Ludwig van Beethoven
Die Ruinen von Athen
cpo 777 634-2
1 CD • 53min • 2018
15.06.2020
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
Eigentlich wollte Beethoven im Sommer 1811 in Teplitz ein paar Wochen Urlaub machen, da er dringend Ruhe benötigte, doch dann kam aus Ungarn das lukrative Angebot, eine Festmusik zur Einweihung des neuen kaiserlichen Theaters in Pest zu schreiben. Der Zeitdruck beförderte seine Spontaneität. Mit gelegentlichen Rückgriffen auf frühere Arbeiten stellte er ein paar eingängige Nummern zusammen, ohne sich groß um motivisch-thematische Entwicklung zu kümmern. Der Rahmen war ein Bühnenspektakel, das der Routinier August von Kotzebue entworfen hatte und das seinen Anlaß nicht lange überlebte. Einzelne Stücke aus Beethovens Bühnenmusik sind jedoch bis heute im Konzertsaal anzutreffen, vor allem die Ouvertüre, der Chor der Derwische und der Türkische Marsch.
Gelegenheitsarbeit mit kuriosem Sujet
Das Sujet mutet heute kurios an. Nach zweitausendjährigem Schlaf findet sich Pallas Athene im zerstörten Athen wieder, wo die Bevölkerung unter der Diktatur der türkischen Besatzer stöhnt. Mit Merkur flieht sie nach Pest, wo unter der Herrschaft von Kaiser Franz I. die Kultur im Sinne der griechischen Antike noch zu blühen scheint. Natürlich kommen die Türken im Text Kotzebues schlecht weg, werden – alles andere als politisch korrekt – als eine barbarische Horde dargestellt, und Beethoven macht sich einen Spaß daraus, sie auch musikalisch als eine solche zu charakterisieren. Da diese Geschichte mit ihrem ausgeprägten ungarischen Nationalismus einem heutigen Publikum nicht mehr vermittelbar ist, hat der Dramaturg Kai Weßler den nicht ungeschickten Versuch unternommen, Texte von Kotzebue mit Fragmenten aus Gedichten Friedrich Schillers zu verbinden, und schlägt damit zugleich einen gedanklichen Bogen zum letzten Satz von Beethovens 9. Sinfonie.
Respektable Interpretation
Mit der Cappella Aquileia (so hieß Heidenheim in der Römerzeit) legt Marcus Bosch, neben anderen Verpflichtungen auch Chef der Heidenheimer Opernfestspiele, eine hochrespektable Interpretation von Beethovens Gelegenheitsarbeit vor, die sich neben der Einspielung der Berliner Philharmoniker unter Claudio Abbado nicht verstecken muß. Geschmeidigkeit und klassische Serenität bestimmen das Spiel des Orchesters. Die Sänger Valda Wilson und Simon Bailey machen einen ordentlichen Job, wobei die australische Sopranistin vor allem im angehängten Opferlied einige Schwächen hinsichtlich der textlichen Deutlichkeit zeigt. Der Chor der Tschechischen Philharmonie Brünn kann mehr noch als in den Ruinen in der auf pianissimo-fortissimo-Kontraste angelegten Goethe-Vertonung Meeresstille und glückliche Fahrt seine stimmliche und gestalterische Potenz und Variabilität unter Beweis stellen. Der frühere Kinderstar Sidonie von Krosigk („Bibi Blocksberg“), zuletzt am Ulmer Theater fest engagiert, trägt die Texte der Athene in einem zunächst irritierenden Gretchen-Tonfall vor, überzeugt aber letztlich durch den bei jungen Schauspielern gar nicht mehr selbstverständlichen souveränen Umgang mit klassischer Sprache.
Ekkehard Pluta [15.06.2020]
Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
---|---|---|
CD/SACD 1 | ||
0 | ||
Ludwig van Beethoven | ||
1 | Die Ruinen von Athen op. 113 | 00:41:30 |
4 | Meeresstille und glückliche Fahrt op. 112 (nach Goethes Gedicht, 1814/1815) | 00:06:43 |
5 | Opferlied op. 121b | 00:05:04 |
Interpreten der Einspielung
- ()
- Simon Bailey (Bass)
- Valda Wilson (Sopran)
- Sidonie von Krosigk (Rezitation)
- Chor der Tschechischen Philharmonie Brünn (Chor)
- Cappella Aquileia (Orchester)
- Marcus Bosch (Dirigent)