Madrigali
Vokalmusik von Max Beckschäfer
Genuin GEN 16444
1 CD • 80min • 2015
17.06.2017
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
Klassik Heute
Empfehlung
Cover und Titel dieser CD mit Vokalmusik Max Beckschäfers (Jg. 1952) versprechen nicht zu viel. Mediterraner Geist prägt bereits den einleitenden Zyklus Meeresgespräche (nach Gedichten von Rafael Alberti), einen unbegleiteten Sologesang des Countertenors. Doch auch die anderen Kompositionen versuchen mit Glück und ohne akademischen Beigeschmack, die alte Madrigalkultur aus der Zeit Monteverdis heraufzubeschwören und neu aufleben zu lassen. Schlichtheit und Sinnlichkeit charakterisieren die Musik Beckschäfers.
Das Herzstück ist der Zyklus Madrigali veneziani für Countertenor und Streichuartett, der auf Liebesgedichte zurückgreift, die schon der junge Heinrich Schütz während seines Studienaufenthaltes in Italien vertont hatte. Er entstand 2009 im Palazzo Barbarigo in Venedig, wo sich Beckschäfer als Stipendiat des Deutschen Studienzentrums aufhielt. Die Musik ist wahrlich vom genius loci inspiriert, lässt den Geruch der Stadt und das gleißende Sonnenlicht ahnen.
Nicht weniger beeindruckend ist es, wie sich Beckschäfer im Zyklus Wie got kumet in die sele nach Gedichten der Mystikerin Mechthild von Magdeburg (um 1250) in Form und Tonsprache mittelalterlicher Musik hineindenkt.
Als ein Joke (wenn auch möglicherweise nicht als ein solcher gedacht) erscheint Ritratto di Pontormo, der schier unglaubliche Versuch, ein sehr prosaisches Tagebuch, das überwiegend Informationen wie „abends Eier gegessen“ oder „Freitag regnet es“ in Musik zu setzen. Der Renaissance-Maler Jacopo Pontormo hat solches aufgeschrieben, während er 1554 in der Florentiner Kirche San Lorenzo das „Jüngste Gericht“ malte. Beckschäfer lässt diese Texte von einem Tenor (Robert Sellier) singen und sprechen, gelegentlich durch Pfeifen, Summen, Ächzen und Stöhnen unterbrochen, und setzt einen Kontrabass (Christine Hoock) skurril kommentierend dagegen.
Mit dem Versuch über das Glück, einer persönlichen Auswahl von Gedichten des Lyrikers Erich Jooß (Jg. 1946), begibt sich der Komponist auf das traditionelle Terrain des Klavierlieds, wobei er die Musik ganz in den Dienst der textlichen, teilweise religiös geprägten Aussage stellt. Dem Bariton Christian Rieger und seinem zum Zeitpunkt der Aufnahme erst 20jährigen Begleiter Oliver Fraenzke gelingt eine intensive und beredte Interpretation.
Dass Beckschäfer in den meisten Fällen wusste, für welche Künstler er seine Musik schrieb, mag seine Inspiration zusätzlich beflügelt haben. Jedenfalls kann man die Wiedergabe seiner Kompositionen auf dieser CD mit Fug und Recht als authentisch bezeichnen. Der Countertenor Franz Vitzthum, dem die Meeresgespräche gewidmet sind und für den auch die Madrigale geschrieben wurden, vermag mit außerordentlicher, mitunter seraphischer Klangschönheit und hoher Musikalität auch Verächter seines künstlichen Stimmfaches zu überzeugen. Er führt stimmlich auch das Vokalquartett Ensemble Stimmwerck an (dem noch zwei Tenöre und ein Bass angehören), das in „wie got kumet…“ ein Exempel meisterlichen a-cappella-Gesangs gibt. Kleine Wunder an Klangfülle und Klangfarbenvielfalt vollbringt das zum Streichquartett reduzierte Ensemble il capriccio in den venezianischen Madrigalen.
Ekkehard Pluta [17.06.2017]
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Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
---|---|---|
CD/SACD 1 | ||
Max Beckschäfer | ||
1 | Hoy, mar | 00:01:39 |
2 | Yace aquí el mar | 00:01:22 |
3 | Dame la ingenuidad, mar | 00:00:51 |
4 | Feroces leones | 00:01:21 |
5 | Quiero, mar | 00:01:31 |
6 | Wie got kumet in die sele | 00:01:03 |
7 | Von siben hande liebin gottes | 00:02:54 |
8 | Der got minnet, der angesiget drin dingen | 00:02:09 |
9 | Ze sexte zit | 00:02:12 |
10 | Ich sach under Lucifer der helle grunt | 00:03:50 |
11 | Das himelriche hat manige porten | 00:03:15 |
12 | Ich grůsse dich vrowe | 00:03:00 |
13 | Adì 7 in domenica sera | 00:01:05 |
14 | Sabato Batista è venuto | 00:01:06 |
15 | Lunedì feci quella teretta | 00:00:50 |
16 | Mercoledì: s'asettò e palco | 00:00:22 |
17 | Adì 27 detto portai | 00:01:00 |
18 | Mercoledì ebi uno intonico | 00:01:04 |
19 | Adì 18 non lavorai | 00:01:04 |
20 | Adì 25 mercoledì | 00:04:51 |
21 | Venerdì piove | 00:00:31 |
22 | Domenica mattina | 00:01:01 |
23 | Lunedì adì 22 d'Aprile | 00:01:27 |
24 | Venerdì uno campo azurro | 00:01:00 |
25 | Lunedì sera in casa Daniello | 00:00:25 |
26 | Mercoledì feci quello resto del putto | 00:01:09 |
27 | Adì 20 si bollì | 00:00:16 |
28 | E in tal sera empiei la botte del vino | 00:01:20 |
29 | Martedì feci in casa | 00:00:37 |
30 | Adì 20 giovedì | 00:00:39 |
31 | Venerdì cominciò a essere fredo | 00:01:23 |
32 | O primavera | 00:04:16 |
33 | Partita dell'amata | 00:03:28 |
34 | Sospiro della sua donna | 00:02:09 |
35 | Bella mano venduta | 00:02:34 |
36 | Guerra di baci | 00:03:38 |
37 | Cari baci | 00:04:40 |
38 | Vasto mar | 00:04:41 |
39 | Versuch über das Glück | 00:02:23 |
40 | Vergänglichkeit | 00:01:05 |
41 | Gedicht für einen Baum | 00:02:31 |
42 | Im Garten von Schloss Hirschberg | 00:01:52 |
43 | Der glückliche Löwe | 00:01:18 |
44 | Santa Maria dei Miracoli | 00:02:50 |
Interpreten der Einspielung
- Stimmwerck (Ensemble)
- Franz Vitzthum (Countertenor)
- Robert Sellier (Tenor)
- Christian Rieger (Bariton)
- Il Capriccio - Fränkisches Kammerorchester (Orchester)
- Christine Hoock (Kontrabass)
- Oliver Fraenzke (Klavier)