Gustav Mahler
Symphony No. 4
BIS 2356
1 CD/SACD stereo/surround • 59min • 2018
12.01.2020
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
Klassik Heute
Empfehlung
Osmo Vänskäs Mahler hat, im Gegensatz zu seinem universell gelobten und geliebten Beethoven-Zyklus aus Minnesota, oder dem frühen Sibelius-Zyklus (Lahti), durchaus gemischte Kritiken erhalten. Emotionsbefreit und stocksteif war einer der härteren Vorwürfe. Was Vänskä aber auf jeden Fall bietet, ist klaren und unaufgeregten Mahler. Ohne Übertreibung, ohne Hast, vielleicht etwas kühl oder mit etwas wenig Schmiere und Schmalz. Vänskä gibt dem Affen keinen Zucker. Also in vielerlei Hinsicht all die Qualitäten, die man wohl auch einem Bernard Haitink bei Mahler zuschreiben könnte… , die aber bei jenem meist als Qualitätsmerkmal gepriesen wurden.
Dem Affen kein Zucker Geben
Diese letztere Beschreibung stimmt auch größten Teils, nur kommt bei dieser Vierten kein einziges Mal der Gedanke auf, das alles könnte etwas Schlechtes sein. Wie der zweite Satz, mit schön und individuell gehaltenen Soloinstrumentalbeiträgen, gespielt wird ist sicher nicht weltbewegend neu, aber es ist erstklassig aufgeführt und aufgenommen. Auch ist das Orchester sensibel in den vielen ‚Gefühls-Übergängen‘: wie von leichter, flexibler Hand gesteuert. Und gerade der feine, berührende Schluss des dritten Satzes ist, zudem bei gemäßigten Tempi, außerordentlich gut gelungen. Tatsächlich ist das nicht so weit entfernt von Bernard Haitinks letzter (und bester) Einspielung von Mahlers Vierter mit dem Concertgebouw (2006, RCO Live) und einer just noch zum richtigen Zeitpunkt erwischten Christine Schäfer… wobei Haitink sogar durchgehend leicht zügigere Tempi anschlägt als Vänskä und seine Minneapolisaner. Ganz anders zum Beispiel James Levine mit dem Orchester aus Chicago, wo die Geigen sich in die Notenkurven fallen lassen, aber auch mit ihren Muskeln spielen und mit den Zähnen knirschen, dafür nicht immer so ganz genau sind oder am Anfang des dritten Satzes bei lange gehaltenen Noten etwas wackeln: Eine Vierte, die zum Teil im Charakter eher dem Stereotyp der Sechsten ähnelt. Bei Vänskä herrscht da, trotz sehr ähnlicher Tempi, ein durchweg leichterer Geist.
Stehen und Fallen mit dem Sopran
Das alles ist (im wahrsten Sinn des Wortes) schön und gut, aber es würde nichts nützen, wenn der Sopran im vierten Satz nicht liefert, was man von der Solistin in der vierten Symphonie erhofft. Die besten ersten drei Sätze können mit Leichtigkeit vom vokalen Beitrag ruiniert – zumindest aber stark gemildert – werden. Michael Gielens von Christine Whittlesey; Claudio Abbados von Renée Fleming – auch Michaela Kaune bei Zdeněk Mácal sind solch unglückliche Beispiele. Und alle großartigen Einspielungen der Vierten haben gemein, dass die Sängerinnen herausragend und vor allem: treffend! besetzt sind. Hier kann Vänskä nochmals punkten: Carolyn Sampson, lange mein Klangideal für eine klare, allürenfreie Sopranstimme, wird zwar auch älter und irgendwann ist jeder aus dem Engelchen-Alter heraus, aber hier trifft sie den herrlichen, glockengleichen Charakter des Stücks ohne gleichzeitig in Unschuldskitsch zu verfallen. Absolut in der Kategorie der feinsten Vierten, zusammen mit Helen Donath (Inbal), Barbara Hendricks (Salonen), der schon genannten Christine Schäfer, Kathleen Battle (Maazel), und Miah Persson – eher kindlich denn Engelsgleich (Iván Fischer). Alles in allem also eine hoch-gelungene, sehr zufriedenstellende Aufnahme, der zum letzten Tick, um aus der Menge der sehr guten Aufnahmen nochmals herauszuragen, nur ein Funken Inspiration fehlt. Trotzdem (knapp) die Höchstnote, dank Carolyn Sampson.
Jens F. Laurson [12.01.2020]
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Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
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CD/SACD 1 | ||
Gustav Mahler | ||
1 | Sinfonie Nr. 4 G-Dur für Sopran und großes Orchester | 00:59:25 |
Interpreten der Einspielung
- Carolyn Sampson (Sopran)
- Minnesota Orchestra (Orchester)
- Osmo Vänskä (Dirigent)