Misho Kandashvili
plays Prokofiev, Mosolov, Kancheli, Balanchivadze
Thorofon CTH2677
1 CD • 60min • 2022
04.06.2022
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
Der Pianist Misho Kandashvili (Jahrgang 1993) studierte in seiner Geburtsstadt Tiflis, ab 2012 dann in Wien und spielt auf seiner Debüt-CD ein Programm mit Werken georgischer und russischer Komponisten. Erfreulich, dass hier neben dem ja gerade in Deutschland häufig aufgeführten Giya Kantscheli auch Musik weniger bekannter Autoren Georgiens erklingt, die durchgehend hohes musikalisches Niveau besitzt.
Georgische Miniaturen mit breitem Ausdrucksspektrum
Direkt überzeugen kann die Auswahl von acht der 12 romantischen Stücke von Andria Balanchivadze (1906-1992), Bruder des später als George Balanchine legendär gewordenen Ballettchoreografen. Der Titel täuscht, insofern als diese Miniaturen durchaus den Titeln folgende Stimmungsbilder darstellen, Klaviersatz und Harmonik aber bereits spätromantische Vorbilder weit hinter sich lassen. Gefällig und im Detail sorgfältig gearbeitet sind das Poem des nicht zu unterschätzenden Symphonikers Otar Taktakishvili (1924-1989) sowie das Nocturne von Vaja Azarashvili (Jg.1936). Kandashvilis Darbietung ist klanglich schön, besonders seine feinen Pedalisierungen, und emotional zu jeder Zeit nachvollziehbar; bei Meri Davitashvilis (1924-2014) georgischem Tanz Khorumi mit wirkungsvollem, betont rhythmischem Fundament ein wenig zu gebändigt.
Nostalgie pur bei Kantscheli und Schnittke
Noch mehr scheint dem georgischen Pianisten allerdings die pure Nostalgie von Kantschelis Miniaturen zu liegen, die dessen Qualitäten als Filmkomponist aufgreifen. Das hört sich an wie verträumte Improvisationen eines Barpianisten, unterschwellig schon beinahe ironisch, dabei hochsensibel; trotz der offenkundigen Einfachheit wohl der Höhepunkt der CD. Ähnlich gelagert sind die frühen Préludes des damals erst 19-jährigen Alfred Schnittke – noch ganz unter dem Einfluss der Musik Schostakowitschs. Hier kann man die spätere Polystilistik seiner postmodernen Schreibweise kaum erahnen.
Massiver Mossolow, unterbelichteter Prokofjew
Bei den beiden einsätzigen russischen Sonaten setzt sich Misho Kandaschvili naturgemäß einer weitaus größeren Konkurrenz aus: Mossolows 1925 avantgardistische, kompromisslose 4. Sonate gerät massiv, wobei die Präzision des Zusammenspiels von Akkorden beeindruckt, die vom Komponisten intendierte Stimmführung jedoch nicht immer verstanden und entsprechend umgesetzt wird. Der Gesamtverlauf ist immerhin stringent, die Wahl der permanent wechselnden Tempi in Ordnung. Geoffrey Douglas Madge oder Daniele Lombardi – der etwas zu langsam ist – bringen die Strukturen weitaus deutlicher zum Vorschein. Eindeutig schwächer leider Prokofjews 3. Sonate: Manuell ist Kandashvili dem Werk gewachsen, aber vom Anschlag wirkt er doch zu pauschal; der Verlauf wichtiger Mittelstimmen wird öfters unterschlagen. Wieviel differenzierter das heutzutage ginge, hat zuletzt etwa Alexandra Silocea gezeigt, von der hochintensiven Ausdruckskraft eines Andrei Gawrilow ganz zu schweigen. Der Booklettext ist knapp und wenig einfallsreich, die Aufnahmetechnik insgesamt gut. So dürften zumindest die georgischen Werke das Interesse der Klaviergemeinde wecken.
Vergleichsaufnahmen: [Prokofjew] Alexandra Silocea (Avie AV2183, 2010); Andrei Gawrilow (DG 459 312-2, 1991) – [Mossolow] Daniele Lombardi (Cantus Classics CACD 8.00104 D, 1990); Geoffrey Douglas Madge (Dante PSG 9118, 1991).
Martin Blaumeiser [04.06.2022]
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Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
---|---|---|
CD/SACD 1 | ||
Andria Balanchivadze | ||
1 | Greetings | 00:01:48 |
2 | Our Conversation | 00:02:15 |
3 | Hopes | 00:01:14 |
4 | Declaration | 00:03:04 |
5 | Blissful evening | 00:02:56 |
6 | Delight | 00:01:08 |
7 | Enlightenment | 00:02:39 |
8 | Our way | 00:01:28 |
Otar Taktakischwili | ||
9 | Poem | 00:04:57 |
Meri Davitashvili | ||
10 | Khorumi (Georgischer Tanz) | 00:03:44 |
Giya Kancheli | ||
11 | The Eccentrics | 00:01:21 |
12 | Khanuma | 00:01:01 |
13 | The Blue Mountains | 00:00:56 |
14 | When Almonds Blossomed | 00:02:17 |
Vaja Azarashvili | ||
15 | Nocturne | 00:03:30 |
Alexander Mosolov | ||
16 | Klaviersonate Nr. 4 op. 11 | 00:11:48 |
Alfred Schnittke | ||
17 | Prelude (Moderato) | 00:02:10 |
18 | Prelude (Presto) | 00:01:41 |
19 | Prelude (Lento) | 00:02:41 |
Sergej Prokofjew | ||
20 | Klaviersonate Nr. 3 a-Moll op. 28 | 00:07:36 |
Interpreten der Einspielung
- Misho Kandashvili (Klavier)