klavier)
- Jochen Zillessen (Kontrabass)