Beethoven
The Violin Sonatas
Sonatas 5 - 7
BIS 2527
1 CD/SACD stereo/surround • 69min • 2020
03.07.2021
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
Klassik Heute
Empfehlung
Mit der Frühlingssonate und den Sonaten in A-Dur und c-moll aus Opus 30 bestreiten Martin Helmchen und Frank Peter Zimmermann die zweite Folge ihres Komplettzyklus von Beethovens Sonaten für Klavier und Violine. Wir befinden uns mit diesen Werken wahrhaft im Zentrum des Beethoven’schen Kosmos, mit für das Klavier äußerst dankbaren und für die Geige meist weit weniger dankbaren, teils geradezu spröde herausfordernden Aufgaben.
Geschlossener Ausdruck
Das Beste zuerst: gegenüber der ersten Folge ist eine unüberhörbare Steigerung der Qualität des gemeinsamen, geschlossenen Ausdrucks zu bemerken. Zimmermanns Spiel ist – vielleicht auch, weil diese Sonaten noch mehr zum Kernrepertoire gehören als die früheren – inniger und präziser durchgeformt in ihrer musikalischen Vision (die technische Seite war bei ihm nie in Frage gestellt), und er verschmilzt mit Helmchen tatsächlich weitestgehend zu einer Ausdruckseinheit, sei es nun im Mit- oder im Gegeneinander, also in der Harmonie oder in den Kontrasten. Eine Kleinigkeit: das so häufig bei Beethoven vorkommende Subito piano anschließend an ein kräftiges Crescendo, dieser ganze durchbrochene Verlauf, wird zwar generell so ernst genommen wie erforderlich (und keineswegs in dieser Radikalität üblich), doch oft wird das Tempo mit dem Eintritt des Subito piano einer stärkeren Zäsur unterworfen als nötig. Aber das ist eine Nebensache. Ganz stark auch, wie beide die vorgeschriebenen Akzente unmissverständlich kraftvoll einwerfen und nicht durch versehentliche Betonungen starker Zeiten nivellieren, das ist so ungewöhnlich in dieser Konsequenz wie unbedingt zu bejahen.
Im Zweifelsfall zu schnell und zu kurz
Die einzige deutliche Schwäche ist auch hier die Neigung, sozusagen ‚im Zweifel‘ lieber zu schnell zu spielen. Das betrifft ganz besonders das Finale von Opus 30 Nr. 1: Hier ist der Allegretto-Variationssatz schlicht ein normales Allegro; und das nach der Moll-Variation, die gerne auch noch etwas ruhiger genommen werden dürfte, aber nicht müsste, das Werk abschließende Allegro, ma non tanto im 6/8-Metrum mutiert zum Allegro assai, ohne jedoch dadurch in jener Weise gegenüber dem Haupttempo eine befreiende Beschleunigung als Psychologie der Form zu erwirken, wie dies Beethoven hier eigentlich in der Tradition der wunderbaren Mozart’schen Variationssätze manifestiert hat.
Bei Zimmermann ist gelegentlich einzuwenden, dass die Notenlängen vor allem dann auf voller Länge auszuhalten wären, wenn zum Ende des Tons hin dieser sich in eine Dissonanz verwandelt, die nunmehr aufgelöst wird – dies als Reibung wirklich hörbar werden zu lassen, hieße, tatsächlich zum Klingen zu bringen, was Beethoven an vielstimmiger Dynamik niedergeschrieben hat. Ein weiteres Beispiel für zu kurze Töne sind die ersten drei Takte im 2. Teil des Trios aus dem Scherzo der Frühlingssonate, wo das Spezifische der Situation viel klarer zur Geltung käme, wenn die Geige in der Höhe den aus der Tiefe emporstürmenden Staccato-Oktavgängen des Klavier mit ausgehaltenen, von der ruppigen Dynamik des Ansturms unbeeinträchtigten Tönen entgegenträte.
Exemplarisch ausgewogene Tontechnik
Dies sind Beispiele, die nicht darüber hinwegtäuschen sollen, dass es sich hier um eine ganz vorzügliche, ja vielleicht sogar wegweisende Einspielung handelt, die weit über die technische Souveränität und Freude am Risiko hinaus vieles bietet, was als vorbildlich zu verstehen ist. Das gilt auch für die exzellente, exemplarisch ausgewogene Tontechnik (keineswegs eine Selbstverständlichkeit in dieser heiklen Instrumentalkombination, aber eben auch möglich dank der durchgehenden Achtsamkeit Martin Helmchens, der stets im Sinn hat, die Geige nicht zu übertönen!) und makellose Postproduktion durch Hans Kipfer, wobei die Akustik im Robert-Schumann-Saal in Düsseldorf zusätzlich eher förderlich als hinderlich scheint.
Für die abschließenden drei Sonaten hoffe ich nun vor allem darauf, dass bei der Tempowahl wirklich die Gesamtheit der Charaktere eines jeden Satzes zur Disposition gestellt wird und man sich frei macht von der derzeit allgemein so verbreiteten Sichtweise, die sich der durch Beethovens zunehmende Taubheit psychologisch verständlicherweise eingetretenen Neigung des Komponisten verdankt, seine Musik durch viel zu hektische Metronomangaben zu entstellen und zu mechanisieren. Daher ist die Gewohnheit entstanden, auch da viel zu schnelle Tempi zu nehmen, wo keine solche Vorschrift existiert und man sich eigentlich so wunderbar auf die Charakterbezeichnung verlassen könnte. Nicht zu sehr ‚auf die zu Tube drücken‘ bedeutet keineswegs einen Verlust an revolutionärem Impetus und Schwung, wenn die unterschiedlichen Charaktere in einem Satz in ihrer Vielgesichtigkeit und Vielschichtigkeit erfasst und verwirklicht werden.
Christoph Schlüren [03.07.2021]
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Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
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CD/SACD 1 | ||
Ludwig van Beethoven | ||
1 | Sonate Nr. 5 F-Dur op. 24 für Violine und Klavier (Frühlingssonate) | 00:22:17 |
5 | Sonate Nr. 6 A-Dur op. 30 Nr. 1 für Violine und Klavier | 00:21:52 |
8 | Sonate Nr. 7 c-Moll op. 30 Nr. 2 für Violine und Klavier | 00:23:31 |
Interpreten der Einspielung
- Frank Peter Zimmermann (Violine)
- Martin Helmchen (Klavier)