Konzert-Raritäten aus dem Pleyel-Museum vol. 18
Ars Produktion ARS 38 828
1 CD • 50min • 2018
12.03.2019
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
Klassik Heute
Empfehlung
Ignaz Joseph Pleyel, 1757 (knapp anderthalb Jahre nach W. A. Mozart) im niederösterreichischen Ruppersthal geboren und 1831 auf seinem Landgut bei Paris gestorben; ist eher als Gründer der berühmten französischen Klaviermanufaktur denn als Komponist in Erinnerung geblieben. Zu Lebzeiten sah das anders aus – Pleyel gehörte zu den gefeierten Komponisten seiner Generation, wenn auch die in der 1807 gegründeten Manufaktur gefertigten Klaviere schnell weltweite Berühmtheit erlangten und bald seinen Ruf als Komponist in den Schatten stellten. Seit 1995 widmet sich die Internationale Ignaz Joseph Pleyel Gesellschaft (IPG) an seinem Geburtsort der Förderung von Pleyels Lebenswerk und Erhaltung seines Elternhauses, das restauriert wurde und seit 1998 ein Museum beherbergt. Gleichzeitig ist die IPG Herausgeberin einer stattlichen Diskographie von Pleyels Musik, deren 18. Teil diese CD bildet.
Johann Baptist Vanhal und Joseph Haydn waren seine Lehrer, und der gegenüber Kollegen durchaus nicht unkritische Mozart lobte 1784 in einem Brief an seinen Vater soeben erschienene Streichquartette Pleyels: „… suchen Sie sie zu bekommen; es ist der Mühe werth.“ Eines dieser Quartette, zur Klaviersonate umgearbeitet, steht am Anfang des Programms, das Varvara Manukyan, armenische Pianistin und Spezialistin für historische Klaviere, hier auf einem originalen Pleyel-Hammerflügel aus dem Jahr 1838 präsentiert. Damals stand die Firma bereits unter der Leitung des Sohnes Camille Pleyel (1788-1855), der auf dieser CD ebenfalls mit einem Nocturne à la Field vertreten ist. Außer der Sonate von Vater Pleyel gehören sämtliche anderen Stücke des hier eingespielten Programms der romantischen Gattung Nocturne an, als deren Schöpfer der irische Komponist John Field (1782-1837) gilt: Er ist hier mit vier Nocturnes präsent. Den Abschluss des Programms bilden Chopins drei Nocturnes op. 9 – sie sind 1830/32 entstanden und Marie Moke-Pleyel zugeeignet, Camille Pleyels Ehefrau und selbst eine gefeierte Pianistin.
Varvara Manukyan stellt auf dem Pleyel-Flügel große Einfühlsamkeit in die Klangcharakteristik des Instruments unter Beweis; inklusive der Sonate von Pleyel senior (für die das Instrument eigentlich einige Jahrzehnte zu jung ist, für die frühe Geschichte des Pianoforte eine lange Zeit) erklingen die Stücke dieses Programms in ebenso feinfühliger wie klanglich bestens ausgeleuchteter Darstellung.
Ein reiches Feld zum Vergleich bieten Chopins Nocturnes op. 9, die in etlichen Einspielungen auf Fortepiano vorliegen. Für das erste Nocturne bietet sich ein Vergleich mit einem Érard-Flügel von 1839 an: Hier besticht der Érard durch seinen zarten, jedoch sehr wandlungsfähigen Ton – das mag aber auch an der Aufnahmetechnik liegen, die bei der hier zu besprechenden Aufnahme in den Flügel hineinzukriechen scheint und ihn so klanglich vielleicht etwas aufbläst. Derselbe Eindruck stellt sich nämlich auch bei den Aufnahmen von Arthur Schonderwoerd bei Alpha ein, die auf einem Pleyel-Flügel von 1836 entstanden sind, ebenso bei Luc Devos, der ein Broadwood-Klavier von 1845 verwendet (dessen Instrumente mir sonst eher zu den Fortepiani mit kraftvoller Klangcharakteristik zu gehören schienen).
Der interpretatorische Vergleich der hier auf Fortepiano eingespielten Nocturnes op. 9 von Chopin zeigt, dass die romantische Klaviermusik auch bei Verwendung historischer Klaviere auf einem hohen Niveau individueller Deutungsansätze angelangt ist: ein höchst begrüßenswertes Stadium der historisch informierten Musizierpraxis für diesen Bereich ihrer Annäherung an die instrumentale Klanglichkeit vergangener Zeiten. Jeder Pianist der Vergleichseinspielungen liefert ein intimes Bekenntnis zu Chopins Klaviermusik ab – und das ist zur Entstehungszeit der Stücke sicher nicht anders gewesen. Selbst wenn ich als Hörer Jean Goverts Interpretation des Nocturnes op. 9, 1 an die erste Stelle meiner Favoriten setzen würde, kann ich Varvara Manukyans durchdachter und tief erfühlter Interpretation meinen Respekt nicht versagen. Und diese Aussage gilt für die ganze CD: Hier agiert eine Künstlerin, die ihr Instrument und das Repertoire, das sie eingespielt hat, souverän beherrscht und auch als Künstlerin ein zutiefst persönliches Verhältnis zu den Stücken offenbart.
Vergleichsaufnahmen: Chopin: Arthur Schonderwoerd, Fortepiano Pleyel, 1836 (CD: Alpha 147, AD: 2008); Luc Devos, Luc Devos, Fortepiano Broadwood, ca. 1845 (CD: RIC 132116, AD: 1993); op. 9, 1: Jean Goverts, Fortepiano Érard, Paris 1839 (CD: STIL 2008 SAN 90, AD: 1991).
Detmar Huchting [12.03.2019]
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Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
---|---|---|
CD/SACD 1 | ||
Ignaz Pleyel | ||
1 | Klaviersonate Nr. 5 G-Dur (aus dem Streichquartett Ben 332) | 00:15:35 |
John Field | ||
4 | Nocturne Es-Dur H 24 | 00:03:26 |
5 | Nocturne c-Moll H 25 | 00:03:13 |
6 | Nocturne As-Dur H 26 | 00:04:00 |
7 | Nocturne A-Dur H 36 | 00:04:50 |
Camille Pleyel | ||
8 | Nocturne à la Field B-Dur op. 54 | 00:03:28 |
Frédéric Chopin | ||
9 | Nocturne b-Moll op. 9 Nr. 1 | 00:04:53 |
10 | Nocturne Es-Dur op. 9 Nr. 2 | 00:04:00 |
11 | Nocturne H-Dur op. 9 Nr. 3 | 00:06:19 |
Interpreten der Einspielung
- Varvara Manukyan (Hammerflügel)