Russian Masquerade
BIS 2365
1 CD/SACD stereo/surround • 59min • 2017
10.08.2019
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
Das in der kleinen finnischen Küstenstadt Kokkola ansässige, 1972 von Juha Kangas zunächst als Schülerorchester gegründete, später professionalisierte und heute legendäre Ostrobothnian Chamber Orchestra ist eines der weltbesten Streichorchester – dank der Arbeit, die Kangas in mehreren Jahrzehnten leistete. Während dieser Zeit gewann er seinen Landsmann Sakari Oramo, den heutigen Chefdirigenten von BBC Symphony und Stockholm Philharmonic, als Nachfolger, der vorher schon lange Zeit regelmäßiger Gastdirigent war. Seit der Stabübergabe hat Oramo mehrere vielbeachtete Aufnahmen mit den Ostrobothnians gemacht, und die neueste präsentiert nun unter dem schillernden Titel ‚Russian Masquerade‘ einen großen Schwung Arrangements und ein viel zu selten gespieltes Originalwerk, allesamt russischer Provenienz und angeordnet in chronologisch rückläufiger Abfolge: eine Auswahl von 15 der 20 Sätze aus Sergej Prokofieffs frühen Visions fugitives in der sehr geschmackvollen und geschickten Einrichtung Rudolf Barschais; 13 der 24 Préludes op. 11 in allen Tonarten, nunmehr teils transkribiert, durchweg im regelmäßigen Wechsel von Dur und Moll angeordnet und bis auf zwei Ausnahmen in absteigenden Terzschritten als Grundtonarten aufeinander folgend, von Alexander Skriabin im Arrangement des unlängst verstorbenen finnischen Komponisten Jouni Kaipainen von 1999 (ganz besonders schön die Préludes in a-moll und in Des-Dur); Anton Arenskys Variationen über ein Thema von Tschaikowsky op. 35a, vom Komponisten selbst für Streichorchester übertragen von seinem zweiten Quartett, das ursprünglich für eine Geige, eine Bratsche und 2 Celli gesetzt war; und die Elegie, zunächst als Salutation reconnaissante betitelt, die Pjotr Tschaikowsky 1884 als Hommage an den befreundeten Regisseur Iwan Samarin schrieb und später als Zwischenspiel seiner Hamlet-Bühnenmusik wiederverwendete.
Der tadellos informierende Begleittext von Andrew Huth erzählt mehr über diese vier Werke. Hervorragend ist die Aufnahmequalität in der Snellman-Halle in Kokkola unter der Leitung von Hans Kipfer.
Sakari Oramo ist von seinem Naturell her eher extravertiert und hell, und entsprechend wirkt die Musik hier auch in tragischen und elegischen Verhältnissen immer noch irgendwie optimistisch. Ganz besonders gelingen die brillanten Stücke und Passagen, wozu vor allem in den Prokofieff-Barschai-Impressionen viel Gelegenheit ist – eine unglaubliche Vielfalt an Charakteren ist in diesen Miniaturen enthalten, und es gelingt vortrefflich, sie ins Streicheridiom zu übertragen. Dies ist in den Skriabin-Stücken oft weniger einfach. Und vor allem einige sehr kurze Nummern bleiben hier ein bisschen rätselhaft, intuitiv erwartet man eine weitergehende Entwicklung des Gedankens in der größeren Besetzung… Beide Zyklen beinhalten eine Menge Stücke, die sich vorzüglich für kurze Tournee-Zugaben eignen, und sollten unbedingt von Freunden der Streichorchester-Musik zur Kenntnis genommen werden. Arenskys Referenz an Tschaikowsky gelingt sehr ansprechend, in Tschaikowskys eigener Elegie – einem in der vollendeten Balance der widersprechenden Kräfte wieder einmal phänomenalen Meisterstück, das viel populärer sein müsste – habe ich grundlegend lediglich einzuwenden, dass ich der klaren Ansicht bin, das Tempo sei durchgehend recht kontinuierlich zu halten und im Mittelteil nicht derart krass zu beschleunigen. Doch die Qualität insgesamt ist außerordentlich, Orchester und Dirigent werden mit viel Liebe zu den Details ihrem exzellenten Ruf gerecht.
Christoph Schlüren [10.08.2019]
Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
---|---|---|
CD/SACD 1 | ||
Sergej Prokofjew | ||
1 | Visions fugitives op. 22 | 00:17:02 |
Alexander Scriabin | ||
16 | Prélude Ges-Dur op. 11 Nr. 13 | |
17 | Prélude es-Moll op. 11 Nr. 14 | 00:01:18 |
18 | Prélude E-Dur op. 11 Nr. 9 | 00:02:09 |
19 | Prélude a-Moll op. 11 Nr. 2 | 00:02:19 |
20 | Prélude A-Dur op. 11 Nr. 7 | 00:01:02 |
21 | Prélude fis-Moll op. 11 Nr. 8 | 00:01:32 |
22 | Prélude Des-Dur op. 11 Nr. 15 | 00:02:16 |
23 | Prélude des-Moll op. 11 Nr. 16 (Misterioso) | 00:01:31 |
24 | Prélude As-Dur op. 11 Nr. 17 | 00:00:44 |
25 | Prélude f-Moll op. 11 Nr. 18 | 00:00:47 |
26 | Prélude F-Dur op. 11 Nr. 19 | 00:00:59 |
27 | Prélude h-Moll op. 11 Nr. 6 | 00:00:58 |
28 | Prélude D-Dur op. 11 Nr. 5 – Andante cantabile | 00:02:19 |
Anton Arensky | ||
29 | Variationen über ein Thema von Tschaikowsky op. 35a | 00:13:36 |
Peter Tschaikowsky | ||
38 | Élégie für Streichorchester | 00:07:55 |
Interpreten der Einspielung
- Ostrobothnian Chamber Orchestra (Orchester)
- Sakari Oramo (Dirigent)