Ernst von Dohnányi
Piano Works
Capriccio C5332
2 CD • 2h 18min • 2014, 2015, 2016
27.11.2018
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
„Möge unendliche, vervielfachte Liebe diesem großartigen […] Komponisten und seiner Musik sowohl von Interpreten als auch vom Publikum entgegengebracht werden!“ Diesen Worten, mit denen Sofja Gülbadamova den selbstverfassten Begleittext ihres Albums mit Klaviermusik Ernst von Dohnányis beschließt, kann ich mich nur anschließen, denn Dohnányi war ein Meister, einer jenen glücklichen Tonsetzer, denen kraft ihrer sprudelnden Inspiration und stupenden Technik ein großartiges Werk nach dem anderen aus der Feder floss. Davon kann man sich anhand der vorliegenden Doppel-CD ein schönes Bild machen, wobei die Pianistin den Schwerpunkt auf das Frühwerk Dohnányis gelegt hat: Von den Klavierstücken op. 41 abgesehen, entstanden alle hier eingespielten Werke bis zum 30. Lebensjahr des Komponisten. Dohnányi gehörte zu den letzten Protegés von Brahms, und in den frühen Klavierwerken zeigt sich, dass er seinen Stil wesentlich durch die Beschäftigung mit dessen Schaffen ausgebildet hat. Regelmäßig begegnen einem im Rhythmischen und Harmonischen Brahmssche Kunstgriffe (sehr deutlich etwa im Intermezzo op. 2, Nr. 2), von Anfang an jedoch pflegt Dohnányi einen virtuoseren Klavierstil als das Vorbild und kultiviert eine Klangsinnlichkeit und Farbenvielfalt, wie man sie bei Brahms kaum findet. Auch ist dem Jüngeren Brahmsens Melancholie weitgehend fremd. Die Stimmungen, denen sich Dohnányi vornehmlich widmet, der heitere Grundton seiner Musik – auch im Moll wird es bei ihm nicht finster – und der ausgeprägte Komponierwitz, lassen ihn eher als einen dem 19. Jahrhundert entwachsenen Geistesverwandten Haydns erscheinen. Bei aller Leichtigkeit ist diese Musik nur scheinbar locker, tatsächlich aber streng in der Form, gestaltet von einem wachen, scharfsinnigen, phantasievollen Verstand. Man höre etwa den einleitenden Marsch der Fünf Humoresken in Form einer Suite op. 17, dem man aufgrund des Reichtums reizvoller Ereignisse zunächst gar nicht glauben mag, dass er sich über einem konsequent durchgehaltenen Vierton-Ostinato entfaltet. Als Klavierkomponist war Dohnányi, wie Brahms, überwiegend Miniaturist. Mit den vier Rhapsodien op. 11, die schon durch die thematischen Verweise untereinander verraten, dass sie keine Sammlung, sondern ein Zyklus sind, enthält das Album aber auch dasjenige Werk des Komponisten, das einer Klaviersonate am nächsten kommt und seinen Schöpfer als Meister großer Form zeigt. Grundsätzlich traditionsverbunden, hat Dohnányi im Laufe der Jahre seinem Stil neue Ausdrucksmöglichkeiten hinzugewonnen, mitunter auf spielerische Weise. So erlebt man ihn in einigen der Stücke op. 41, wie er Steckenpferde der Impressionisten (Impromptu, Cascades) und Neoklassizisten (Scherzino) reitet, ohne sich untreu zu werden.
Den oben zitierten Worten lässt sich entnehmen, dass Sofja Gülbadamova voll und ganz hinter der Musik steht, die sie auf den beiden Scheiben präsentiert. Man hört es auch ihren Interpretationen an. Sie ist nicht nur den immensen technischen Anforderungen Dohnányis gewachsen, sondern zeigt auch, dass Virtuosität dem Komponisten stets Mittel künstlerischen Ausdrucks war. Mit einem sicheren Sinn für Rubatoeffekte spürt sie dem Spannungsauf- und abbau der Werkverläufe nach und versteht ebenso gut, artikulatorisch abwechslungsreich zu gestalten. In ein paar Stücken hätte ein etwas mehr strukturbetontes Spiel den guten Eindruck vielleicht noch verstärkt (so könnte ich mir die Bassmotive in Um Mitternacht, der Nr. 7 des Winterreigens op. 13, deutlicher hervorgehoben vorstellen), doch liegt mit diesem Album eine sehr überzeugende Einspielung Dohnányischer Klaviermusik vor.
Norbert Florian Schuck [27.11.2018]
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Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
---|---|---|
CD/SACD 1 | ||
Ernst von Dohnányi | ||
2 | Marsch der lustigen Brüder op. 13 Nr. 2 | 00:03:48 |
3 | An Ada op. 13 Nr. 3 | 00:01:21 |
4 | Freund Vicors Mazurka op. 13 Nr. 4 | 00:03:31 |
5 | Sphärenmusik op. 13 Nr. 5 | 00:05:30 |
6 | Valse aimable op. 13 Nr. 6 | 00:02:51 |
7 | Um Mitternacht op. 13 Nr. 7 | 00:02:37 |
8 | Wilde Gesellschaft op. 13 Nr. 8 | 00:02:35 |
9 | Morgengrauen op. 13 Nr. 9 | 00:03:32 |
10 | Postludium op. 13 Nr. 10 | 00:01:37 |
11 | Scherzo cis-Moll op. 2 Nr. 1 | 00:07:25 |
12 | Intermezzo a-Moll op. 2 Nr. 2 | 00:06:00 |
13 | Intermezzo f-Moll op. 2 Nr. 3 | 00:07:09 |
14 | Capriccio h-Moll op. 2 Nr. 4 | 00:07:50 |
15 | Impromptu op. 41 Nr. 1 | 00:03:05 |
16 | Scherzino op. 41 Nr. 2 | 00:02:13 |
17 | Canzonetta op. 41 Nr. 3 | 00:01:50 |
18 | Cascades op. 41 Nr. 4 | 00:04:01 |
19 | Ländler op. 41 Nr. 5 | 00:02:24 |
20 | Cloches op. 41 Nr. 6 | 00:05:10 |
CD/SACD 2 | ||
1 | Albumblatt F-Dur | 00:02:45 |
2 | Gavotte und Musette H-Dur | 00:04:47 |
3 | 5 Humoresken in Form einer Suite op. 17 | 00:25:53 |
8 | Rhapsodie g-Moll op. 11 Nr. 1 | 00:08:51 |
9 | Rhapsodie fis-Moll op. 11 Nr. 2 | 00:07:40 |
10 | Rhapsodie C-Dur op. 11 Nr. 3 | 00:04:59 |
11 | Rhapsodie es-Moll op. 11 Nr. 4 | 00:06:53 |
Interpreten der Einspielung
- Sofia Gülbadamova (Klavier)