Franz Schubert
Piano Sonatas D 959 & D 960
DG 479 7588
1 CD • 82min • 2016
24.10.2017
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
Plötzlich sind alle modischen Zugeständnisse, an die man sich bei den Youngster-Produktionen der Deutschen Grammophon in der Covergestaltung mittlerweile gewöhnt hat, hinfällig: Nach vielen Jahren gibt sich einmal wieder Krystian Zimerman die Ehre, und das Cover kommt so klassisch daher, wie es nur möglich ist - Gold und Silber, ich denke an Michelangelis legendäres Chopin-Album. Zimerman spielt die letzten beiden Sonaten von Franz Schubert, also Erlesenstes, letzte Worte musikalischer Weisheit sozusagen. Pianistisch ist er nach wie vor phänomenal, und ginge es alleine darum – er kann wirklich sozusagen alles machen, was er machen will –, so wäre die höchste Bewertung außer jeder Frage. Doch es geht eben dann doch vor allem ums Musikalische, und da bleiben viele Fragezeichen. Nicht, dass er sich vor seinen Kollegen damit verstecken müsste, die wissen es auch nicht besser.
Früher einmal, als Eduard Erdmann noch auftrat, wäre ein anderer, wirklich Orientierung gebender Maßstab verfügbar gewesen, doch wer kennt den schon heute? Und Erdmann hat in späten Jahren, als seine Aufnahmen entstanden, nicht mehr so makellos Klavier gespielt. Aber das Wichtigste kann man nach wie vor von ihm lernen: Wie kann ein weitgespannter Zusammenhang entstehen? Wie gelingt es, einen oder mehrere opponierende Charaktere zu entfesseln und durchzuhalten? Wie ist eine durchgehende Sanglichkeit, auch in den gewaltigen Ausbrüchen, zu erzielen? Wie kommen die Modulationen in ihren entscheidenden Wendungen zum Tragen? Was heißt es, den Rhythmus nicht gelegentlich zu verwaschen, sich nicht in detailverliebten Rubato-Manierismen – und seien diese noch so sehr Tradition geworden – zu verlieren, immer den Bezug zu halten zu dem, was war, und zu dem, was kommt?
Hier liegen die – zugegebenermaßen fast überall anzutreffenden – Mängel dieser pianistisch so großartig realisierten Aufnahme. Zimerman ist zu jeder Feinabstufung fähig. Es gibt keine Hürden hinsichtlich Geläufigkeit und Wendigkeit der Artikulation – wenn er jetzt auch noch Klarheit darüber hätte, wie das zusammenhangstiftend eingesetzt werden könnte. Wenn er verstünde, den harmonischen Verlauf sinnfällig zu korrelieren. Dann würden diese großartigen Sonaten jene symphonische Dimension hinzugewinnen, die potenziell da ist, jedoch nur dann manifestiert werden kann, wenn der Blickwinkel des Komponisten eingenommen wird: eins aus dem anderen entwickeln, zunächst alles in Wellen auf den Höhepunkt ausgerichtet, dann auf die finale Erlösung. Auch wäre dem förderlich, wenn tatsächlich die dynamischen und artikulatorischen Forderungen des Komponisten durchgehend beachtet würden, was nicht immer der Fall ist. Aber das ist ein nachrangiger Einwand. Das Klangbild ist exzellent, den Begleittext bildet ein Interview des Maestro mit Jessica Duchen.
Christoph Schlüren [24.10.2017]
Anzeige
Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
---|---|---|
CD/SACD 1 | ||
Franz Schubert | ||
1 | Piano Sonata No. 21 A major D 959 | 00:38:54 |
5 | Klaviersonate B-Dur D 960 op. posth. | 00:43:12 |
Interpreten der Einspielung
- Krystian Zimerman (Klavier)