Per Nørgårds • Poul Ruders
Works for Solo Cello
Ondine ODE 1381-2
1 CD • 62min • 2019
10.04.2021
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
Wenn es um Werke für Violoncello solo größeren Formates geht, fallen einem neben den unvermeidlichen Bach-Suiten doch recht schnell einige essentielle Stücke des 20. Jahrhunderts ein: neben den drei Cellosuiten Benjamin Brittens und der gewaltigen Sonate Zoltán Kodálys natürlich auch die von György Ligeti oder das Capriccio Hans Werner Henzes. Tatsächlich gibt es keinen Mangel an hochinteressanter, neuerer Literatur für Cello allein. Die über einen Zeitraum von fast fünfzig Jahren entstandenen drei Sonaten des wohl bedeutendsten zeitgenössischen Komponisten Dänemarks und Ernst-von-Siemens-Musikpreisträgers Per Nørgård (geb. 1932) gehören in diesem Zusammenhang bisher noch nicht zum Kernrepertoire, worauf sie aufgrund ihrer hohen musikalischen Qualität und der enormen technischen Anforderungen allerdings durchaus Anspruch hätten.
Metamorphische Kompositionsweise
Bereits mit 17 Jahren wurde Nørgård ein Schüler Vagn Holmboes, in der dänischen Musik das Bindeglied zwischen Carl Nielsen und der Holmboe nachfolgenden Generation. So verwundert es nicht, dass sich gerade bei Nørgård die metamorphische Kompositionsweise Holmboes wiederfindet. So gehen in der ersten Cellosonate von 1951-53 die Themen der einzelnen Sätze durch sukzessive Veränderungen quasi auseinander hervor, wohingegen die zweite Sonate aus zwei im Abstand von mehr als 25 Jahren entstandenen Sätzen zusammengefügt wurde. Die dritte Sonate (1999) schließlich hat die Form eines Triptychons und ist mit einem Beckett-Zitat betitelt: What! – is the word. Die amerikanische Cellistin Wilhelmina Smith meistert die technischen Schwierigkeiten aller drei Sonaten souverän, überzeugt insbesondere mit sauberster Intonation und kann sich sehr gut in die ganz unterschiedlichen Charakteristika von Nørgårds Musik einfinden. Hier tritt sie in Konkurrenz zu den Aufnahmen Morten Zeuthens auf Dacapo (1994 bzw. 2003) und liegt in puncto Präzision und Schönklang auf jeden Fall leicht vorn. Streckenweise wirkt ihr äußerlicher Perfektionismus dann jedoch leider ein wenig blutleer.
Meisterhafte Studien über L’Homme armé
Nørgårds etwas jüngerer Landsmann Poul Ruders (Jg. 1949) ist hierzulande leider noch viel zu wenig bekannt – viele seiner Orchesterwerke überzeugen durch eine ganz persönliche Schreibweise und gekonnt wirkungsvolle Instrumentation. Ruders schrieb für Zeuthen 1976 ein Variationswerk über die in der frühen Renaissance allgegenwärtig parodierte Melodie L’Homme armé, die aber etwa auch Marc-André Hamelin in einer Toccata für den Van Cliburn Wettbewerb 2017 verwendete. Ruders Bravourstudien in zehn Abschnitten mit quer durch die Musikgeschichte gehenden Satzbezeichnungen (Ouvertüre, Intermezzo, Etüde usw.) sind von wirklich exquisiter Brillanz und ein großes Hörvergnügen. Hier würde der Rezensent aber eindeutig dem Widmungsträger den Vorzug geben; auch wenn Wilhelmina Smith technisch wieder ein wenig überlegen scheint, spielt Zeuthen dieses echte Bravourstück einfach mitreißender. Die Ondine-Aufnahme kommt mit ordentlichem Klang und einem informativem Booklettext in englischer Sprache.
Vergleichsaufnahmen: [Nørgård, Sonaten 1 & 2]: Morten Zeuthen (Dacapo 8.224007, 1994); [Nørgård, Sonate 3; Ruders]: Morten Zeuthen (Dacapo 8.226007, 2003).
Martin Blaumeiser [10.04.2021]
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Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
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CD/SACD 1 | ||
Per Nørgård | ||
1 | Sonate Nr. 1 für Violoncello | 00:16:23 |
4 | Sonate Nr. 2 für Violoncello (In due tempi) | 00:19:42 |
6 | Sonate Nr. 3 für Violoncello (What - is the Word! Sonata breve) | 00:07:30 |
Poul Ruders | ||
9 | Bravourstudien (L' Homme Armé Variations) | 00:18:46 |
Interpreten der Einspielung
- Wilhelmina Smith (Violoncello)