Elisaveta Blumina
Memories from home
Works by Skriabin, Prokofiev, Weinberg, Frid, Kancheli
Dreyer Gaido CD 21120
2 CD • 80min • 2018
20.03.2020
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
Klassik Heute
Empfehlung
Die in St. Petersburg geborene Pianistin Elisaveta Blumina hat sich inzwischen einen Namen gemacht als große musikalische Kämpferin für vergessene Musik. Dies macht sich auch auf ihrem neuen Album „Memories from home“ bemerkbar, das bei dreyer gaido erschienen ist. Auf dem Doppelalbum verbindet sie Musik von den bekannteren Komponisten Alexander Skrjabin, Sergei Prokofjew mit den Werken von Mieczyslaw Weinberg, Grigori Frid und Giya Kancheli. Ihre Kompositionen kommen Blumina auch insofern entgegen, dass die Pianistin sich selbst zu den Synästhetikern zählt, also Klänge mit Farben verbindet, was beispielsweise auch von Skrjabin bekannt ist. Hörbar wird dies in Bluminas Umsetzung seiner 5 Préludes op. 16, mit denen diese das Album eröffnet. Facettenreich und voller leuchtender Farbe erklingen diese. Teils wie aus einer anderen Welt folgen Sergei Prokofjews Visions fugitives, die Blumina nicht weniger brillant in Technik und Ausdruck umsetzt.
Affinität zur Musik Mieczysław Weinbergs
Bereits seit mehreren Jahren hat die Pianistin, die zeitgleich mit dem Klavierspiel auch ihre Liebe zum Ballett entdeckte, in der Klassik-Szene für eine Renaissance der Musik des polnisch-jüdischen Komponisten Mieczysław Weinberg gesorgt. Eigentlich ist der verfolgte Komponist, der vor dem Nationalsozialismus in die Sowjetunion floh, den meisten russischen Kindern bekannt – hat er doch die Musik zur Trickfilm-Serie Winnie Puuh komponiert. Obwohl er in der Sowjetunion zunächst vor den Nationalsozialisten sicher war, so drohte ihm dort auch die Abschiebung nach Sibirien, weil er sich an das dortige totalitäre System ebenso wenig anpassen wollte. Seine Rettung vor der Deportation war schließlich Dmitri Schostakowitsch, der sich für ihn einsetzte. Die beiden Fugen entstanden für die Tochter seines Freundes Valentin Berlinski, Cellist des Borodin Quartetts, als Hausaufgabe für die Hochschule – die Note, die sie dafür erhielt, war nicht sonderlich gut, hatte Weinberg doch zu viele Eigenheiten und Freiheiten in sie hineinkomponiert, die Studierenden aber noch streng untersagt waren. Auf Memories from home setzt Blumina diese ausgesprochen passend klanglich eher nach barockem Duktus um mit sehr klarem und transparentem Spiel sowie klar abgestufter Dynamik – ein schöner Gegenpol (mit witzigem Hintergrund) zu den sonst sehr facettenreichen Stücken des Albums.
Russische Miniaturen und eine berührende Ersteinspielung
Eine bildhafte Sprache erlebt der Hörer mit dem Ungarischen Album von Grigori Frid. Der Komponist setzte sich Zeit seines Lebens auch als Musikpädagoge für die Förderung der Musik seiner vergessenen Zeitgenossen ein, u.a. führte er regelmäßig Werke von Weinberg und Kancheli auf. „Mit der Musik im Ungarischen Album wollte ich meine Eindrücke eines Aufenthaltes in einem freundlichen und gastfreundlichen Land zum Ausdruck bringen“, schrieb der Komponist selber über sein Werk. Und in der Tat zeichnet er in den vierzehn Miniaturen ein vielseitiges, aber immer freundliches Bild, wobei er stets einen volkstümlichen Charakter erhält. Blumina versteht meisterhaft, auch diese Charakterstücke sehr ausdifferenziert umzusetzen. Der an sich schon wunderbar ausgewählten und präsentierten Auswahl von Klavierwerken aus Russland setzt Blumina bei ihrer Aufnahme noch eine kleine Krone auf mit der Ersteinspielung von Giya Kanchelis „Miniaturen‟. Der georgische Komponist, der erst im vergangenen Jahr starb, war in der Sowjetunion bekannt für seine Kompositionen für Film und Theater. Seine Miniaturen sind eine Sammlung der wichtigsten Fragmente und lassen in ihrer Schlichtheit dem Pianisten für Interpretation bis hin zur Improvisation. Die innige Verbundenheit zu diesen Stücken, die Blumina durch den persönlichen Kontakt zum Komponisten aufgebaut hat, wird hier mit jedem Ton hörbar.
Verena Düren [20.03.2020]
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Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
---|---|---|
CD/SACD 1 | ||
Alexander Scriabin | ||
1 | Prélude H-Dur op. 16 Nr. 1 | 00:02:55 |
2 | Prélude gis-Moll op. 16 Nr. 2 | 00:01:55 |
3 | Prélude Ges-Dur op. 16 Nr. 3 | 00:02:34 |
4 | Prélude es-Moll op. 16 Nr. 4 | 00:01:15 |
5 | Prélude fis-Moll op. 16 Nr. 5 | 00:00:29 |
Sergej Prokofjew | ||
6 | Visions fugitives op. 22 | 00:07:59 |
Mieczyslaw Weinberg | ||
12 | Fuge Nr. 1 | 00:01:45 |
13 | Fuge Nr. 2 | 00:01:37 |
Grigori Frid | ||
14 | Der Storch | 00:00:53 |
15 | Der Vergnügungspark | 00:00:38 |
16 | Abend an dem Fluss | 00:01:20 |
17 | Sonntagsausflug | 00:00:57 |
18 | Ich hatte eine Ziege | 00:01:29 |
19 | Die Hirtenflöte | 00:01:32 |
20 | Die alte Burg | 00:01:59 |
21 | Im Zoo | 00:01:29 |
22 | Kirche in Buda | 00:03:13 |
23 | Im Wald | 00:02:01 |
24 | Unbekanntes Lied | 00:01:34 |
25 | Ausflug mit ungarischen Freunden ins Freie | 00:02:01 |
26 | Die breite Donau | 00:04:29 |
27 | Der Tanz | 00:02:34 |
CD/SACD 2 | ||
Giya Kancheli | ||
1 | Calando (1 - Miniatures for piano) | 00:01:07 |
2 | Lontano | 00:01:27 |
3 | Pastoso | 00:02:02 |
4 | Marciale | 00:00:47 |
5 | Quasi recitando | 00:02:03 |
6 | Calando (6) | 00:01:59 |
7 | Disinvolto | 00:00:44 |
8 | Con eleganza | 00:01:04 |
9 | Luminoso | 00:01:05 |
10 | Quasi ragtime | 00:01:09 |
11 | Con eleganza (14) | 00:00:57 |
12 | Sostenuto (15) | 00:02:03 |
13 | Calmo | 00:00:53 |
14 | Andantino | 00:02:46 |
15 | Calando (20) | 00:01:02 |
16 | Grazioso | 00:01:12 |
17 | I Cantabile, lontanissimo | 00:01:27 |
18 | Pesante | 00:01:49 |
19 | Con dolore | 00:02:14 |
20 | Rubato | 00:02:13 |
21 | Dolcissimo | 00:01:09 |
22 | Sostenuto (32) | 00:01:43 |
Interpreten der Einspielung
- Elisaveta Blumina (Klavier)