Beethoven
Piano Sonatas op. 31
BIS 2607
1 CD/SACD stereo/surround • 70min • 2021
09.03.2022
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
Über einen Zeitraum von mittlerweile fast 20 Jahren spielt der Pianist Andreas Haefliger, Sohn des Tenors Ernst Haefliger, im Rahmen seiner Serie „Perspectives“ nach und nach Beethovens Klaviersonaten ein, zunächst für Avie Records, nun für BIS. Das bisherige Konzept der Reihe, diesen Sonaten stets Werke anderer Komponisten gegenüberzustellen, wird mit der vorliegenden Neuveröffentlichung erstmals durchbrochen, denn hier widmet sich Haefliger ausschließlich den drei Sonaten op. 31, denen er eine besondere Stellung in Beethovens Sonatenkosmos – zwischen Rückblick auf Vergangenes und Ausblick auf Neues – attestiert.
Pointierte Interpretationen mit Sinn für Kontraste
Haefligers Interpretationen der drei Sonaten sind insgesamt hochklassig. Seine Lesarten sind – speziell in den schnellen Sätzen – agil, lebhaft und pointiert (ohne zu Überspitzungen zu neigen), Artikulation und Dynamik in der Regel eng am Notentext orientiert. Gleich im ersten Satz der Sonate op. 31 Nr. 1 beweist er Sinn für den Witz, das rhythmische Federn, ja den Übermut dieser Musik. Kontraste in Dynamik (Fortissimo-fis-moll in der Durchführung des ersten Satzes der Sturm-Sonate) und im Tempo, wie sie gerade den Schluss des Finales von op. 31 Nr. 1 und Kopfsatz von op. 31 Nr. 2 wesentlich prägen, nimmt Haefliger sehr ernst; die beiden Largo-Rezitative zu Beginn der Reprise im Kopfsatz von op. 31 Nr. 2 wirken so dem Allegro-Geschehen regelrecht entrückt, und dass er wie vorgeschrieben das Pedal das gesamte Rezitativ über nicht löst, funktioniert in diesem Tempo ohne Probleme. Indem er im Kopfsatz von op. 31 Nr. 1 vor Beginn der Reprise die aufsteigenden Viertel über dem pulsierenden Orgelpunkt auf D ebenfalls ins Pedal nimmt, ergibt sich hier bereits eine gewisse Vorahnung auf die Rezitative in der Sturm-Sonate. Exemplarisch für Haefligers Fähigkeiten, die Entwicklung der Musik überlegt zu disponieren, ist der zweite Allegro-Einsatz im Kopfsatz von op. 31 Nr. 2 (ab Takt 9): hier gelingt ihm ein kontinuierlicher Spannungsaufbau, der die zunehmenden Verjüngung der Gestalt des Themas bis hin zu äußerster Reduktion (Takt 38ff.) bei gleichzeitiger dramatischer Zuspitzung vorzüglich nachvollzieht. Das Finale dieser Sonate spielt Haefliger eher flüssig-rasch und dynamisch mit der Wiederkehr des Rondothemas im Fortissimo ab Takt 350 als Kulminationspunkt.
Wohlüberlegte agogische Freiheiten
Freiheiten nimmt sich Haefliger in der Agogik, etwa in Form von geschmackvollen Rubati in Überleitungspassagen. Besonders augenfällig erscheint dies im Kopfsatz von op. 31 Nr. 3, der sich ja speziell dadurch auszeichnet, dass seine fast klassizistische Motorik immer wieder von Momenten des Innehaltens (ausgehend von den Anfangstakten) durchbrochen wird. Diese Momente kostet Haefliger, der das Allegro insgesamt durchaus lebhaft versteht, deutlich aus; man beachte etwa die Moll-Eintrübung ab Takt 33, an der Haefliger deutlich verlangsamt, die Musik für einige Augenblicke zögern lässt, bevor sich die Stimmung mit Eintritt des zweiten Themas wieder löst. Ähnlich interpretiert er auch das kurze Stocken im Scherzo (Takt 14), wohingegen er das Menuett tendenziell als von feiner Nostalgie geprägten langsamen Satz versteht. Will man Kritik üben, dann auf hohem Niveau: zweifelsohne bringt Haefliger etwa im zweiten Satz von op. 31 Nr. 1 das belcantohafte Passagenwerk sehr schön und mit der gebotenen Freiheit zur Geltung, aber Barenboims exquisite Anschlags- und Nuancierungskunst und traumwandlerische gestalterische Souveränität bleiben hier unerreicht. Auch in den schnelleren Sätzen begegnet man hier und da Passagen, die hintergründiger dargestellt werden könnten (a-moll-Achtelketten gegen Ende der Exposition des Kopfsatzes von op. 31 Nr. 2). Haefligers Lesart ist hier eher von Klarheit geprägt, was aber oft genug auch eine Tugend darstellt, etwa im Herausarbeiten von allerlei Nebenstimmen und motivischen Zusammenhängen. Im Grunde genommen geht es hier also um interpretatorische Feinabstimmungen, und in der Totalen sind Haefligers Einspielungen von großer Integrität und ausgesprochen überlegt gewählen Gestaltungsmitteln geprägt.
Ansprechender Begleittext und vorzügliche Klangqualität
Im Beiheft gelingt Horst A. Scholz ein ansprechender, Plattitüden vermeidender und den Kern der Musik auf den Punkt bringender Begleittext (ein kleinerer Schönheitsfehler ist allerdings angesichts der Ecksätze von op. 31 Nr. 3 die Behauptung, dass sämtliche Sätze der drei Sonaten leise schließen würden). Die Klangqualität bewegt sich auf dem üblichen exzellenten BIS-Niveau. Insgesamt somit eine rundum gelungene Produktion.
Holger Sambale [09.03.2022]
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Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
---|---|---|
CD/SACD 1 | ||
Ludwig van Beethoven | ||
1 | Klaviersonate Nr. 16 G-Dur op. 31 Nr. 1 | 00:23:50 |
4 | Klaviersonate Nr. 17 d-Moll op. 31 Nr. 2 (Der Sturm) | 00:22:40 |
7 | Klaviersonate Nr. 18 Es-Dur op. 31 Nr. 3 (Die Jagd) | 00:22:58 |
Interpreten der Einspielung
- Andreas Haefliger (Klavier)