Oceano
chamber music by Sebastian Fagerlund
BIS 2324
1 CD/SACD stereo/surround • 71min • 2017, 2019
09.12.2021
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
Der finnische Komponist Sebastian Fagerlund, geboren 1972, ist vom Label BIS mittlerweile mit einer ganzen Reihe von CD-Einspielungen bedacht worden, aus denen sich ein recht klares Bild von seiner Orchestermusik und seinen Opern ergibt. Die Kammermusik hat dabei bislang keine größere Rolle gespielt, obwohl ein Blick auf Fagerlunds Werkkatalog verrät, dass er auch auf diesem Gebiet (schon immer) sehr aktiv war und ist. Diese Lücke füllt die neue BIS-SACD, die gleich sechs Kammermusikwerke Fagerlunds aus den Jahren 2007 bis 2013 präsentiert; umso willkommener, da man den Komponisten hier nun auch einmal ohne breiten orchestralen Pinselstrich erleben kann.
Schmelztiegel verschiedenster Einflüsse mit eigenem Profil
Tatsächlich ist der Eindruck, den man hier von Fagerlunds Musik erhält, ausgesprochen konsistent mit dem Bild, das sich aus seiner Orchestermusik ergibt. Zu den Charakteristika seiner Kompositionen zählen ihre pulsierende, irregulär zuckende Rhythmik, speziell in den schnellen Passagen, die meist tonale, oft modale Harmonik und Melodik (obwohl das Melos eine tendenziell untergeordnete Rolle spielt). Kleine Motivbausteine und harmonische Muster werden dabei gerne mosaikartig über längere Passagen (leicht variiert) wiederholt. Hier zeigt sich der Einfluss der Minimal Music, aber Fagerlund ist alles andere als dogmatisch: tatsächlich spiegeln sich in seiner Musik mannigfaltige Einflüsse von der klassischen Tradition bis hin zu Klezmer, Musik des Nahen Osten oder Popular- bzw. Rockmusik. Eine Art Schmelztiegel also, wobei Fagerlund all dies künstlerisch verarbeitet, eher reflektiert als übernimmt. Niemals etwa klingt seine Musik wie ein für Ensemble gesetzter Song (was selten gut funktioniert), vielmehr manifestieren sich die Rock-Einflüsse eher in kurzen, plötzlich aufflackernden Rhythmen, Impulsen, die die Musik vorwärts treiben. Natürlich spielen auch Elemente der zeitgenössischen Musik wie allerhand erweiterte Spieltechniken eine Rolle, aber eher dezent und oft funktional (etwa zur Erzeugung einer Klimax) eingesetzt. Im Kern liegt Fagerlunds Musik meist ein traditionell gehaltenes Fundament zugrunde, das mit den verschiedensten Mitteln ausgeschmückt wird. So entsteht eine farbige, üppige, illustrativ anmutende Klangsprache, die unterhaltsam wirkt, ohne Divertimentocharakter auszustrahlen; vielmehr gehört auch wirkungsvoll konzipierte Dramatik zu ihren auffälligsten Merkmalen. Sie ist effektvoll, aber nicht grell. Sicher kann man diese Musik als eklektisch bezeichnen, was aber übersieht, dass Fagerlunds Stil am Ende doch einen nicht geringen Wiedererkennungswert hat.
Wellenspiel, Groteske und frenetische Tänze
Diese Beobachtungen lassen sich bereits in dem Werk, mit dem das Album beginnt und dem es seinen Titel verdankt, nachvollziehen, ein Oceano überschriebenes Diptychon für Streichtrio. Das Wechselspiel von Quinten in Cello und Bratsche evoziert Bilder von Wellen, über denen die Violine dann eine getragene, von Glissandi (die Fagerlund ohnehin gern verwendet) geprägte melodische Bewegung anstimmt. Im Grunde genommen eine Musik in C, wobei die Tonalität speziell durch die kontinuierliche Verwendung der beiden tiefen leeren Saiten des Cellos gefestigt wird. Sehr gut gelungen scheinen die Fuel überschrieben Miniaturen für Klarinette, Cello und Klavier mit ihren pulsierenden Rhythmen und grotesken, mechanisch anmutenden Figuren in den tiefen Lagen des Klaviers. In Transient Light für Horn und Klaviertrio werden agitierte Gesten des Trios kantabler Melodik im Horn gegenübergestellt und zu einem Höhepunkt geführt, der in einen von still wandernden Skalen dominierten Ausklang mündet. Die stilistische Bandbreite der Klarinettensonate ist groß von einem eher abstrakten, fast geräuschhaften Beginn zum Des-Dur-Idyll am Ende des langsamen Satzes bis hin zum Klezmer-Finale (de facto ein D-Dur im Rahmen einer harmonischen g-moll-Tonleiter). Beschlossen wird die CD nach einem kurzen, effektvollen Scherzic für Viola und Cello von Fagerlunds Streichquartett Nr. 1 Verso l’interno, dessen Zentrum drei jeweils frenetisch gesteigerte Danza-Sätze bilden, die von einem Canto unterbrochen werden, der an Bartóks Nachtmusiken gemahnt. Etwas unbefriedigend wirkt allerdings der Schluss, wenn der Epilogo die Musik des einleitenden Pròlogo wieder aufgreift: nach den Eruptionen der drei Tanzsätze ist der zeitliche Rahmen, den Fagerlund seinem Quartett gibt, um in der Stille zu enden, zu kurz, um eine wirklich schlüssige Abrundung zu erzielen.
Erstklassige Interpreten, exzellente Klangqualität, fundiertes Beiheft
Bei den Interpreten setzt BIS mit dem Streichquartett meta4, Christoffer Sundqvist an der Klarinette, Hervé Joulain am Horn und Paavali Jumppanen am Klavier auf bewährte Kräfte, die Fagerlunds Musik ausgesprochen virtuos und temperamentvoll in Szene zu setzen wissen. Die Klangqualität ist exzellent, und im Beiheft ist Kimmo Korhonen wie üblich ein Garant für kompetente, fundierte und präzise Kommentare zu den hier eingespielten Werken.
Holger Sambale [09.12.2021]
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Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
---|---|---|
CD/SACD 1 | ||
Sebastian Fagerlund | ||
1 | Oceano für Violine, Viola und Violoncello | 00:12:13 |
3 | Fuel für Klarinette, Violoncello und Klavier (Six miniatures) | 00:08:01 |
9 | Transient Light für Horn, Violine, Violoncello und Klavier | 00:10:57 |
10 | Sonate für Klarinette und Klavier | 00:16:27 |
13 | Scherzic für Viola und Violoncello | 00:04:02 |
14 | Streichquartett Nr. 1 (Verso l'interno) | 00:17:11 |
Interpreten der Einspielung
- Meta4 (Streichquartett)
- Christoffer Sundqvist (Klarinette)
- Paavali Jumppanen (Klavier)
- Hervé Joulain (Horn)