Georg Christoph Wagenseil
Trios for Flute, Violin and Bass
cpo 555 406-2
1 CD • 57min • 2020
15.08.2022
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
Klassik Heute
Empfehlung
Das Ensemble Klingekunst präsentiert auf seiner neusten CD die Ersteinspielung von sieben Werken aus einer Sammlung von 17 Triosonaten für Flöte, Violine und Basso continuo von Georg Christoph Wagenseil, die jüngst in Brescia entdeckt wurde. Damit vertieft es unsere Kenntnisse über den Stand „galanten“ Komponierens in Wien, einer Stilrichtung, die wir gemeinhin mit dem späteren Telemann und den Bach-Söhnen – also mit Hamburg und Berlin verbinden. Gut so! Denn lange war die Zeit zwischen Barock und Klassik nach dem Motto „nicht mehr Bach oder Händel, aber auch noch nicht Mozart“ als uninteressant verschrien, sodass man die damaligen europäischen Zelebritäten meinte, zu Kleinmeistern degradieren zu dürfen.
Ein Vielseitiger mit Phantasie und Humor
Der Wiener Georg Christoph Wagenseil (1715-1777) erhielt seine Ausbildung an der kaiserlichen Hofkapelle durch Gottlieb Muffat (wohl hauptsächlich an Clavier und Orgel) und den bedeutenden Kontrapunkt-Theoretiker Johann Joseph Fux. Er wurde 1739 zum „Hofkompositor“ ernannt und wurde später zusätzlich Hofklaviermeister, mit der Aufgabe, die Kinder Maria-Theresias – darunter Marie Antoinette – im Clavierspiel zu unterweisen, sowie ab 1750 Hoforganist. Sein Schaffen deckt sämtliche Genres von der Oper (auf Texte des Hofpoeten Pietro Metastasio, darunter La Clemenza die Tito) über Oratorium und Messe bis hin zu Instrumentalkonzert und Solosonate ab. Dabei hat er eine Vorliebe für ausgefallene Besetzungen wie 3 Celli+Kontrabass oder 4 Cembali ohne Orchester.
Trios mit Tiefgang, Witz und Laune
Die hier eingespielten Trios sind – legt man Stilkriterien zugrunde – wohl um 1740 entstanden. Sie sind durchweg dreisätzig in der italienischen Form schnell-langsam-schnell, d.h. die Berliner Stretta-Form (langsam-schnell-noch schneller) spielt hier (noch) keine Rolle. Beide Oberstimmen sind gleichwertig behandelt, die Melodik ist ausgesprochen charmant und individuell. Manche Sätze sprühen geradezu vor – dem später Haydn attestierten – Humor (Track 21). Langsame Sätze haben Tiefgang. Das Trio 9 in g-moll (Track 4-6) kann sich in Melancholie und Drama durchaus mit C. P. E. Bach messen.
Vorbildliche Interpretation
Sieglinde Größlinger, Dimitris Karakantas, Pavel Serbin und Maja Mijatovi erweisen sich als ideale Anwälte dieser entzückenden Trios. Hier stimmt alles: Intonation vorbildlich, was bei Es-Dur auf dem Traverso beileibe nicht unerwähnt bleiben darf, Phrasierung mustergültig, Auszierungen phantasievoll, Klangmischung exzellent. Das kann man wahrlich nicht eleganter, schwungvoller, intelligenter und klangschöner musizieren!
Der ungemein detaillierte Booklet-Text von Dagmar Glüxam beleuchtet den Affektgehalt der einzelnen Sätze, bietet geradezu ein Proseminar zur Affektenlehre des galanten Stils und hätte bei schlechterem musikalischen Material zur Aufwertung führen müssen. Die Technik sorgt für ein rundes, immer gut durchhörbares, allerdings die Flöte leicht bevorzugendes Klangbild.
Fazit: Eine rundum gelungene, mustergültige Einspielung von Werken der sogenannten „Vorklassik“. Die hinreißenden Werke verdienen es unbedingt, in einem Verlag zu erscheinen. Definitive Empfehlung mit Vormerkung für die Jahresbestenliste.
Thomas Baack [15.08.2022]
Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
---|---|---|
CD/SACD 1 | ||
Georg Christoph Wagenseil | ||
1 | Trio Nr. 17 D-Dur für Flöte, Violine und B.c. | 00:08:46 |
4 | Trio Nr. 9 G-Dur für Flöte, Violine und B.c. | 00:08:16 |
7 | Trio Nr. 4 g-Moll für Flöte, Violine und B.c. | 00:06:53 |
10 | Trio Nr. 6 G-Dur für Flöte, Violine und B.c. | 00:07:55 |
13 | Trio Nr. 10 B-Dur für Flöte, Violine und B.c. | 00:09:26 |
16 | Trio Nr. 1 F-Dur für Flöte, Violine und B.c. | 00:06:27 |
19 | Trio Nr. 7 Es-Dur für Flöte, Violine und B.c. | 00:08:17 |
Interpreten der Einspielung
- Ensemble Klingekunst (Ensemble)