Musik in Thüringen zur Beethovenzeit
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1 CD • 55min • 2020
09.04.2022
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Gesamteindruck:
Vor 1918 wäre mancher rüstige Fürst eines thüringischen Kleinfürstentums möglicherweise in der Lage gewesen, sein Staatsgebiet innerhalb eines oder weniger Tage zu Fuß zu umrunden; dennoch haben diese Kleinstaaten der deutschen Kulturgeschichte unschätzbare Reichtümer hinzugefügt – man denke nur an das Wirken Goethes und Schillers in Weimar. Auch das Fürstentum Reuß jüngere Linie mit seiner Hauptstadt Gera war kein unbedeutender Ort deutscher Kulturpflege: Heinrich Schütz, der Stadt primär durch seines Vaters Amt als Stadtschreiber von Gera verbunden, schrieb seine Musikalischen Exequien 1636 für die Grablegung von Heinrich Postumus Reuß, dem damaligen Herrn über die südthüringischen Lande der Familie Reuß jüngerer Linie, die das Land bis 1918 regierte. Die Musikpflege in den thüringischen Staaten hörte nicht auf, und so präsentiert das Reussische Kammerorchester Gera/Altenburg auf der vorliegende CD Werke der Beethovenzeit, die zu Thüringen im Verhältnis stehen.
Kulturzentren des 19. Jahrhunderts
Den thüringischen Staaten, so klein sie auch waren, bescherte die Auflösung des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation 1806 wie allen anderen Staaten innerhalb dieses maroden Staatskörpers die Souveränität. Sie wurden zu wichtigen Trägern der kulturellen Entwicklung in einem politisch zersplitterten Deutschland – mühsam zusammengehalten durch die Klammer des Deutschen Bundes, dessen politische Bühne am Tagungsort Frankfurt sich bald als Haupthandlungsort des österreichisch-preußischen Konflikts herausstellen sollte. Durch die Wirksamkeit von Goethe und Schiller in Weimar kam Thüringen mit dem Herzogtum Sachsen-Weimar zweifellos eine kulturelle Vorreiterrolle für die Entwicklung eines deutschen kulturellen Nationalbewusstseins im Laufe des 19. Jahrhunderts zu, die auf die kleinen Nachbarstaaten abfärbte.
Musik höchsten europäischen Ranges
Luigi Cherubini (1760-1842) war zu Lebzeiten einer der wichtigsten Protagonisten des europäischen Musiklebens – Ludwig van Beethoven betrachtete ihn als größten dramatischen Komponisten seiner Zeit. Wenn auch Cherubinis Bedeutung als Komponist im Laufe des 19. Jahrhunderts verblasste, eröffnet die Ouvertüre zu seiner Oper Fanisca dieses Programm wirkungsvoll und charakterisiert seinen Rang als bedeutender Komponist seiner Zeit.
Ludwig van Beethovens erste Sinfonie unterstreicht die immense Bedeutung, die der Komponist bald nach dem außerordentlichen Erfolg der Uraufführung dieser Sinfonie in Wien am 2. April 1800 in der deutsch-österreichischen Musikszene einnahm. Ihr Bezug auf die sinfonischen Vorbilder Haydn und Mozart sowie der Geist des Aufbruchs, der von dem Werk ausstrahlte, machte es augenblicklich zu einem Fanal der neuen Zeit in der Musik des frühen19. Jahrhunderts.
Gleichwertige Wiederentdeckungen
Franz Seraph Destouches (1772-1844) war ein Sohn des bayerischen Hofkammerrats Joseph des Touches, seine Familie stammte ursprünglich aus Savoyen und wurde 1787 ins Münchner Patriziat aufgenommen, sein Großvater war bereits als Kammerdiener am bayerischen Kurfürstenhof tätig – somit ist er trotz seines französischen Namens als eine wichtige Facette der Musik am bayerischen Kurfürsten- bzw. Königshof zu betrachten. Seine Ouvertüre zum Schauspiel „Die Hussiten vor Naumburg im Jahr 1432“ ist ein Beispiel für die heroische Theatermusik zu Beginn des 19. Jahrhunderts.
Das Fagottkonzert Nr. 1 von Johann Christian Heinrich Rinck (1770-1846) erfährt hier seine erste Aufführung im gegenwärtigen Musikleben – es ist insofern die Wiederentdeckung dieser CD: Dem Modell des klassischen Solokonzerts verpflichtet präsentiert sich das Werk gleichermaßen als Herausforderung an den Solisten wie als gelungene Einbettung des Fagotts als Soloinstrument in ein instrumentales Ensemble.
Aufbruch in neue Zeiten
Neben den musikalischen Zeugnissen des überaus regen Musiklebens in Thüringen verdient Werner Ehrhardts Interpretation von Beethovens 1. Sinfonie eine besondere Würdigung: Die Besonderheit dieses Schlüsselwerks für die Sinfonik des 19. Jahrhunderts findet in seiner Darstellung deutlichen Ausdruck.
Detmar Huchting [09.04.2022]
Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
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CD/SACD 1 | ||
Luigi Cherubini | ||
1 | Faniska (Ouvertüre) | 00:07:54 |
Franz Seraph Destouches | ||
2 | Die Hussiten vor Naumburg im Jahr 1432 (Musik zum Vaterländischen Schauspiel von August von Kotzebue; Ouvertüre) | 00:07:48 |
Johann Christian Heinrich Rinck | ||
3 | Konzert Nr. 1 für Fagott und Orchester | 00:15:03 |
Ludwig van Beethoven | ||
6 | Sinfonie Nr. 1 C-Dur op. 21 | 00:24:34 |
Interpreten der Einspielung
- Roland Schulenburg (Fagott)
- Reussisches Kammerorchester (Orchester)
- Werner Ehrhardt (Dirigent)