[BLUE]
Compositions and Arrangements by Lars Hannibal
OUR Recordings 8.226914
1 CD • 74min • 2020
03.10.2020
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
Klassik Heute
Empfehlung
Wenn ein Komponist für echtes „Crossover“ prädestiniert ist, so ist es der dänische Gitarrist und Lautenist Lars Hannibal. Hannibal spielte in der Jugend in Rockbands, erarbeitete sich eine fulminante Gitarrentechnik und ließ sich danach noch von Toyohiko Satoh auf der Laute unterweisen. Zeitweilig spielte er in einer Jazz-Combo mit dem berühmten Bassisten Niels-Henning Ørsted Pedersen. Zur Feier seines 50. Bühnenjubiläums entstand sein aktuelles Album „[BLUE]“ im Zusammenwirken mit der Blockflötenvirtuosin Michala Petri, mit der er bisher knapp 2000 Konzerte gab. Selbstverständlich durften bei einem solchen Projekt auch gemeinsamen hochmusikalischen Töchter Agnete und Amalie nicht fehlen.
Meditatives Gegenmittel zu coronarer Hektik
Hannibal greift in seinen Kompositionen auf die frühbarocken Ostinato-Formen von Passacaglia und Chaconne – in England nannte man das „Ground“, im Jazz „Blues“ – zurück und verknüpft diese mit ihnen seelenverwandten Elementen des modalen Jazz. In der Figuration der Harmonien klingen die Akkordbrechungen der Präludien der Bach-Schule an. Seine Melodik greift folkloristische, nordisch- keltische Idiome auf und würzt diese gelegentlich mit einem kräftigen Schuss südamerikanischer Salsa. Für die drei Lieder dichtete er die tiefempfundenen englischen Texte. Er lässt hier Strukturen entstehen, die ein wenig an Arvo Pärt gemahnen mögen, jedoch noch stärker auf eine fast Zen-hafte Wesentlichkeit reduziert sind. Da – und auch in den kongenialen Volksliedbearbeitungen – ist keine Note zu viel, denn ein Mehr würde die Wirkung nur schwächen.
Könner machen Hausmusik
Hannibal präsentiert seine Kompositionen auf der Gitarre mit reicher Anschlags- und Klangfarbenpalette. Geradezu kostbar sind seine fragil leuchtenden Flageoletts. Virtuosa assoluta Michala Petri demonstriert allerhöchste Spielkultur in der Gestaltung einfacher, langsamer Melodielinien. So wie es Sängern zur Ehre gereicht, Pathos und Kunstfertigkeit beim Vortrag eines einfachen Volksliedes vergessen zu machen, ist es ein Zeichen höchster bläserischer Befähigung, schlichte Tonfolgen intensiv-anrührend und nicht plakativ-demonstrierend zu gestalten. Hierfür müssen Künstler den Mut aufbringen, ihre Technik und Musikalität der Betrachtung durch ein Brennglas auszusetzen. Dies mag auf den hohen Vertretern der Blockflötenfamilie, – mit denen man das Petri-Repertoire gemeinhin assoziiert – noch relativ einfach sein, erfordert jedoch auf den tiefen Instrumenten von Tenor bis Subbass besonders großes Können. Absolut zwingend demonstriert Petri diese Tugenden im ihr zugedachten Solostück The Moor. Amalie Hannibal-Petri bringt mit ihrem klaren leichten Mezzo alle Voraussetzungen für eine überzeugende Interpretation der drei im Singer-Songwriter-Stil geschriebenen vokalen Nummern mit. Man versteht den englischen Text, ohne dass sie auf simplen Sprechgesang zurückgreifen müsste. So könnte man sie sich auch im Barockrepertoire gut vorstellen. Ihre Schwester Agnete, die erst spät zum Cello fand, steuert saubere Töne zu Bass-Verstärkung bei.
Aufnahmetechnisch gab man sich Mühe, eine häusliche Atmosphäre entstehen zu lassen. Das Booklet enthält Anmerkungen des Komponisten zu jedem Stück und ausführliche Beschreibungen des Projekts. Leider – jedoch auf Grund der Informationsfülle auch verständlich – nur auf Englisch.
Fazit: Die ideale CD, um auf qualitätvolle Weise die immer hektischer werdende Welt Welt sein zu lassen. Für Blockflötisten die Demonstration, wie ein wirklich dicht-gesangliches Portato klingen sollte, wie man Spezialeffekte werkdienlich gestaltet und wie man eine einfache lange Linie dynamisch mit Spannung und Tonschönheit erfüllt, was die aktuell angesagten Schnellspieler verlernt zu haben scheinen. Für die Gitarristen eine Lehrstunde bezüglich subtiler Klanglichkeit und raffinierten Timings. Unbedingte Empfehlung!
Thomas Baack [03.10.2020]
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Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
---|---|---|
CD/SACD 1 | ||
Lars Hannibal | ||
1 | Twilight on a Ground | 00:03:24 |
2 | Evening in the Garden | 00:04:29 |
3 | BLUE on a Ground | 00:06:16 |
4 | Autumn Rain | 00:05:26 |
5 | Dreams | 00:03:07 |
6 | Sunset Dance | 00:05:08 |
7 | Springtime Sun | 00:03:38 |
8 | The Moor | 00:04:37 |
9 | Waves on a Ground | 00:06:27 |
10 | The Magic of Thought | 00:04:43 |
Thorvald Aagaard | ||
11 | Spurven sidder stum bag kvist | 00:02:12 |
Thomas Laub | ||
12 | Det er hvidt herude | 00:02:57 |
Carl Nielsen | ||
13 | Underlige Aftenlufte | 00:03:46 |
Thomas Laub | ||
14 | Stille, Hjerte, Sol går ned | 00:04:11 |
Franz Xaver Gebauer | ||
15 | Hist hvor vejen slår en bugt | 00:04:41 |
Carl Nielsen | ||
16 | Jeg ved en lærkerede | 00:02:13 |
Oluf Ring | ||
17 | Sig nærmer tiden | 00:03:05 |
Christoph Ernst Friedrich Weyse | ||
18 | Natten er så stille | 00:02:59 |
Interpreten der Einspielung
- Michala Petri (Blockflöte)
- Agnete Hannibal Petri (Violoncello)
- Amalie Hannibal Petri (Gesang)