Beethoven
The Violin Sonatas
Sonatas 8 - 10
BIS 2537
1 CD/SACD stereo/surround • 79min • 2020
15.10.2021
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
Klassik Heute
Empfehlung
Gelegentlich, wenn etwas herausragend gelingt, ist es gar nicht einfach, dies angemessen zu beschreiben. So geht es mir auch hier. Die letzten drei Beethoven-Sonaten, Abschluss einer drei CDs umfassenden Gesamtaufnahme für BIS, bilden den unbestreitbaren Höhepunkt der bisherigen Kollaboration zwischen Martin Helmchen und Frank Peter Zimmermann. Danach würde ich mir von den beiden nun zuerst die drei Sonaten von Robert Schumann wünschen. Wer kann die schon, wenn nicht dieses Duo? Doch jetzt zu dem, was da ist.
Organische Entfaltung der Form
Zunächst sei darauf hingewiesen, dass Zimmermann und Helmchen nicht dem inzwischen von den meisten ‚Kennern‘ als obligatorisch vorausgesetzten Metronom-Spuk aufsitzen, was bedeutet: Charakter und Struktur gehen vor, der fixen Idee eines pauschalen Vorwärtstreibens, wie es mittlerweile so sehr Mode geworden ist, dass es schon ins Unterbewusstsein des Durchschnittshörers abgesunken ist, wird sozusagen eine kreative Absage erteilt. Und demzufolge kann sich hier die Form organisch entfalten, wie wir es sonst fast nur noch in historischen Aufnahmen hören können.
Natürlich ist die G-Dur-Sonate op. 30 Nr. 3 in den Außensätzen rasant. Muss sie sein. Aber dabei ist so fein ausartikuliert, ziseliert, transparent ausgeleuchtet und dabei kraftvoll, dass alles von spontan anmutendem Leben durchpulst ist. Und das Menuett dazwischen kommt so genüsslich gemächlich daher, wie es eben auch sein muss – hier ist es nur nicht so ganz gelungen, dass das zweite Thema bezwingend aus den Ausläufern des ersten hervorgeht: beide Male geht hier für einen Atemzug ein bisschen die Luft aus, bevor es weitergeht. Diese Kleinigkeit fällt jedoch nur deswegen auf, weil Timing und Spannung ansonsten durchgehend bezwingend realisiert sind.
Bezwingende Freiheiten
In der Kreutzer-Sonate laufen Helmchen und Zimmermann zu titanischer Form auf, die den gewaltigen Dimensionen von Form und Ausdruck entsprechen. Es ist eine der großartigsten Darbietungen, die ich je gehört habe. Auch die freien Aus-, Über- und Eingänge, die die beiden – ohne jegliches aufdringliche Zuviel, stets mit Contenance und kernig gutem Geschmack – improvisieren, sind so gelungen, dass wer es nicht so punktgenau kennt es mit vollem Recht für von Beethoven so komponiert halten wird. Das große Drama wird voll entfaltet, und jedes Detail mit Liebe und Sorgfalt ausmusiziert. Das Rubato ist subtil im Dienst der melodischen Energie, das Pulsieren bleibt stets klar spürbar, der große Variationssatz ist auf wunderbar befreite Weise zusammengehalten, ohne unnötige Straffheit.
Und die finale G-Dur-Sonate wird mit jener Reife und körperlich spürbaren Noblesse musiziert, die die Idee, das Werk könne zwischendurch ein bisschen weniger bedeutend, ein wenig langatmiger geraten sein als die unwiderstehlich fesselnde Kreutzer-Sonate, ins Reich des Absurden verabschiedet wird. Auch dieses Werk habe ich kaum je so schön, so ergreifend und auch so bezwingend geformt gehört. Herrlich schlicht das Adagio, feingliedernd beherrscht, plausibel proportioniert und fulminant ohne äußerlich zu werden das eminent originell aufgebaute Finale.
Die Aufnahmetechnik entspricht bei der heiklen Besetzung dem musikalischen Ausnahmeniveau, und erhebt damit den Gesamtzyklus in einen echten, zeitlos gültigen Ausnahmerang. Ernst Herttrich informiert im Booklettext ausführlich über das Wissenswerte rund um die Werke. Nachdrücklich empfohlen.
Christoph Schlüren [15.10.2021]
Anzeige
Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
---|---|---|
CD/SACD 1 | ||
Ludwig van Beethoven | ||
1 | Sonate Nr. 8 G-Dur op. 30 Nr. 3 für Violine und Klavier | 00:16:01 |
4 | Sonate Nr. 9 A-Dur op. 47 für Violine und Klavier (Kreutzer-Sonate) | 00:36:08 |
11 | Sonate Nr. 10 G-Dur op. 96 für Violine und Klavier | 00:26:02 |
Interpreten der Einspielung
- Frank Peter Zimmermann (Violine)
- Martin Helmchen (Klavier)