A New Path
Haydn • Beethoven • Prokofiev
Gabiz Reichert Piano
Ars Produktion ARS 38 311
1 CD/SACD stereo/surround • 58min • 2020
01.09.2021
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
Wenn ein Pianist seine Debüt-CD mit „Neue Wege“ betitelt, macht er uns nicht nur neugierig, er weckt auch (vielleicht zu hohe) Erwartungen – zumindest bei mir. Wie also sind diese neuen Wege beschaffen, mit denen sich der junge Pianist Gabiz Reichert der Öffentlichkeit vorstellt? Die Werkauswahl wirkt mit drei Sonaten von Haydn, Mozart und Prokofiev erstmal unspektakulär. Betreffen also die neuen Wege den jeweiligen kompositorischen Prozess oder gar den interpretatorischen Ansatz des Künstlers?
Spielwitz, Ehrfurcht und Klangsinnlichkeit
Tatsächlich offenbaren die drei Werke eine große Experimentierlust ihrer Schöpfer. Haydns zu seinen letzten drei, den sogenannten Englischen Sonaten gehörende Sonate Es-Dur Hob.XVI:52 profitiert von den neuesten technischen Entwicklungen im Bereich des Hammerklaviers (zu Beginn der 1790er Jahre), dank derer Haydn zu neuen Ausdrucksmöglichkeiten gelangt. Spannende harmonische Beziehungen und starke dynamische Kontraste durchziehen die Sonate, ebenso sehr differenzierte Klanglandschaften und ein reiches Verzierungswerk.
Der 1994 geborene Gabiz Reichert begegnet diesem spielerisch, ja fast humorvoll wirkenden Stück Musik von zeitloser Anmut und Ästhetik mit Spielwitz und einnehmender Leichtigkeit.
Mit emotionaler Spannung
So konzentriert und spannend Gabiz Reichert dabei auch jede noch so kleine Wendung ausformuliert, scheint es manchmal so, als schwebe er über den Tasten; er verfügt einfach über eine erlesene Anschlagskultur, die dem von ihm bevorzugten Bösendorfer-Flügel die mannigfaltigsten Klangschattierungen entlockt. Doch von einem neuen Weg in der Haydn-Interpretation kann bei dieser Einspielung nicht die Rede sein, fehlt ihr doch eine unverwechselbare persönliche Note. Ähnlich verhält es sich mit Beethovens Sonate As-Dur op. 26. Ein Variationssatz zu Beginn, ein Trauermarsch an dritter Stelle, der den Kopfsatz an Gewichtung, an Bedeutungs- und Ausdruckstiefe bei weitem überragt – Beethoven begibt sich hier in der Tat auf einen neuen, einen unkonventionellen Weg, dem Gabiz Reichert mit Akkuratesse, einem wachen Form- und Klangsinn sowie mit emotionaler Spannung folgt. Allerdings auch mit einer für meinen Geschmack zu großen Portion Ehrfurcht, so dass seine Interpretation bei all ihrer Schlüssigkeit nicht aus den zahlreichen Vergleichsaufnahmen hervorzustechen imstande ist. Wie hellhörig und klangsinnlich der schweizerische Pianist dann aber den polyphonen Verläufen sowie den melodischen und harmonischen Finessen in Prokofievs Sonate Nr. 5 C-Dur op. 135 nachspürt, wie geheimnisvoll er Prokofievs experimentelles Spiel mit weteuropäischen Einflüssen, mit Merkmalen der französischen Neoklassik sowie generell mit Diatonik und Chromatik gestaltet, das ist für mich zwar kein neuer Weg, aber dennoch herausragend. Wenn meine aufgrund des CD-Titels vielleicht zu hohen Anfangserwartungen auch nicht komplett erfüllt wurden, so ist Gabiz Reichert trotzdem ein überzeugender Einstand auf dem Tonträgermarkt gelungen.
Christof Jetzschke [01.09.2021]
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Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
---|---|---|
CD/SACD 1 | ||
Joseph Haydn | ||
1 | Klaviersonate Nr. 52 Es-Dur Hob. XVI:52 | 00:20:42 |
Ludwig van Beethoven | ||
4 | Klaviersonate Nr. 12 As-Dur op. 26 | 00:20:17 |
Sergej Prokofjew | ||
8 | Klaviersonate Nr. 5 C-Dur op. 38 | 00:16:18 |
Interpreten der Einspielung
- Gabiz Reichert (Klavier)